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Kommentierung zu
Art. 90 BPR
defriten

I. Entstehungsgeschichte

1 Abs. 1 und 2 der Übergangsbestimmungen wurden bereits mit Erlass des BPR 1976 eingeführt und seither nicht geändert.

2 Die Bestimmungen haben ihre Bedeutung mit der Zeit jedoch verloren. Abs. 3 und 4 wurden bereits im Jahre 2008 aufgehoben, sie fielen einer «Entrümpelung des Bundesrechts»

zum Opfer. Abs. 3 betraf die Volksinitiative der Sozialdemokratischen Partei zur Pressefreiheit aus dem Jahre 1935, welche die Behörden aus politischen Gründen über Jahre verschleppt hatten. Die Initianten konnten die Initiative nach dem Zweiten Weltkrieg mangels Rückzugsklausel formell nicht zurückziehen, weshalb diese kraft Gesetzes abgeschrieben wurde.
Abs. 4 wurde im Jahre 1978 eingefügt und betraf eine Anpassung der Sitzverteilung im Nationalrat nach der Gründung des Kantons Jura.

3 Bei Abs. 1 und 2 war sich der Bundesrat wohl nicht sicher, ob diese Bestimmungen bei der formellen Bereinigung des Bundesrechts ebenfalls hätten aufgehoben werden können.

II. Kommentierung des Normtextes

4 Bei Art 90 BPR handelt es sich um eine klassische Übergangsbestimmung, welche sich der zeitlichen Anwendbarkeit der neu eingeführten Bestimmungen widmet.

Wahlen und Abstimmungen, welche vor Inkrafttreten des BPR stattgefunden haben, sowie Referenden und Volksinitiativen, welche vorher eingereicht worden sind, waren vollständig nach dem früheren Recht zu beurteilen. Damit sollte verhindert werden, dass im Laufe eines solchen Verfahrens das anwendbare Recht änderte.

5 Abs. 2 spezifiziert diese Übergangsregelung zusätzlich in Bezug auf die Unterschriftenlisten, welche für Referenden und Volksinitiativen einzureichen sind.

Hier stellte das BPR auf die Sammelfrist für Volksinitiativen ab, welche bereits bei Erlass des BPR im Jahre 1976 18 Monate ab Publikation im Bundesblatt dauerte.
Beide noch heute in Kraft stehenden Absätze haben ihre ursprüngliche Bedeutung verloren.

Literaturverzeichnis

Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich et al. 2020.

Seferovic Goran, Volksinitiative zwischen Recht und Politik: Die staatsrechtliche Praxis der Volksinitiative in der Schweiz, den USA und Deutschland, Bern 2018.

Uhlmann Felix, Intertemporales Recht aus dem Blickwinkel der Rechtsetzungslehre, in: Uhlmann Felix (Hrsg.), Intertemporales Recht aus dem Blickwinkel der Rechtsetzungslehre und des Verwaltungsrechts, 13. Jahrestagung des Zentrums für Rechtsetzungslehre, Zürich et al. 2014, S. 33–51.

Fussnoten

  • So der Name einer Motion, welche im Zusammenhang der entsprechenden Revision abgeschrieben wurde, vgl. Botschaft zur formellen Bereinigung des Bundesrechts vom 22.8.2007, BBl 2007 3437 ff., 6121.
  • Vgl. dazu Seferovic, Rz. 125 m.w.H.
  • Zum zeitlichen Geltungsbereich im Allgemeinen etwa Häfelin/Müller/Uhlmann, Rz. 258 ff.
  • Vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Rz. 288 ff.
  • Vgl. Art. 60 und 68 BPR.
  • Art. 71 Abs. 1 BPR.
  • Uhlmann bezeichnet Übergangsbestimmungen denn auch zutreffend als «Normen mit abnehmender Bedeutung», Uhlmann, S. 39.

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10.17176/20230411-205832-0

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