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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Entstehungsgeschichte
- II. Bedeutung der Vorschrift
- III. Kommentierung des Normtextes
- Materialien
- Literaturverzeichnis
I. Entstehungsgeschichte
A. Bundeskompetenz und Beschränkung der Ausschlussgründe
1 Unter der BV 1848
2 Diese Regelung übernahm der Verfassungsgeber in die BV 1874
3 Über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen hat die Bundesversammlung bereits unter der BV 1848 im Jahr 1872 das Bundesgesetz betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen erlassen.
4 Mit der Übernahme weiterer Kompetenzen durch den Bund, regelte dieser teilweise auch die damit zusammenhängenden Gründe für den Ausschluss vom Stimmrecht, was unter der BV 1874 auch für kantonale und kommunale Angelegenheiten galt (vgl. dazu schon oben N. 2). So überliess es der Bund mit Erlass des SchKG im Jahre 1889 zwar noch den Kantonen, die Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung zu bestimmen.
5 Wenngleich der Bund das Stimmrecht 1971 zwar im Rahmen einer Verfassungsrevision auf die Schweizerinnen ausdehnte,
B. Verhältnis zu Verfassungsrecht und ZGB
6 Das BPR regelt heute zwar die politischen Rechte auf Bundesebene, gleichwohl definiert das Gesetz die Voraussetzungen und den Inhalt des Stimmrechts nicht mehr, seit der Gesetzgeber im Jahre 2002 Art. 1 BPR aufgehoben hat.
7 Da der Verfassungsgeber in Art. 136 Abs. 1 BV aber auch den Ausschluss vom Stimmrecht geregelt hat, hob der Gesetzgeber mit der Totalrevision der Bundesverfassung einstweilen auch Art. 2 BPR auf.
8 Inhaltlich sollte die umfassende Beistandschaft zweifellos das Nachfolgeinstitut zur Entmündigung darstellen.
II. Bedeutung der Vorschrift
A. Allgemeines
9 Das BPR verwendet durchgehend den Begriff «Stimmrecht» als Oberbegriff für alle den Stimmberechtigten zustehenden politischen Rechte.
10 Dem Bund kommt nach Art. 39 Abs. 1 BV die Gesetzgebungskompetenz zu, die Ausübung der politischen Rechte in eidgenössischen Angelegenheiten zu regeln.
11 Art. 2 BPR stützt sich für den Ausschluss vom Stimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten auf die zivilrechtlichen Rechtsinstitute der umfassenden Beistandschaft und des Vorsorgeauftrags (vgl. ausführlich unten III). Da im Zivilrecht das Kodifikationsprinzip gilt, besteht in dieser Hinsicht für kantonales Recht – ausserhalb der echten Vorbehalte – kein Raum, diese Institute zu regeln.
B. Rechtsvergleich
12 Nach Art. 39 Abs. 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte auf kantonaler und kommunaler Ebene. Zu dieser Kompetenz gehört es auch, den Ausschluss vom Stimmrecht in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten zu regeln.
13 Nach der Regelung von Art. 2 BPR gelten Personen, welche wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden, auch ohne Weiteres in politischen Angelegenheiten als urteilsunfähig. Dieser Automatismus wird in der Lehre verbreitet kritisiert (vgl. dazu unten N. 36) und gewisse Kantone weichen denn im Hinblick auf das kantonale Stimmrecht auch von diesem Verfahren ab. So kennen die Kantone Waadt und Neuenburg besondere Verfahren für den Ausschluss vom Stimmrecht.
14 Es ist zu wünschen, dass auch der Bund das Verfahren zum Ausschluss vom Stimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten dahingehend revidiert, dass aus der dauernden zivilrechtlichen Urteilsunfähigkeit nicht automatisch auf die Urteilsunfähigkeit in politischen Angelegenheiten geschlossen wird. Sollte auf Bundesebene ein Modell im Sinne des Kantons Genf angestrebt werden, so bedürfte dies freilich einer Revision von Art. 136 BV.
III. Kommentierung des Normtextes
A. Verweis auf Institute des Erwachsenenschutzrechts
15 Art. 2 BPR soll gemäss dem Willen des Gesetzgebers die Voraussetzungen des Ausschlusses vom Stimmrecht nach Art. 136 Abs. 1 BV auf der Gesetzesstufe – entgegen dem Verfassungswortlaut – an das revidierte Erwachsenenschutzrecht anpassen (zur Kritik bereits oben N. 7 f.). Art. 2 BPR knüpft den Ausschluss vom Stimmrecht seither an zwei im Jahre 2013 neu eingeführte zivilrechtliche Rechtsinstitute: die umfassende Beistandschaft und den Vorsorgeauftrag.
B. Umfassende Beistandschaft
16 Die umfassende Beistandschaft ist eine der vier Arten von Beistandschaften, welche der Gesetzgeber im Erwachsenenschutzrecht vorsieht.
17 Die allgemeinen Voraussetzungen zur Anordnung einer Beistandschaft ergeben sich aus Art. 390 Abs. 1 ZGB, wobei die Anordnung in jedem Fall nur subsidiär zu anderen Hilfeleistungen getroffen werden darf und verhältnismässig sein muss (Art. 389 ZGB). Erforderlich ist ein Grund für eine Beistandschaft (objektiver Schwächezustand) sowie ein Beistandserfordernis, welches im Bedürfnis nach besonderem Schutz besteht aufgrund des Unvermögens die eigenen Angelegenheiten zu besorgen bzw. durch Erteilung einer Vollmacht besorgen zu lassen. Aus diesen beiden Voraussetzungen muss eine dritte Voraussetzung resultieren: Eine Gefährdung des Wohls der betroffenen Person.
18 Alle diese drei Voraussetzungen müssen in der Begründung des Entscheids der Erwachsenenschutzbehörde dargelegt werden.
19 Zu diesen allgemeinen Voraussetzungen, welche für alle Beistandschaften gelten, tritt bei der Anordnung der umfassenden Beistandschaft die Voraussetzung hinzu, wonach die betroffene Person «besonders hilfsbedürftig» sein muss. Hierbei ist somit der Schutzbedarf der betroffenen Person besonders hoch, was etwa der Fall sein kann, wenn die Person dauernd urteilsunfähig ist. Die dauernde Urteilsunfähigkeit ist damit keine Voraussetzung der umfassenden Beistandschaft, sondern ein Beispiel eines Falles, bei welchem die umfassende Beistandschaft angezeigt sein kann. Während Personen unter umfassender Beistandschaft zwar überwiegend dauernd urteilsunfähig sind, so führt die dauernde Urteilsunfähigkeit nicht notwendigerweise zu einer umfassenden Beistandschaft. In der Praxis des Erwachsenenschutzes genügt selbst in Fällen dauernder Urteilsunfähigkeit oft auch eine blosse Vertretungsbeistandschaft, bei welcher dem Beistand oder der Beiständin eine grosse Zahl von Aufgaben übertragen werden.
20 Die umfassende Beistandschaft ist somit selbst in Fällen, in denen die betroffene Person grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen durch ihr Handeln herbeiführen kann, nicht in jedem Fall erforderlich (vgl. Art. 389 Abs. 2 ZGB).
21 Damit kommt den Erwachsenenschutzbehörden bei der Auswahl der Art von Beistandschaften ein Ermessen zu, wenngleich die privatrechtliche Literatur diesen Begriff vermeidet.
22 Die Statistik zeigt, dass umfassende Beistandschaften im Tessin und in der Romandie proportional häufiger angeordnet werden, was womöglich daran liegen mag, dass in diesen Kantonen oft gerichtliche Behörden über die Anordnung entscheiden.
C. Vorsorgeauftrag
23 Das zweite Rechtsinstitut des Erwachsenenschutzrechts, welches einen Ausschluss vom Stimmrecht begründen kann, ist der Vorsorgeauftrag nach Art. 360 ff. ZGB. Beim Vorsorgeauftrag handelt es sich um ein einseitiges, vertragsähnliches Rechtsgeschäft, welches gleichzeitig eine von der betroffenen Person selbst initiierte Erwachsenenschutzmassnahme darstellt und andere Erwachsenenschutzmassnahmen verdrängen kann.
24 Mit einem Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person eine andere natürliche oder juristische Person beauftragen, im Falle der Urteilsunfähigkeit des Auftraggebers oder der Auftraggeberin die Personensorge oder Vermögenssorge zu übernehmen oder diese im Rechtsverkehr zu vertreten (Art. 360 Abs. 1 ZGB). Der Vorsorgeauftrag kann diese drei Aufgaben kumulativ oder alternativ umfassen.
25 Im Hinblick auf den Ausschluss vom Stimmrecht verlangt Art. 2 BPR, dass die betreffende Person durch eine vorsorgebeauftragte Person «vertreten» wird. Die Botschaft äussert sich nicht zu dieser Formulierung, sondern erwähnt lediglich, dass die Behörden bei Personen, welche im Rahmen eines Vorsorgeauftrags vertreten werden, zuvor festgestellt haben, dass die betreffende Person urteilsunfähig ist.
26 Aus Sicht von Art. 2 BPR hat dies aber die problematische Konsequenz, dass potenziell jeder wirksame Vorsorgeauftrag zum Ausschluss vom Stimmrecht führen kann, selbst wenn er sich nicht auf alle drei in Art. 360 Abs. 1 ZGB genannten Bereiche erstreckt. Gewiss ist auch beim Vorsorgeauftrag notwendig, dass die Person dauernd urteilsunfähig ist, was in der Praxis wohl meist ebenfalls einen umfassenden Vorsorgeauftrag notwendig machen wird. Trotzdem würde der Wortlaut von Art. 2 BPR die umfassende Beistandschaft und einen Vorsorgeauftrag, welcher sich nicht auf alle drei Bereiche von Art. 360 Abs. 1 ZGB bezieht, als alternative Voraussetzungen gleichstellen und damit sehr unterschiedliche Anforderungen an diese stellen. Der Gesetzgeber hat sich zu diesem Ungleichgewicht nicht geäussert, weshalb die Bestimmung unter Berücksichtigung des Rechtsgleichheitsgebots dahingehend auszulegen ist, dass nur Vorsorgeaufträge zum Ausschluss vom Stimmrecht führen können, welche sich auf alle drei Bereiche beziehen (Personen- und Vermögenssorge sowie die Vertretung im Rechtsverkehr). Die Gleichsetzung der beiden Institute in Art. 2 BPR scheint damit wenig durchdacht.
27 Dies verdeutlicht sich dadurch, dass Vorsorgeaufträge die «massgeschneiderte» private Vorsorge ermöglichen.
28 Der Vorsorgeauftrag kann erst wirksam werden, wenn die Erwachsenenschutzbehörde festgestellt hat, dass dessen Voraussetzungen eingetreten sind.
D. Dauernde Urteilsunfähigkeit
29 Aus Sicht des Erwachsenenschutzrechts ist die dauernde Urteilsunfähigkeit ein möglicher Umstand, bei welchem eine Person als besonders hilfsbedürftig i.S.v. Art. 398 Abs. 1 ZGB gilt und damit die Voraussetzung für eine umfassende Beistandschaft vorliegen kann. Die dauernde Urteilsunfähigkeit ist damit keine Voraussetzung der umfassenden Beistandschaft (oben N. 16). Ebenso kann auch ein Vorsorgeauftrag zwar erst wirksam werden, wenn die Erwachsenenschutzbehörde u.a. feststellt, dass die betroffene Person urteilsunfähig geworden ist. Jedoch braucht die Urteilsunfähigkeit auch für die Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags keine dauernde zu sein (oben N. 23). Um nach Art. 2 BPR vom Stimmrecht ausgeschlossen werden zu dürfen, muss eine Person im Gegensatz zu den Instituten des Erwachsenenschutzrechts jedoch zwingend dauernd urteilsunfähig sein.
30 Urteilsunfähig ist eine Person, wenn es dieser an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (vgl. Art. 16 ZGB). Die Urteilsfähigkeit setzt einerseits ein bestimmtes Mass an intellektueller Einsicht, rationaler Beurteilung und damit an Denkvermögen voraus (Einsichtsfähigkeit).
31 Während die Urteilsunfähigkeit relativ zu beurteilen ist und damit auch nicht von Dauer sein muss,
E. Bedeutung für den Ausschluss vom Stimmrecht nach Art. 2 BPR
32 Wie oben dargestellt, wurden die Gründe für den Ausschluss vom Stimmrecht im Laufe der Zeit immer enger gefasst. Heute kann nur noch vom Stimmrecht ausgeschlossen werden, wer wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft steht oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten wird. Art. 2 BPR äussert sich nicht zur Frage, wie die unter umfassender Beistandschaft stehenden oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten Personen vom Stimmrecht ausgeschlossen werden.
33 Wird eine Person unter umfassende Beistandschaft gestellt, so teilt die Erwachsenenschutzbehörde dies in Zukunft dem Zivilstandsamt sowie den Gemeindebehörden am Wohnsitz von Gesetzes wegen mit;
34 Die Revision ist unter anderem deshalb noch nicht in Kraft getreten, da der Bundesrat nach dem neuen Recht über die Auskunft zu Massnahmen des Erwachsenenschutzes eine Verordnung zu erlassen hat.
35 Aus Sicht der Behörden wäre es wünschbar, wenn die Erwachsenenschutzbehörde die dauernde Urteilsunfähigkeit im Dispositiv festhalten würde, was aus Sicht der betroffenen Person aber unnötig stigmatisierend wirken würde.
36 Da die umfassende Beistandschaft ultima ratio sein soll, können dauernd urteilsunfähige Personen zudem auch unter anderen Beistandschaften stehen und werden diesfalls nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen.
37 Die dauernde Urteilsunfähigkeit muss sich zudem auf die Ausübung des Stimmrechts beziehen, was die Gemeindebehörden im konkreten Einzelfall prüfen müssten, falls dies die Erwachsenenschutzbehörde nicht bereits getan hat. Ein Automatismus verstösst sicherlich gegen Art. 29 BRK; unklar ist jedoch, ob dieses Übereinkommen direkt anwendbar ist.
38 Art. 2 BPR ist durch den Bund verfassungs- und völkerrechtskonform auszulegen, was zumindest erfordern würde, dass die zuständigen Behörden i.S.v. Art. 29 BRK prüfen, ob sich die dauernde Urteilsunfähigkeit auch auf die Ausübung der politischen Rechte bezieht, bevor sie eine Person vom Stimmrecht ausschliessen.
39 Auch der EGMR verlangt gestützt auf Art. 3 des 1. Zusatzprotokolls eine Einzelfallprüfung bei einem Ausschluss vom Wahlrecht.
Der Autor dankt Beat Kuoni für die Durchsicht des Textes und wertvolle Hinweise.
Materialien
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