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- I. Grundzüge des Schweizer Stiftungsrechts
- II. Elemente des Stiftungsbegriffs
- III. Stiftungsgeschäft
- Literaturverzeichnis
I. Grundzüge des Schweizer Stiftungsrechts
1 Das Schweizer Zivilrecht enthält keine Legaldefinition der Stiftung. Vielmehr liegt der Rechtsform Stiftung ein allgemeiner Grundbegriff zugrunde: Bei der Stiftung handelt es sich um ein zu einem besonderen Zweck gewidmetes, eigentümerloses Sondervermögen mit eigener Rechtspersönlichkeit.
A. Einzige Anstalt des Privatrechts
2 Die Stiftung hat weder Eigentümerinnen oder Eigentümer noch Mitglieder, sondern ist ein verselbständigtes, zu einem bestimmten Zweck gewidmetes Vermögen («Zweckvermögen»). Sie stellt damit in der durch Art. 52 ZGB aufgezeigten Unterscheidung zwischen Körperschaften und Anstalten die einzige Anstalt des Privatrechts dar.
B. Trennungs- und Erstarrungsprinzip
3 Die anstaltliche Natur der Stiftung drückt sich vor allem in zwei Grundprinzipien des Stiftungsrechts aus, dem Trennungsprinzip und dem Erstarrungsprinzip.
1. Trennungsprinzip
4 Das Trennungsprinzip besagt, dass durch die im Rahmen des Errichtungsaktes vorgenommene Widmung eines Vermögens zu einem bestimmten Zweck ein von der Stifterin getrenntes Rechtssubjekt mit eigenem Vermögen und eigener Organisation entsteht.
5 Regelmässig mit dem Trennungsprinzip in Konflikt gerät ein zu starker Einfluss der Stifterin oder des Stifters auf die Stiftung. Die Stifterin oder der Stifter kann sich – neben dem in Art. 86a ZGB vorgesehenen Zweckänderungsrecht
6 Von den Stifterrechten abzugrenzen sind die allgemeinhin als zulässig anerkannten sog. Sonderrechte, mit denen die Nutzbarkeit bestimmter gewidmeter Vermögenswerte eingeschränkt wird, etwa durch ein Wohnrecht an einer eingebrachten Liegenschaft zugunsten der Stifterin.
2. Erstarrungsprinzip
7 Die Organe der Stiftung können keinen eigenen Willen für die Stiftung bilden, sondern sind zur Umsetzung des im Gründungsakt festgelegten Stiftungszwecks und damit grundsätzlich unabänderlich gewordenen – eben erstarrten – Stifterwillens berufen.
8 Aufgrund des anstaltlichen Erstarrungsprinzips sind Stiftungen ihrem Wesen nach grds. feste und äusserst beständige Gebilde. Die einmal im Stiftungsgeschäft niedergelegte und durch den Stifterwillen verselbständigte Organisation soll nach der Stiftungserrichtung prinzipiell nicht mehr nach Belieben modifiziert werden können. Da jedoch selbst die umsichtigste Stifterin oder der umsichtigste Stifter nicht alle in der Zukunft liegenden Eventualitäten berücksichtigen kann, bestehen über die Art. 85–86b ZGB Anpassungsmöglichkeiten der Stiftung, die gewisse Durchbrechungen des Erstarrungsprinzips ermöglichen.
9 Ein dynamisches Stiftungsverständnis besagt überdies, dass sich die Stiftungsorgane zwar am ursprünglichen Stifterwillen zu orientieren haben, jedoch im Rahmen der ordnungsgemässen Ermessenausübung, der eigenen Handlungsautonomie und in den Grenzen der Art. 85 ff. ZGB die Stiftung auch fortentwickeln können und müssen.
C. Auslegung des Stifterwillens
10 Vor dem Hintergrund der anstaltlichen Natur der Stiftung kommt der Auslegung des Stiftungszwecks und dem darin niedergelegten Stifterwillen als Richtschnur des Handelns der Stiftungsbeteiligten eine herausragende Bedeutung zu.
11 Ausserhalb der Stiftungsdokumente liegende oder nachträgliche Umstände (bspw. mündliche Äusserungen, Begleitdokumente, letter of wishes etc.) können gemäss h.L. nach der sog. Andeutungstheorie bei der Ermittlung des wirklichen Willens berücksichtigt werden, wenn sie in der Stiftungsurkunde zumindest angedeutet werden.
D. Stiftungstypen
1. Die «klassische» Stiftung und die Sondertypen
12 Das Stiftungsrecht unterscheidet zwischen verschiedenen Typen, den sogenannten «klassischen» Stiftungen (auch gewöhnliche oder normale Stiftungen genannt) und den Sonderformen.
13 Die «klassische» Stiftung ist nicht mit einem gemeinnützigen Zweck gleichzusetzen. Das Stiftungszivilrecht lässt nicht nur gemeinnützige Stiftungen zu, sondern erlaubt sämtliche gemeinnützige und privatnützige Stiftungszwecke, die nicht gesetzeswidrig sind oder gegen die guten Sitten verstossen (Art. 52 Abs. 3 ZGB). Zudem ist die Gemeinnützigkeit grds. ein steuerlicher Rechtsbegriff (vgl. Art. 56 Bst. g DBG, Art. 23 Abs. 1 Bst. f StHG), der für das Stiftungszivilrecht weder eigens definiert wird,
2. Bedeutung der Unterscheidung
14 Aufgrund des nach Stiftungstyp unterscheidenden Ansatzes gibt es in der Schweiz nicht das eine auf alle Stiftungen anwendbare Stiftungsrecht, sondern es muss vielmehr im Einzelfall untersucht werden, welche Vorschriften zur Anwendung gelangen. Dabei haben die nach Stiftungstyp unterscheidenden Weichenstellungen gravierende Auswirkungen auf das Rechtsgefüge und die Governance der Stiftung: So ist für klassische Stiftungen etwa eine staatliche Stiftungsaufsicht vorgesehen, während diese etwa bei Familienstiftungen vollkommen entfällt und damit für Beanstandungen der Destinatäre nicht etwa die staatliche Aufsichtsbehörde, sondern das Gericht zuständig ist (Art. 87 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB).
3. Gemischte Stiftungen
15 Wenn eine Stiftung mehrere Zwecke verfolgt (was ohne weiteres zulässig ist), können sog. gemischte Stiftungen vorliegen. Bei gemischten Stiftungen handelt es sich um Stiftungen, bei denen Zwecke von unterschiedlichen Stiftungstypen gemeinsam verfolgt werden,
E. Gesetzliche Grundlagen des Stiftungsrechts
16 Die Art. 80–89 ZGB regeln als materielles Kernrecht die Grundzüge aller Stiftungen (Errichtung, Organisation, Organe und ihre Pflichten, Zweck- und Organisationsänderungen sowie Auflösung). Die Bestimmungen der gesetzlichen Sondertypen Familienstiftung, kirchliche Stiftung und Personalfürsorgestiftung verdrängen resp. ergänzen als lex specialis diese allgemeinen Normen.
17 Daneben kommen über dynamische Verweise die Bestimmungen der Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957–963b OR) sowie die Bestimmungen des Revisionsrechts (Art. 727–731a OR) zur Anwendung. Art. 78–87 FusG regeln die Fusion und Vermögensübertragungen und Art. 94–98 HRegV die Bestimmungen zur Eintragung von Stiftungen im Handelsregister.
F. Abgrenzungen
1. Privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Stiftungen
18 Stiftungen nach Art. 80 ff. ZGB sind Stiftungen des Privatrechts. Daneben existieren öffentlich-rechtliche Stiftungen, die dem öffentlichen Recht des Bundes oder der Kantone unterstehen (Art. 59 Abs. 1 ZGB). Öffentlich-rechtliche Stiftungen werden durch öffentlich-rechtliche Körperschaften (Bund, Kantone, Gemeinden) in aller Regel durch einen Errichtungserlass in der Form des Gesetzes errichtet, so etwa die öffentlich-rechtliche Stiftung des Bundes Pro Helvetia.
2. Selbständige und unselbständige Stiftungen
19 Prototyp der Stiftung ist die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete, sog. selbständige Stiftung. Von diesen selbständigen Stiftungen sind die sog. unselbständigen Stiftungen zu unterscheiden. Dabei handelt es sich zwar ebenfalls um ein Sondervermögen mit eigenem Zweck und (ggf.) eigener Organisation, allerdings fehlt es ihnen an einer eigenen Rechtspersönlichkeit, da sie nicht rechtlich zur juristischen Person verselbständigt, sondern einer dritten Person (meist einer bestehenden selbständigen Stiftung) mit einer Zweckbindung zugewendet werden.
3. Stiftungen auf Zeit und Verbrauchsstiftungen
20 Von ihrem Wesen her und insbesondere historisch betrachtet sind Stiftungen Rechtsgebilde für die Ewigkeit. Die Stifterfreiheit erlaubt es jedoch auch, zeitlich beschränkte Stiftungen zu errichten, so bspw., wenn eine Erblasserin wünscht, dass ihre Stiftung 15 Jahre nach ihrem Ableben aufzulösen sei. Diese sog. Stiftungen auf Zeit gewinnen in den letzten Jahren stetig an Bedeutung, nicht zuletzt, da unter dem Stichwort «impact» immer häufiger die kurz- und mittelfristige Wirkung von eingesetzten Mitteln im Vordergrund steht.
21 Mit der Dauer der Stiftung verbunden (und dennoch klar abzugrenzen) ist die Frage, ob eine Stiftung für die Zweckerreichung nur die Erträge aus dem Stiftungskapital oder aber auch die Vermögenssubstanz an- bzw. verbrauchen darf (sog. Verbrauchsstiftungen). Die Vermögensverwendung ist insbesondere während des Niedrigzinsumfelds in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, da Stiftungen ihr Vermögen häufig konservativ anlegen und dadurch die Erträge des Stiftungsvermögens immer geringer wurden. Bei Stiftungen kann das Kapital für die Erreichung des Zwecks jedenfalls dann verbraucht werden, wenn die Stiftungsstatuten dies vorsehen.
II. Elemente des Stiftungsbegriffs
A. Zweck
22 Der Stiftungszweck ist das Herzstück einer Stiftung. Der Zweck verleiht der Stiftung ihren individuellen Charakter, stellt ihre identitätsbestimmende Existenzgrundlage dar, fungiert als Dreh- und Angelpunkt der Stiftungstätigkeit und ist Handlungsmaxime der Stiftungsbeteiligten. Entsprechend muss der Stiftungszweck ein Minimum an Bestimmtheit aufweisen (Bestimmtheitsgrundsatz); zu unbestimmt gehaltene Stiftungszwecke (bspw. «Zweck der Stiftung sind gemeinnützige Aktivitäten») sind unzulässig.
23 Das Stiftungszivilrecht lässt nicht nur gemeinnützige Stiftungen zu, sondern erlaubt sämtliche gemeinnützigen und privatnützigen Stiftungszwecke, die nicht gesetzeswidrig sind oder gegen die guten Sitten verstossen (Art. 52 Abs. 3 ZGB).
B. Vermögen
24 Für die Errichtung einer Schweizer Stiftung ist kein gesetzliches Mindestvermögen vorgesehen. Art und Umfang des Stiftungsvermögens können von der Stifterin oder vom Stifter grds. frei bestimmt werden. Neben Bargeld kommen bspw. auch Wertschriften, Forderungen oder NFT infrage, jedenfalls solange diese werthaltig sind. Erforderlich ist jedoch, dass die Vermögensausstattung hinsichtlich des verfolgten Zwecks angemessen ist (sog. Zweck-Mittel-Relation).
25 Zulässig ist eine sukzessive Vermögensausstattung, etwa über sog. Äufnungsklauseln, bei denen die Erträge der Stiftung so lange zum Kapital zugeschlagen werden, bis Letzteres eine bestimmte Höhe erreicht hat.
C. Organisation
26 Die Organisation der Stiftung, d.h. die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgelegt (Art. 83 Abs. 1). Das mit der Verwaltung betraute oberste Organ der Stiftung – in der Schweiz meist Stiftungsrat genannt – berechtigt und verpflichtet die Stiftung im Rahmen von Art. 55 ZGB. Neben dem obersten Organ müssen klassische Stiftungen – nicht jedoch Familienstiftungen und kirchliche Stiftungen, vgl. Art. 87 Abs. 1bis ZGB – auch eine Revisionsstelle als Organ bezeichnen (Art. 83b ZGB).
27 In der Gestaltung der Organisation ist die Stifterin oder der Stifter frei.
III. Stiftungsgeschäft
28 Stiftungen erlangen ihre Rechtspersönlichkeit mit der Eintragung in das Handelsregister (Art. 52 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 2 ZGB, Art. 94 HRegV; sog. Register- oder Normativsystem). Das eigentliche Stiftungsgeschäft ist der sog. Widmungsakt.
Literaturverzeichnis
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Lukas von Orelli, Zur Auslegung des Stifterwillens, Schriften zum Stiftungsrecht Band 11, Basel 2019.
Riemer Hans Michael, Stämpflis Handkommentar, Vereins- und Stiftungsrecht (Art. 60–89bis ZGB) mit den Allgemeinen Bestimmungen zu den juristischen Personen (Art. 52–59 ZGB), Bern 2012 (SHK-Riemer).
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Studen Goran, Die Dachstiftung – Das Tragen und Verwalten von Unterstiftungen unter dem Dach einer selbständigen Stiftung, Schriften zum Stiftungsrecht, Band 3, Basel 2011.
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