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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
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ZIVILGESETZBUCH
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BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Inhalt und Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit von juristischen Personen
- II. Organe der juristischen Person
- III. Rechtsfolgen fehlender Handlungsfähigkeit
- Literaturverzeichnis
I. Inhalt und Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit von juristischen Personen
1 Die Handlungsfähigkeit konkretisiert die Rechtsfähigkeit der juristischen Person mit Blick auf ihre Fähigkeit, Rechte zu erwerben und Pflichten zu begründen (Rechtsgestaltung).
2 Während juristische Personen nicht von sich aus handlungsfähig sind, bedarf es für ihre Handlungsfähigkeit erstens der Rechtsfähigkeit, zweitens der notwendigen Organisation und drittens der Bestellung der nach Gesetz und Statuten «unentbehrlichen Organe[n]» (Art. 54 ZGB), welche dann «dem Willen der juristischen Person Ausdruck» verleihen sollen (Art. 55 Abs. 1 ZGB).
II. Organe der juristischen Person
A. Organbegriff
3 Dem Begriff «Organ» können zwei unterschiedliche Bedeutungen zukommen, die es abzugrenzen gilt: Einerseits wird damit das jeweilige Gremium oder die Organisationseinheit bezeichnet, welcher eine bestimmte Funktion innerhalb der juristischen Person zukommt.
4 Den Organmitgliedern muss mindestens Urteilsfähigkeit zukommen, Handlungsfähigkeit wird nicht verlangt.
1. Formelle und faktische Organe
5 Bei der Bestimmung der Person mit Organfunktionen unterscheiden die h.L. und Rechtsprechung zwischen formellen und faktischen Organen.
6 Formelle Organe werden von der gesetzlich oder statutarisch zuständigen Stelle zur Wahrnehmung ihrer Funktion bestimmt.
7 Neben diesem Begriffspaar wird im Schrifttum teilweise noch jener der «materiellen Organe» genannt.
2. Typologisierung der Organe
8 Typischerweise verfügen juristische Personen über die folgenden Organe, welche sich typologisch gliedern lassen in (i) Willensbildungsorgane (z.B. die Mitglieder-, General- oder Gesellschafterversammlungen, vgl. Art. 65 ZGB, Art. 698, 804, 879 OR), (ii) Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane (z.B. der Vereinsvorstand, Art. 69 ZGB; der Stiftungsrat, Art. 83 ZGB; der Verwaltungsrat der AG, Art. 707 ff. OR, die Geschäftsführung der GmbH, Art. 809 ff. OR, oder die Verwaltung der Kommanditaktiengesellschaft bzw. der Genossenschaft, Art. 765 ff., 894 ff. OR), (iii) Kontrollorgane (wie die Revisionsstelle, Art. 69b, 83b ZGB, Art. 727 ff., 907 ff. OR) und (iv) weitere – gesetzlich
3. Verhältnis zwischen Organ und juristischer Person
9 Dogmatisch ist das Verhältnis zwischen Organ und juristischer Person nach wohl vorherrschender Auffassung als organschaftliches Verhältnis zu bezeichnen.
B. Rechtsgeschäftliche Organvertretung
1. Allgemeines
10 Organe geben dem Willen der juristischen Person im Aussenverhältnis Ausdruck. Daraus folgt, dass die rechtsgeschäftlichen Handlungen der Organe, die für die juristische Person getätigt werden, dieser zugerechnet werden und sie somit unmittelbar verpflichten.
2. Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis
11 Gemäss einhelliger Auffassung ist im Hinblick auf die Organvertretung zwischen der Vertretungsmacht im Aussenverhältnis (das «rechtliche Können») und der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis (das «rechtliche Dürfen») zu unterschieden.
12 Die Vertretungsmacht steht im Zusammenhang mit der Handlungsfähigkeit der juristischen Person und bestimmt, durch welche rechtsgeschäftlichen Organhandlungen diese nach aussen gebunden werden kann.
13 Die Vertretungsbefugnis bestimmt hingegen, in welchem Umfang das Organ intern zum Abschluss bestimmter Rechtsgeschäfte berechtigt ist.
3. Wissensvertretung
14 Das Wissen eines Organs gilt als Wissen der juristischen Person insgesamt.
C. Verpflichtung der juristischen Person durch «sonstiges Verhalten»
15 Im ausserrechtsgeschäftlichen Bereich greift Art. 55 Abs. 2 ZGB. Danach können Organe die juristische Person «durch ihr sonstiges Verhalten» verpflichten. Für die Zurechnung von Organverhalten ausserhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs muss ein (formelles oder faktisches) Organ «in Ausübung einer geschäftlichen Verrichtung» handeln.
16 Art. 55 ZGB bildet dabei lediglich die Zurechnungsnorm für ein bestimmtes Verhalten, nicht aber eine eigenständige Anspruchsgrundlage.
D. Organhaftung
17 Die Organe der juristischen Person können für deliktisches Verhalten Dritten gegenüber persönlich mithaften (Art. 55 Abs. 3 ZGB) und zwar mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen.
18 Im Falle einer gleichzeitigen Haftung der juristischen Person gemäss Art. 55 Abs. 2 ZGB kommt es weder zu einer Entlastung des handelnden Organs noch zur Regressmöglichkeit des Organs gegenüber der juristischen Person, sondern zu einer Solidarhaftung von Organ und juristischen Person gegenüber dem geschädigten Dritten (Art. 50 Abs. 1 und Art. 143 ff. OR).
19 Die Haftung gegenüber der juristischen Person im Innenverhältnis richtet sich nicht nach Art. 55 Abs. 3 ZGB, sondern nach dem Rechtsverhältnis zwischen dem Organträger und der juristischen Person.
III. Rechtsfolgen fehlender Handlungsfähigkeit
20 Die Sicherstellung einer ordnungsgemässen Organisation und die effektive Organbestellung sind unabdingbare Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit von juristischen Personen (s. oben N. 2). In einer Situation, in welcher ein Organisationsmangel oder eine fehlerhafte Organbestellung bereits vor einer Eintragung der juristischen Person ins Handelsregister feststeht, kann der Handelsregisterführer die Parteien auf den Mangel hinweisen, damit sie diesen beheben können.
21 Zulässig ist nach Rechtsprechung und Lehre sodann die interimistische Vertretung der juristischen Person durch nicht ordnungsgemäss bestellte Personen nach Massgabe der Bestimmungen von Art. 419 ff. OR.
Literaturverzeichnis
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Recordon Pierre-Alain, Les premiers pas de l’article 731b CO, SZW 2010, S. 1 ff.
Reitze Christophe, Kommentierung zu Art. 54/55, in: Geiser Thomas/Fountoulakis Christiana (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022 (BSK-Reitze).
Riemer Hans Michael, Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung und Personenrecht, Die juristischen Personen, Allgemeine Bestimmungen, Systematischer Teil und Kommentar zu Art. 52–59 ZGB, 3. Aufl., Bern 1993 (BK-Riemer).
von der Crone Hans Caspar, Aktienrecht 2. Aufl., Bern 2020.
Weber Rolf H., Einleitung und Personenrecht, in: Tercier Pierre (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, II Band, 4. Teilband, Basel 1998.
Xoudis Julia, Kommentierung zu Art. 54/55, in: Pichonnaz Pascal/Foëx Bénédict (Hrsg.), Commentaire Romand, Code civil I, Basel 2010 (CR-Xoudis).
Zobl Dieter, Probleme der organschaftlichen Vertretungsmacht, ZBJV 1989, S. 289 ff.