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Kommentierung zu
Art. 27 DSG

Eine Kommentierung von Martin Steiger

Herausgegeben von Thomas Steiner / Anne-Sophie Morand / Daniel Hürlimann

defriten

In Kürze

Art. 27 DSG regelt das Medienprivileg. Medien und Medienschaffende können unter bestimmten Voraussetzungen das Auskunftsrecht von betroffenen Personen über die allgemeinen Einschränkungsgründe hinaus einschränken. Anwendbar ist das Medienprivileg nur bei Personendaten für redaktionelle Veröffentlichungen in periodisch erscheinenden Medien. Das Medienprivileg dient dem Schutz der Medienfreiheit.

I. Allgemeines

1 Das DSG ist unbestritten auch für Medien anwendbar. Aufgrund der besonderen Rolle der Medien, insbesondere im Rahmen der Medienfreiheit einschliesslich Redaktionsgeheimnis (Art. 17 BV), kannte bereits Art. 10 aDSG ein Medienprivileg (Einschränkungen des Auskunftsrechts für Medienschaffende). Dieses Medienprivileg wurde im Wesentlichen unverändert übernommen

, genauso wie der entsprechende Rechtfertigungsgrund (Art. 31 Abs. 2 lit. d DSG, wenn auch mit Anpassungen gegenüber Art. 13 Abs. 2 lit. d aDSG). Im Titel werden nun die Medien und nicht mehr die Medienschaffenden erwähnt, obwohl die Bestimmung weiterhin Medien und Medienschaffende betrifft.

2 Für das Medienprivileg gelten die allgemeinen Einschränkungsarten (Art. 26 Abs. 1 u. 2 DSG) und die gleiche Begründungspflicht (Art. 26 Abs. 4 DSG). Genauso müssen Einschränkungen verhältnismässig sein und eine Prüfung im Einzelfall erfolgen.

II. Voraussetzungen für Medienprivileg

3 Verantwortliche, welche die Auskunft mit Verweis auf das Medienprivileg einschränken möchten, müssen kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen: Die betroffenen Personendaten dürfen ausschliesslich zur Veröffentlichung im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums bearbeitet werden (Abs. 1).

4 Ausschliessliche Bearbeitung: Die betroffenen Personendaten dürfen für keinen anderen Zweck als zur Veröffentlichung im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums bearbeitet werden. Jeder andere, gesetzlich nicht zwingende Zweck wie beispielsweise ein Berufsgeheimnis (vgl. Art. 26 N. 9 f.) bedeutet, dass die Auskunft nicht mit Verweis auf das Medienprivileg eingeschränkt werden kann. Personendaten in Medienarchiven, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, fallen nicht unter das Medienprivileg.

5 Redaktionelle Verwendung: Artikel, Berichte, Fotostrecken, Interviews, Kommentare und Meinungsbeiträge gelten als redaktionell. Auch gesichtete Kommentare von Leserinnen und Lesern, traditionell in Form von Leserbriefen, gelten als redaktionell.

Nicht als redaktionell gelten interne und andere nicht redaktionelle Zwecke, insbesondere Lesermarketing und Werbung oder Kommunikationsmöglichkeiten für das Publikum ohne redaktionellen Bezug wie Chaträume.
Auch nicht als redaktionell gelten Leserkommentare, die vor der Veröffentlichung nicht gesichtet werden.

6 Veröffentlichung: Die betroffenen Personendaten müssen mit dem Ziel einer Veröffentlichung dieser Personendaten bearbeitet werden oder mindestens zu einer Veröffentlichung beitragen.

Der Wortlaut «zur Veröffentlichung […] bearbeitet» bedeutet, dass die eingeschränkte Auskunft nicht auf die Bearbeitung vor der Veröffentlichung beschränkt, sondern unabhängig vom Zeitpunkt vom Zweck der Bearbeitung abhängig ist.

7 Periodisch erscheinendes Medium: Als Medien gemäss Art. 27 Abs. 1 DSG sind alle Mittel zur Verbreitung von Informationen zu verstehen, auch digitale Mittel wie E-Mail-Newsletter, Social-Media-Kanäle und Newsletter. Der Begriff «Medium» ist bewusst offen und technikneutral formuliert.

Das Erscheinen muss periodisch erfolgen, das heisst immer wieder, ohne dass der Abstand bzw. die Periode immer gleich zu sein hat.
Eine einmalig veröffentlichte Website mit redaktionellen Beiträgen oder eine einmalig veröffentlichte Zeitschrift mit journalistischen Inhalten gilt demnach nicht als periodisch erscheinendes Medium.

III. Einschränkungsgründe

A. Quellenschutz (Abs. 1 lit. a)

8 Jegliche Rückschlüsse aus den betroffenen Personendaten auf Informationsquellen aller Art gelten als Einschränkungsgrund.

Der Einschränkungsgrund geht über den Quellenschutz gemäss Art. 28a StGB hinaus, verlangt aber gleichzeitig, dass die Daten tatsächlich «Aufschluss geben» und nicht nur eine entsprechende Möglichkeit besteht. Beim Quellenschutz allein wäre zu beachten, dass dieser keinen Schutz der Quellen gewährleistet, sondern Medien und Medienschaffenden erlaubt, ihre Quellen unter bestimmten Voraussetzungen zu schützen.

B. Schutz von Entwürfen (Abs. 1 lit. b)

9 Mit diesem Einschränkungsgrund soll Vorzensur verhindert werden, selbst wenn der Quellenschutz (Abs. 1 lit. a) gewährleistet ist. Man spricht auch vom Publikationsschutz: Die Möglichkeit einer vorgängigen Sichtung über das Auskunftsrecht könnte dazu führen, dass Medien und Medienschaffende einen Inhalt nicht wie geplant oder gar nicht veröffentlichen.

Der Einschränkungsgrund kann damit auch einen «Chilling Effect» verhindern.

C. Schutz der freien Meinungsbildung des Publikums (Abs. 1 lit. c)

10 Die Meinungs- und Informationsfreiheit umfasst unter anderem das Recht jeder Person, ihre Meinung frei bilden zu können (Art. 16 Abs. 2 BV), unter anderem aufgrund der Inhalte von Medien und Medienschaffenden (Art. 16 Abs. 3 BV). Mit dem entsprechenden Rechtfertigungsgrund soll eine gut funktionierende Medienlandschaft geschützt werden.

D. Persönliches Arbeitsinstrument von Medienschaffenden (Abs. 2)

11 Dieser Einschränkungsgrund betrifft Personendaten, die nicht bereits als Personendaten, die von einer natürlichen Person ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch bearbeitet werden, vom Geltungsbereich des DSG ausgeschlossen sind (Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG), und von Medienschaffenden bearbeitet werden.

12 Persönliche Informationssammlungen oder Notizen würden nicht unter die Ausnahme von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG fallen, wenn sie von Medienschaffenden an Dritte bekanntgegeben werden. Dafür kann es für Medienschaffende häufig eine Notwendigkeit geben, beispielsweise im Kontakt mit Quellen und bei Recherchen.

13 Medienschaffende sind alle natürlichen Personen, die für Medien im Sinn von Abs. 1 journalistisch, künstlerisch oder redaktionell tätig sind, fest angestellt oder freischaffend bzw. selbstständig, entgeltlich oder unentgeltlich.

Rosenthal/Jöhri verlangten 2008 noch eine gewisse berufliche Tätigkeit und schlossen «Hobby-Journalisten» aus, was mit Blick auf die heutige Medienlandschaft nicht mehr gelten kann.

Literaturverzeichnis

Glasl Daniel, Anonyme Kommentare auf News-Portalen und Quellenschutz, Medialex 08 (2022), 7.10.2022 (zit. Glasl, Quellenschutz).

Husi-Stämpfli Sandra, Kommentierung zu Art. 27 DSG in: Baeriswyl Bruno/Pärli Kurt/Blonski Dominika (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Datenschutzgesetz, 2. Aufl., Bern 2023 (zit. SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG).

Rosenthal David, Das neue Datenschutzgesetz, in: Jusletter vom 16.11.2020 (zit. Rosenthal, Jusletter).

Rosenthal David/Jöhri Yvonne, Handkommentar zum Datenschutzgesetz und weiteren, ausgewählten Bestimmungen, Zürich 2008 (zit. Rosenthal/Jöhri, Art. 10 aDSG).

Schweizer Michael, Chilling Effect im Schweizer Medienkontext, Medialex 10/202, 3.12.2020 (zit. Schweizer, Chilling Effect).

Fussnoten

  • Vgl. SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 1 ff.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 8 u. 20 f.
  • Rosenthal/Jöhri, Art. 10 aDSG N. 6.
  • Vgl. BGE 136 IV 145 betreffend Quellenschutz für Blog-Kommentare auf der Website des Schweizer Fernsehens; umstritten, vgl. u.a. Glasl, Quellenschutz.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 8 u. 10.
  • Rosenthal/Jöhri, Art. 10 aDSG N. 4.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 9.
  • Rosenthal/Jöhri, Art. 10 aDSG N. 3.
  • Vgl. SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 11.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 12.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 14.
  • Vgl. Schweizer, Chilling Effect.
  • Vgl. SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 15 f.
  • SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 18 f.
  • Rosenthal/Jöhri, Art. 10 aDSG N. 8; SHK-Husi-Stämpfli, Art. 27 DSG N. 17.

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DOI (Digital Object Identifier)

10.17176/20230828-200813-0

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