PDF:
Kommentierung zu
Art. 11 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])

Eine Kommentierung von Julian Mausbach

Herausgegeben von Damian K. Graf

defriten

I. Anwendungsbereich

1 Art. 11 bezweckt, eine Versuchs- und Teilnahmestrafbarkeit in Bezug auf die in der Konvention definierten Tatbestände grundsätzlich zu verankern. Dabei geht Abs. 1 davon aus, dass die vorsätzliche Teilnahme an einer vorsätzlichen Straftat gemäss Art. 2–10 sowohl im Sinne einer Beihilfe wie einer Anstiftung straf- und sanktionswürdig ist.

2 Bereits Abs. 2 begrenzt dies für die Versuchsstrafbarkeit auf die Art. 3–5 sowie 7, 8 und 9 Abs. 1 lit. a und c der Konvention. Diese Begrenzung der Versuchsstrafbarkeit auf die aufgezählten Delikte kann durch die Vertragsparteien so umgesetzt werden, dass eine Versuchsstrafbarkeit als Ganzes oder teilweise abbedungen wird (Abs. 3).

3 Die Schweiz hat von der Begrenzungsmöglichkeit des Abs. 3 keinen Gebrach gemacht und sieht daher über eine Anknüpfung an den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches eine Versuchsstrafbarkeit vor.

II. Teilnahmestrafbarkeit (Art. 11 Abs. 1)

4 Art. 11 Abs. 1 sieht eine Teilnahmestrafbarkeit für die Art. 2–10 vor. Anders als im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (dort Art. 24 und 25 StGB) wird keine Unterscheidung zwischen Anstiftung und Beihilfe getroffen. Da die Umsetzung von Abs. 1 unmittelbar über die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches erfolgte, wirkt die dort getroffene Ausgestaltung, etwa in Bezug auf die Versuchsstrafbarkeit (Art. 24 Abs. 2 StGB), auch im Anwendungsbereich der Konvention bzw. auf die entsprechende Umsetzung. Objektive Voraussetzungen, die über die Art. 24 und 25 StGB hinausgehen, sind nicht gegeben und daher ist auch hier die Umsetzung über diese Artikel kongruent.

5 Der in Abs. 2 vorgesehene doppelte Teilnehmervorsatz in Bezug auf Teilnahmehandlung und Haupttat wird durch die Regelungen des Allgemeinen Teils ebenfalls gefordert, so dass hier keine Ergänzungen erforderlich waren.

6 Hinzuweisen ist auf die Ergänzung der Strafnorm des Art. 143bis StGB. Zu den Details darf auf die entsprechende Kommentierung zu Art. 6 verwiesen werden. Mit Bezug auf die Frage der Teilnahme und des Versuchs ist hervorzuheben, dass auch nach der Ergänzung von Art. 143bis StGB eine versuchte Gehilfenschaft wie die Beihilfe zu einer (noch) nicht versuchten Haupttat entsprechend straflos bleiben.

III. Versuchsstrafbarkeit (Art. 11 Abs. 2 und Abs. 3)

7 In Abs. 2 wurde die Verpflichtung vorgesehen, eine Versuchsstrafbarkeit auf die benannten Bestimmungen zu erstrecken. Hierbei werden weder objektive Kriterien genannt, noch wurde eine allgemeine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen. Insbesondere letzteres ist auf den Umstand zurückzuführen, dass in den Rechtsordnungen einiger Vertragsparteien keine generelle, sondern eine abgestufte Versuchsstrafbarkeit vorgegeben wird. Die getroffene Regelung verspricht daher eine Umsetzungsoption, die ohne grosse Verwerfungen in den grundlegenden Rechtskonzepten der Vertragsstaaten vollzogen werde kann werden kann (und wurde).

8 Die Umsetzung der Versuchsstrafbarkeit erfolgte über Art. 22 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 StGB. Sie erstreckt sich damit auf alle in Abs. 2 benannten Tatbestände. Dies ergibt sich daraus, dass deren Umsetzung wiederum über Straftatbestände des Besonderen Teils des StGB erfolgt, die ihrerseits mindestens als Vergehen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 StGB ausgestaltet sind.

9 Wenngleich Abs. 2 keine Verpflichtung enthält, die Versuchsstrafbarkeit auf in Abs. 2 nicht benannte Bestimmungen zu erstrecken, führt wiederum die Umsetzung über Artikel des Strafgesetzbuches dazu, dass auch in Bezug auf Art. 2, Art. 9 als Ganzes wie Art. 10 CCC in der Schweiz eine Versuchsstrafbarkeit gegeben ist. Insbesondere unter Einbezug der Urkundendelikte (Art. 251 ff. StGB), der Delikte zum Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 321ter StGB) sowie des Pornografieartikels (Art. 197 StGB), die wiederum ihrerseits mindestens als Vergehen ausgestaltet sind, erfolgte eine Umsetzung, die eine Versuchsstrafbarkeit für die Art. 2–10 nach sich zieht. Es ergibt sich daher keine Dissonanz zu der im Schweizerischen Strafrecht grundsätzlich vorgesehen Versuchsstrafbarkeit für Vergehen und Verbrechen.

10 Abs. 3 sieht die Möglichkeit der Vertragsparteien vor, auf eine Versuchsstrafbarkeit gänzlich oder in Teilen zu verzichten. Mittels dieser Regelung sollte allfälligen Umsetzungsschwierigkeiten der Vertragsparteien begegnet werden. Der so eingeräumte Umsetzungsspielraum sollte nach Möglichkeit eine Ratifizierung gestatten, die ohne grundlegende Veränderungen in der jeweiligen Rechtsordnung erfolgen kann.

In der Schweiz ist und musste von dieser Möglichkeit, auch nicht in Bezug auf einzelne Tatbestände oder Teile hiervon, kein Gebrach gemacht worden. Das ist inhaltlich überzeugend, da damit kein Bruch mit dem Verständnis der Versuchsstrafbarkeit in der Schweiz einhergeht. Die Regelung des Abs. 3, welche letztlich wohl als Konzession an die Umsetzungspraktikabilität in Bezug auf die Rechtsordnungen der Vertragsparteien zu verstehen ist, ist daher in der Schweiz ohne Folge gebelieben.

Materialienverzeichnis

Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Cyberkriminalität vom 18.6.2010, BBl 2010 4697 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2010/813/de, besucht am 17.10.2023

Europarat, Explanatory Report to the Convention on Cybercrime, Budapest 23.11.2001, abrufbar unter https://rm.coe.int/16800cce5b, besucht am 17.10.2023 (zit. Explanatory Report)

Fussnoten

  • Siehe hierzu auch BBl 2010 4708 f.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Rz. 120.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Rz. 122.

Kommentar drucken

DOI (Digital Object Identifier)

10.17176/20231205-064615-0

Creative Commons Lizenz

Onlinekommentar.ch, Kommentierung zu Art. 11 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention]) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Creative Commons