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Kommentierung zu
Art. 80 ZGB

Eine Kommentierung von Lukas Brugger

Herausgegeben von Nils Güggi / Lukas von Orelli

defriten

I. Grundzüge des Schweizer Stiftungsrechts

1 Das Schweizer Zivilrecht enthält keine Legaldefinition der Stiftung. Vielmehr liegt der Rechtsform Stiftung ein allgemeiner Grundbegriff zugrunde: Bei der Stiftung handelt es sich um ein zu einem besonderen Zweck gewidmetes, eigentümerloses Sondervermögen mit eigener Rechtspersönlichkeit.

A. Einzige Anstalt des Privatrechts

2 Die Stiftung hat weder Eigentümerinnen oder Eigentümer noch Mitglieder, sondern ist ein verselbständigtes, zu einem bestimmten Zweck gewidmetes Vermögen («Zweckvermögen»). Sie stellt damit in der durch Art. 52 ZGB aufgezeigten Unterscheidung zwischen Körperschaften und Anstalten die einzige Anstalt des Privatrechts dar.

Aufgrund ihrer anstaltlichen Natur bilden die Organe den Willen der Stiftung nicht autonom, sondern sind bloss zum Vollzug des im Errichtungsakt niedergelegten Zwecks berufen. Die bei der Stiftung involvierten Personen – allen voran die Stifterin oder der Stifter, die Stiftungsorgane, Gläubiger, Destinatäre etc. – sind denn auch nicht ihre Mitglieder, sondern blosse Beteiligte mit je gesonderten Rechtsbeziehungen zur Stiftung und sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten. Aus der Tatsache, dass die Stiftung weder Eigentümerinnen oder Eigentümer noch Mitglieder hat, resultiert ein rechtsformtypisches Kontrolldefizit, weshalb die Stiftung die einzige juristische Person des Privatrechts ist, die gemäss Art. 84 ZGB nur aufgrund ihrer Rechtsform einer staatlichen Aufsichtsbehörde unterstellt ist (Familienstiftungen und kirchliche Stiftungen sind von der staatlichen Aufsicht jedoch ausgenommen, siehe unten N. 14).

B. Trennungs- und Erstarrungsprinzip

3 Die anstaltliche Natur der Stiftung drückt sich vor allem in zwei Grundprinzipien des Stiftungsrechts aus, dem Trennungsprinzip und dem Erstarrungsprinzip.

1. Trennungsprinzip

4 Das Trennungsprinzip besagt, dass durch die im Rahmen des Errichtungsaktes vorgenommene Widmung eines Vermögens zu einem bestimmten Zweck ein von der Stifterin getrenntes Rechtssubjekt mit eigenem Vermögen und eigener Organisation entsteht.

5 Regelmässig mit dem Trennungsprinzip in Konflikt gerät ein zu starker Einfluss der Stifterin oder des Stifters auf die Stiftung. Die Stifterin oder der Stifter kann sich – neben dem in Art. 86a ZGB vorgesehenen Zweckänderungsrecht

– auch weitere Informations-, Ernennungs-, Abberufungs-, Vorschlags-, Genehmigungs- oder Vetorechte vorbehalten.
Wenn die Einfluss- und Kontrollrechte jedoch ein die Autonomie der Stiftung nicht mehr würdigendes Ausmass annehmen – was im Einzelfall zu bestimmen ist –, kann dies zu einer Durchbrechung des Trennungsprinzips führen und einen Fall des Durchgriffs darstellen und bei steuerbefreiten gemeinnützigen Stiftungen überdies zur Ablehnung der Steuerbefreiung führen.

6 Von den Stifterrechten abzugrenzen sind die allgemeinhin als zulässig anerkannten sog. Sonderrechte, mit denen die Nutzbarkeit bestimmter gewidmeter Vermögenswerte eingeschränkt wird, etwa durch ein Wohnrecht an einer eingebrachten Liegenschaft zugunsten der Stifterin.

2. Erstarrungsprinzip

7 Die Organe der Stiftung können keinen eigenen Willen für die Stiftung bilden, sondern sind zur Umsetzung des im Gründungsakt festgelegten Stiftungszwecks und damit grundsätzlich unabänderlich gewordenen – eben erstarrten – Stifterwillens berufen.

8 Aufgrund des anstaltlichen Erstarrungsprinzips sind Stiftungen ihrem Wesen nach grds. feste und äusserst beständige Gebilde. Die einmal im Stiftungsgeschäft niedergelegte und durch den Stifterwillen verselbständigte Organisation soll nach der Stiftungserrichtung prinzipiell nicht mehr nach Belieben modifiziert werden können. Da jedoch selbst die umsichtigste Stifterin oder der umsichtigste Stifter nicht alle in der Zukunft liegenden Eventualitäten berücksichtigen kann, bestehen über die Art. 85–86b ZGB Anpassungsmöglichkeiten der Stiftung, die gewisse Durchbrechungen des Erstarrungsprinzips ermöglichen.

9 Ein dynamisches Stiftungsverständnis besagt überdies, dass sich die Stiftungsorgane zwar am ursprünglichen Stifterwillen zu orientieren haben, jedoch im Rahmen der ordnungsgemässen Ermessenausübung, der eigenen Handlungsautonomie und in den Grenzen der Art. 85 ff. ZGB die Stiftung auch fortentwickeln können und müssen.

C. Auslegung des Stifterwillens

10 Vor dem Hintergrund der anstaltlichen Natur der Stiftung kommt der Auslegung des Stiftungszwecks und dem darin niedergelegten Stifterwillen als Richtschnur des Handelns der Stiftungsbeteiligten eine herausragende Bedeutung zu.

Als einseitiges Rechtsgeschäft wird das Stiftungsgeschäft dabei nach dem Willensprinzip und nicht nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt: Entscheidend ist, was die Stifterin oder der Stifter gewollt hat und nicht, was ein potenzieller Erklärungsempfänger verstehen durfte.

11 Ausserhalb der Stiftungsdokumente liegende oder nachträgliche Umstände (bspw. mündliche Äusserungen, Begleitdokumente, letter of wishes etc.) können gemäss h.L. nach der sog. Andeutungstheorie bei der Ermittlung des wirklichen Willens berücksichtigt werden, wenn sie in der Stiftungsurkunde zumindest angedeutet werden.

Bei einer Änderung der Verhältnisse kann mittels einer ergänzenden Auslegung der hypothetische Stifterwille ermittelt werden, wobei das Ergebnis dieser Auslegung in der Stiftungsurkunde ebenfalls zumindest angedeutet sein muss.

D. Stiftungstypen

1. Die «klassische» Stiftung und die Sondertypen

12 Das Stiftungsrecht unterscheidet zwischen verschiedenen Typen, den sogenannten «klassischen» Stiftungen (auch gewöhnliche oder normale Stiftungen genannt) und den Sonderformen.

Dabei gibt es gesetzliche Sonderformen mit eigenen Vorschriften (so etwa die Familienstiftung, die kirchliche Stiftung und die Personalfürsorgestiftung) und faktische Sonderformen, wie die Unternehmensstiftung, bei der sich die Partikularität aus dem Stiftungsvermögen selbst (einem aktiven Unternehmen oder Gesellschaftsanteilen) oder dem Zweck (etwa Halten oder Fortentwickeln des Unternehmens) ergibt.

13 Die «klassische» Stiftung ist nicht mit einem gemeinnützigen Zweck gleichzusetzen. Das Stiftungszivilrecht lässt nicht nur gemeinnützige Stiftungen zu, sondern erlaubt sämtliche gemeinnützige und privatnützige Stiftungszwecke, die nicht gesetzeswidrig sind oder gegen die guten Sitten verstossen (Art. 52 Abs. 3 ZGB). Zudem ist die Gemeinnützigkeit grds. ein steuerlicher Rechtsbegriff (vgl. Art. 56 Bst. g DBG, Art. 23 Abs. 1 Bst. f StHG), der für das Stiftungszivilrecht weder eigens definiert wird,

noch als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Stiftungserrichtung gilt. «Klassisch» ist in diesem Kontext dahingehend zu verstehen, dass auf die Stiftung die Art. 80–89 ZGB anwendbar sind, ohne dass stiftungsspezifische Sondernormen greifen, wie namentlich Art. 87 ZGB, der für Familienstiftungen und kirchliche Stiftungen eine Ausnahme von der staatlichen Stiftungsaufsicht oder der Revisionsstellenpflicht vorsieht (Art. 87 Abs. 1 und Abs. 1bis ZGB).

2. Bedeutung der Unterscheidung

14 Aufgrund des nach Stiftungstyp unterscheidenden Ansatzes gibt es in der Schweiz nicht das eine auf alle Stiftungen anwendbare Stiftungsrecht, sondern es muss vielmehr im Einzelfall untersucht werden, welche Vorschriften zur Anwendung gelangen. Dabei haben die nach Stiftungstyp unterscheidenden Weichenstellungen gravierende Auswirkungen auf das Rechtsgefüge und die Governance der Stiftung: So ist für klassische Stiftungen etwa eine staatliche Stiftungsaufsicht vorgesehen, während diese etwa bei Familienstiftungen vollkommen entfällt und damit für Beanstandungen der Destinatäre nicht etwa die staatliche Aufsichtsbehörde, sondern das Gericht zuständig ist (Art. 87 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB).

Kirchliche Stiftungen wiederum sind von der Aufsicht einer staatlichen Aufsichtsbehörde ausgenommen, weil sie einer kircheninternen Aufsicht unterstehen.

3. Gemischte Stiftungen

15 Wenn eine Stiftung mehrere Zwecke verfolgt (was ohne weiteres zulässig ist), können sog. gemischte Stiftungen vorliegen. Bei gemischten Stiftungen handelt es sich um Stiftungen, bei denen Zwecke von unterschiedlichen Stiftungstypen gemeinsam verfolgt werden,

so etwa die Kombination aus gemeinnützigen Zwecken und Begünstigung von Familienmitgliedern (sog. gemeinnützige Familienstiftungen). Welche stiftungsrechtlichen Bestimmungen bei gemischten Stiftungen zur Anwendung kommen, ist im Einzelfall zu eruieren. Hinzu kommt, dass schon die Zuordnung einer Stiftung aufgrund des nach Stiftungstyp differenzierenden Schweizer Stiftungsrechts schwerfallen kann, zumal die Unterscheidung meistens am verfolgten Zweck oder den Destinatären anknüpft. Die Familienstiftung (Art. 87 und 335 ZGB) wird etwa dadurch definiert, dass ihre Begünstigten Familienangehörige sind. Was jedoch unter dem Rechtsbegriff «Familie» zu verstehen ist, unterliegt unvorhersehbaren und wandelungsfähigen gesellschaftspolitischen Wertungen, weshalb die Grenze zwischen der reinen Familienstiftung, der gemischten Familienstiftung und der klassischen Stiftung häufig unklar ist.

E. Gesetzliche Grundlagen des Stiftungsrechts

16 Die Art. 80–89 ZGB regeln als materielles Kernrecht die Grundzüge aller Stiftungen (Errichtung, Organisation, Organe und ihre Pflichten, Zweck- und Organisationsänderungen sowie Auflösung). Die Bestimmungen der gesetzlichen Sondertypen Familienstiftung, kirchliche Stiftung und Personalfürsorgestiftung verdrängen resp. ergänzen als lex specialis diese allgemeinen Normen.

17 Daneben kommen über dynamische Verweise die Bestimmungen der Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957–963b OR) sowie die Bestimmungen des Revisionsrechts (Art. 727–731a OR) zur Anwendung. Art. 78–87 FusG regeln die Fusion und Vermögensübertragungen und Art. 94–98 HRegV die Bestimmungen zur Eintragung von Stiftungen im Handelsregister.

F. Abgrenzungen

1. Privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Stiftungen

18 Stiftungen nach Art. 80 ff. ZGB sind Stiftungen des Privatrechts. Daneben existieren öffentlich-rechtliche Stiftungen, die dem öffentlichen Recht des Bundes oder der Kantone unterstehen (Art. 59 Abs. 1 ZGB). Öffentlich-rechtliche Stiftungen werden durch öffentlich-rechtliche Körperschaften (Bund, Kantone, Gemeinden) in aller Regel durch einen Errichtungserlass in der Form des Gesetzes errichtet, so etwa die öffentlich-rechtliche Stiftung des Bundes Pro Helvetia.

Die auf die öffentlich-rechtliche Stiftung anwendbaren Vorschriften werden durch den Errichtungsakt definiert. Freilich kann auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft eine privatrechtliche Stiftung nach Art. 80 ff. ZGB errichten.

2. Selbständige und unselbständige Stiftungen

19 Prototyp der Stiftung ist die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete, sog. selbständige Stiftung. Von diesen selbständigen Stiftungen sind die sog. unselbständigen Stiftungen zu unterscheiden. Dabei handelt es sich zwar ebenfalls um ein Sondervermögen mit eigenem Zweck und (ggf.) eigener Organisation, allerdings fehlt es ihnen an einer eigenen Rechtspersönlichkeit, da sie nicht rechtlich zur juristischen Person verselbständigt, sondern einer dritten Person (meist einer bestehenden selbständigen Stiftung) mit einer Zweckbindung zugewendet werden.

Eine unselbständige Stiftung beruht i.d.R. auf einer unentgeltlichen Zuwendung unter Auflage in Form der Schenkung, der Erbeinsetzung oder des Vermächtnisses oder auf einem Treuhandvertrag.
Wie das zweckgebunden zugewendete Vermögen von der empfangenden Drittperson zu verwalten ist, ergibt sich entsprechend primär aus dem jeweiligen Sachrecht (insb. Auflage gemäss Schenkungs- oder Erbrecht); inwieweit analog auch auf das Stiftungsrecht zurückgegriffen werden kann, ist umstritten.
Unselbständige Stiftungen sind insbesondere bei Dachstiftungsmodellen von Bedeutung. Bei Dachstiftungen handelt es sich um besondere Strukturen, bei der eine selbständige Stiftung als Dach (Dachstiftung) für mehrere unterschiedliche Vermögensmassen in Form der unselbständigen Stiftungen (Unterstiftungen) fungiert.
Mit der Widmung eines Vermögens zu einer bereits bestehenden Dachstiftung (sog. Zustiftung) kann gemeinnütziges Engagement auch erfolgen, ohne eine eigene Stiftungsstruktur etablieren zu müssen.

3. Stiftungen auf Zeit und Verbrauchsstiftungen

20 Von ihrem Wesen her und insbesondere historisch betrachtet sind Stiftungen Rechtsgebilde für die Ewigkeit. Die Stifterfreiheit erlaubt es jedoch auch, zeitlich beschränkte Stiftungen zu errichten, so bspw., wenn eine Erblasserin wünscht, dass ihre Stiftung 15 Jahre nach ihrem Ableben aufzulösen sei. Diese sog. Stiftungen auf Zeit gewinnen in den letzten Jahren stetig an Bedeutung, nicht zuletzt, da unter dem Stichwort «impact» immer häufiger die kurz- und mittelfristige Wirkung von eingesetzten Mitteln im Vordergrund steht.

21 Mit der Dauer der Stiftung verbunden (und dennoch klar abzugrenzen) ist die Frage, ob eine Stiftung für die Zweckerreichung nur die Erträge aus dem Stiftungskapital oder aber auch die Vermögenssubstanz an- bzw. verbrauchen darf (sog. Verbrauchsstiftungen). Die Vermögensverwendung ist insbesondere während des Niedrigzinsumfelds in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, da Stiftungen ihr Vermögen häufig konservativ anlegen und dadurch die Erträge des Stiftungsvermögens immer geringer wurden. Bei Stiftungen kann das Kapital für die Erreichung des Zwecks jedenfalls dann verbraucht werden, wenn die Stiftungsstatuten dies vorsehen.

Selbst ohne explizite statutarische Bestimmung ist es dem Stiftungsrat nach hier vertretener Ansicht gestattet, im Rahmen der ordentlichen Ermessensausübung vorübergehend auch Teile des Stiftungsvermögens für die Zweckverwendung einzusetzen, d.h. vom Stiftungskapital zu zehren, ohne dieses allerdings vollständig zu verbrauchen.
Soll vollständig auf Verbrauch umgestellt werden, ist eine Statutenänderung (i.d.R. über Art. 85 ZGB) zu beantragen.

II. Elemente des Stiftungsbegriffs

A. Zweck

22 Der Stiftungszweck ist das Herzstück einer Stiftung. Der Zweck verleiht der Stiftung ihren individuellen Charakter, stellt ihre identitätsbestimmende Existenzgrundlage dar, fungiert als Dreh- und Angelpunkt der Stiftungstätigkeit und ist Handlungsmaxime der Stiftungsbeteiligten. Entsprechend muss der Stiftungszweck ein Minimum an Bestimmtheit aufweisen (Bestimmtheitsgrundsatz); zu unbestimmt gehaltene Stiftungszwecke (bspw. «Zweck der Stiftung sind gemeinnützige Aktivitäten») sind unzulässig.

23 Das Stiftungszivilrecht lässt nicht nur gemeinnützige Stiftungen zu, sondern erlaubt sämtliche gemeinnützigen und privatnützigen Stiftungszwecke, die nicht gesetzeswidrig sind oder gegen die guten Sitten verstossen (Art. 52 Abs. 3 ZGB).

Die Stifterin oder der Stifter darf der Stiftung im Rahmen der Stifterfreiheit somit jeden – erlaubten – Zweck vorgeben, auch auf Ungleichheit beruhende oder als unfair empfundene.
Der Stiftungszweck muss jedoch fremdnützig und damit nach aussen gerichtet sein, eine «Stiftung für den Stifter» mit dem Stifter als einziger Begünstigten ist nicht gestattet.
Zulässig sind auch wirtschaftliche Zwecke (BGE 127 III 337: «Die Rechtsgeschäftsfreiheit allgemein und die Stiftungsfreiheit im Besonderen lassen eine Beschränkung auf ideale Zwecke nicht zu»).
Die Grenze zwischen zulässigen wirtschaftlichen Zwecken und unzulässigem Selbstzweck bei Unternehmensstiftungen (sog. Unternehmensselbstzweckstiftung oder «perpetuum mobile-Stiftung») ist im Detail umstritten.

B. Vermögen

24 Für die Errichtung einer Schweizer Stiftung ist kein gesetzliches Mindestvermögen vorgesehen. Art und Umfang des Stiftungsvermögens können von der Stifterin oder vom Stifter grds. frei bestimmt werden. Neben Bargeld kommen bspw. auch Wertschriften, Forderungen oder NFT infrage, jedenfalls solange diese werthaltig sind. Erforderlich ist jedoch, dass die Vermögensausstattung hinsichtlich des verfolgten Zwecks angemessen ist (sog. Zweck-Mittel-Relation).

Die Praxis der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht ESA verlangt eine «Seriositätsschwelle» von CHF 50’000.

25 Zulässig ist eine sukzessive Vermögensausstattung, etwa über sog. Äufnungsklauseln, bei denen die Erträge der Stiftung so lange zum Kapital zugeschlagen werden, bis Letzteres eine bestimmte Höhe erreicht hat.

Es ist freilich auch zulässig, dass die Stifterin oder der Stifter über Nachstiftungen bzw. Dritte über Zustiftungen das Stiftungsvermögen erhöhen.

C. Organisation

26 Die Organisation der Stiftung, d.h. die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgelegt (Art. 83 Abs. 1). Das mit der Verwaltung betraute oberste Organ der Stiftung – in der Schweiz meist Stiftungsrat genannt – berechtigt und verpflichtet die Stiftung im Rahmen von Art. 55 ZGB. Neben dem obersten Organ müssen klassische Stiftungen – nicht jedoch Familienstiftungen und kirchliche Stiftungen, vgl. Art. 87 Abs. 1bis ZGB – auch eine Revisionsstelle als Organ bezeichnen (Art. 83b ZGB).

27 In der Gestaltung der Organisation ist die Stifterin oder der Stifter frei.

Sie können weitere Organe – bspw. Konsultations- oder Kontrollorgane – bestimmen oder besondere Mechanismen der Besetzung von Organen vorsehen (Kooptation, Bestimmung durch ein Drittorgan oder Erben der Stifterin oder des Stifters).
Eine mangelhafte Organisation kann von der Aufsichtsbehörde behoben werden (Art. 83d).

III. Stiftungsgeschäft

28 Stiftungen erlangen ihre Rechtspersönlichkeit mit der Eintragung in das Handelsregister (Art. 52 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 2 ZGB, Art. 94 HRegV; sog. Register- oder Normativsystem). Das eigentliche Stiftungsgeschäft ist der sog. Widmungsakt.

Dieser ist ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Verpflichtungsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen, mit welchem das Vermögen zu einem entsprechenden Zweck gewidmet wird.
Notwendiger Inhalt des Stiftungsgeschäfts sind: der Wille, eine selbständige Stiftung zu errichten; die Bezeichnung des Vermögens, das der Stiftung gewidmet wird und die Umschreibung des besonderen Stiftungszwecks.
Diese essentialia negotii müssen in der Errichtungsurkunde (bzw. der Verfügung von Todes wegen) enthalten sein und können nicht in ein untergeordnetes Reglement ausgelagert oder an Organe bzw. Dritte delegiert werden.

Literaturverzeichnis

Brugger Lukas, Die gemischte Stiftung – Die Stiftung zur Verfolgung unterschiedlicher Zwecke im Lichte des schweizerischen ZGB und des österreichischen PSG, Schriften zum Stiftungsrecht, Band 12, Basel 2019.

Hausheer Heinz/Aebi-Müller Regina, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Bern 2020.

Grüninger Harold, Vorbemerkung zu Art. 80 ZGB und Kommentierungen zu Art. 80, 87 und 335 ZGB, in: Geiser Thomas/Fountoulakis Christiana (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018 (zit. BSK-Grüninger).

Jakob Dominique, Kommentierungen zu Art. 80, 83 und 87 ZGB, in: Büchler Andrea/Jakob Dominique (Hrsg.), Kurzkommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 2. Aufl., Basel 2018 (KUKO-Jakob).

Jakob Dominique, Ein Stiftungsbegriff für die Schweiz, Gutachten zum Schweizerischen Juristentag 2013, ZSR 2013 II, S. 185 ff. (zit. Jakob, Stiftungsbegriff).

Jakob Dominique/Brugger Lukas/Humbel Claude, Recht der Non-Profit-Organisationen in a nutshell, Zürich et al. 2023.

Lukas von Orelli, Zur Auslegung des Stifterwillens, Schriften zum Stiftungsrecht Band 11, Basel 2019.

Riemer Hans Michael, Stämpflis Handkommentar, Vereins- und Stiftungsrecht (Art. 60–89bis ZGB) mit den Allgemeinen Bestimmungen zu den juristischen Personen (Art. 52–59 ZGB), Bern 2012 (SHK-Riemer).

Riemer Hans Michael, Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Die juristischen Personen, Die Stiftungen, Art. 80–89c ZGB, 2. Aufl., Bern 2020 (BK-Riemer).

Studen Goran, Die Dachstiftung – Das Tragen und Verwalten von Unterstiftungen unter dem Dach einer selbständigen Stiftung, Schriften zum Stiftungsrecht, Band 3, Basel 2011.

Sprecher Thomas, Stiftungsrecht in a nutshell, 2. Aufl. Zürich 2023.

Vez Parisima, Fondation, lacunes et droit désirable – Une analyse critique et systématique des articles 80 à 89 CC, Bern 2004.

Vez Parisima, Kommentierung zu Art. 80 ZGB, in: Pichonnaz Pascal/Foëx Bénédict (Hrsg.), Commentaire Romand, Code civil I, Basel 2010 (zit. CR-Vez).

Fussnoten

  • Zum Stiftungsbegriff ausführlich Jakob, Stiftungsbegriff, S. 185 ff.; BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 1; BK-Riemer, Syst. Teil N. 27 ff.
  • Statt vieler BK-Riemer, Syst. Teil N. 22; KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 52–59 ZGB N. 2, je m.w.H.
  • BGer 5A.856/2016 vom 13.6.2016 E. 2; BSK-Grüninger, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 8.
  • Im Rahmen einer Revision des Stiftungsrechts wird Art. 86a ZGB dahingehend revidiert, dass sich eine Stifterin oder ein Stifter auch die Änderung der Organisation vorbehalten kann. Diese Änderung tritt auf den 1.1.2024 in Kraft (AS 2022 452).
  • Siehe ausführlich zur Unterscheidung von Stifterrechten und sog. Drittrechten, die eine Stifterin oder ein Stifter auch einer Drittperson einräumen könnte, vgl. Jakob, Stiftungsbegriff, S. 220 f. und 253.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 10; CR-Vez, Art. 80 ZGB N. 8; KUKO-Jakob Art. 80 ZGB N. 1.
  • Vgl. BGer 5A.856/2016 vom 13.6.2016 E. 2; BSK-Grüninger, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 8; Sprecher, S. 11.
  • Siehe KUKO-Jakob, Art. 83 ZGB N. 7.
  • Eingehend von Orelli, passim.
  • BGE 108 II 393 E. 6c f.; BVGer B-3867/2007 vom 29.4.2008 E. 4.6 ff.; siehe BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 4; KUKO-Jakob N. 20 zu Art. 80 ZGB.
  • Siehe ausführlich und m.w.H. BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 4; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 22 ff.; Sprecher, S. 22.
  • KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 23a ff.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 3; KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 80 ff. N. 7.
  • Vgl. bspw. Art. 86a Abs. 2 ZGB, der für gemeinnützige Zwecke explizit auf Art. 56 Bst. g DBG verweist. Zu beachten gilt es freilich, dass das übrige Zivilrecht vereinzelt (vgl. Art. 89b Abs. 1, Art. 302 Abs. 3, Art. 907 ZGB, Art. 359a Abs. 2, Art. 828 Abs. 1, Art. 913 Abs. 4 OR) auf einen eigenen, vom Steuerrecht losgelösten Begriff der Gemeinnützigkeit zurückgreift, ohne diesen jedoch zu definieren, vgl. Jakob/Brugger/Humbel, S. 99.
  • Im historischen Gesetzgebungsprozess und in der Lehre wird die Ausnahme der Familienstiftung von der staatlichen Aufsicht mit ihrem intimen Charakter legitimiert sowie mit dem Argument, sie begründe mit Aussenstehenden wenig Rechtsverkehr, siehe Brugger, S. 185; BSK-Grüninger, Art. 87 ZGB N. 9; KUKO-Jakob, Art. 87 ZGB N. 6, Sprecher, S. 131 je m.w.H.
  • BSK-Grüninger, Art. 87 ZGB N. 9; BK-Riemer, Syst. Teil N. 287 ff.
  • Dogmatisch gesehen handelt es sich bei gemischten Stiftungen um Stiftungen, die einen Gesamtzweck verfolgen, der sich aus mehreren verschiedenartigen Teilzwecken zusammensetzt, siehe eingehend Brugger, S. 46.
  • Siehe hierzu Brugger, S. 46.
  • Die Organisation der Stiftung Pro Helvetia wird in Art. 31 ff. Kulturförderungsgesetz (KFG) festgehalten.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 11; KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 10; BK-Riemer Art. 80 ZGB N. 8.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 11; KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 10.
  • Siehe zum Meinungsstand KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 10.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 1; KUKO-Jakob, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 11; Studen, passim.
  • KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 15 m.w.H.
  • So wie hier BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 3a; Sprecher, S. 110 f. und 148 ff.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 13 und 15; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 2.
  • Vgl. BGE 127 III 337 E. 2c; BGE 99 II 263; BSK-Grüninger, N. 13 ff. zu Art. 80 ZGB; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 3.
  • Vgl. etwa BGE 133 III 167 zu einer Familienstiftung, bei der Frauen aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen wurden, sobald diese geheiratet und den Namen gewechselt haben, BSK-Grüninger, Art. 335 ZGB N. 13d.
  • KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 3; BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 13.
  • Siehe ausführlich BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 22 m.w.H auch zu kritischen Auseinandersetzungen mit BGE 127 III 341; Vez, N. 175 ff.; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 3. Ablehnend gegenüber der Zulässigkeit von Stiftungen mit wirtschaftlichem Zweck insb. BK-Riemer, Syst. Teil N. 479 ff., 518 ff., 538.
  • Siehe hierzu ausführlich BSK-Grüninger, Vorb. zu Art. 80 ff. ZGB N. 20, Art. 80 ZGB N. 17 ff. und KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 3.
  • BGE 108 II 254 E. 3; BGE 99 II 246; BGE 96 II 273 E. 8d; siehe BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 7; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 6.
  • Siehe https://www.edi.admin.ch/edi/de/home/fachstellen/eidgenoessische-stiftungsaufsicht/beratung/fragen-und-antworten.html.
  • Bei Äufnungsklauseln wird allerdings verlangt, dass das Vermögen in absehbarer Zeit und mit hinreichender Sicherheit die notwendige Schwelle erreicht. Siehe ausführlich BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 9 m.w.H; BK-Riemer, Art. 80 ZGB N. 37 f.; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 8.
  • KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 8.
  • KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 17.
  • In BGE 144 III 264 hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Stiftungsurkunde vorsehen kann, dass der Stifter oder im Falle seiner Verhinderung seine Nachkommen die Mitglieder des Stiftungsrats ernennen darf; vgl. auch die unpublizierten Erwägungen in BGer 5A_719/2017, 5A_734/2017 vom 22.3.2018 E. 2.2.2 und 4.2.
  • Siehe hierzu KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 19.
  • Ausnahmsweise entsteht eine Stiftung durch Kombinationsfusion oder Umwandlung (Art. 78, 88, 97 oder 99 FusG) oder durch gesetzliche Fiktion (Art. 539 Abs. 2 ZGB), siehe BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 5a m.w.H.
  • Hausheer/Aebi-Müller, Rz. 19.12; BK-Riemer, Art. 80 ZGB N. 24; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 19.
  • BSK-Grüninger, Art. 80 ZGB N. 5; KUKO-Jakob, Art. 80 ZGB N. 19.

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