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STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
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ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- In Kürze
- I. Allgemeines
- II. Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben
- Literaturverzeichnis
- Materialienverzeichnis
In Kürze
Mit dem Verweis auf zwei isolierte Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) wird die Geschäftsherrenhaftung im DSG eingeführt. Art. 64 ermöglicht es, bei einer Widerhandlung in einem Geschäftsbetrieb unter bestimmten Umständen eine eigentlich der verantwortlichen natürlichen Person aufzuerlegende Busse auf den Geschäftsbetrieb zu überwälzen, falls diese Busse maximal 50 000 Franken beträgt.
I. Allgemeines
1 Weil es den Kantonen obliegt, strafbare Handlungen im Sinne des 8. Kapitels zu verfolgen und zu beurteilen (Art. 65 Abs. 1), ist das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) grundsätzlich nicht anwendbar (Art. 1 VStrR e contrario). Art. 64 Abs. 1 verweist nun aber hinsichtlich Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben ausdrücklich auf Art. 6 und 7 VStrR.
2 Mit dem Verweis auf Art. 6 VStrR (Bestimmung der bei einer Widerhandlung in einem Geschäftsbetrieb verantwortlichen Person) und Art. 7 VStrR (subsidiäre Verantwortlichkeit des Geschäftsbetriebs) wird die Geschäftsherrenhaftung im DSG eingeführt. Dadurch soll «eine sachgerechte Zuweisung der strafrechtlichen Verantwortung in Unternehmen», d.h. an dessen Leitungsebene (Führungspersonen mit Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen) ermöglicht werden.
3 Der maximale Bussenbetrag gemäss Abs. 2 (der die Bestimmung von Art. 7 VStrR modifiziert), bis zu dem der Geschäftsbetrieb (anstelle der natürlichen Person) zur Bezahlung der Busse verurteilt werden können soll, wurde in Art. 53 VE-DSG noch bei 100 000 Franken angesetzt. Kontroverse Äusserungen im Vernehmlassungsverfahren
II. Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben
A. Anwendbarkeit von Art. 6 und 7 VStrR (Abs. 1)
4 Art. 64 Abs. 1 verweist bei «Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben» auf Art. 6 und 7 VStrR, und damit auf zwei isolierte Artikel innerhalb des VstrR. Die Bemessung der Busse richtet sich demnach beispielsweise nicht nach Art. 8 VStrR, sondern nach Art. 106 Abs. 3 StGB. Weil das VStrR gemäss dessen Art. 1 auf strafbewehrte DSG-Verstösse grundsätzlich keine Anwendung findet, ist dieser explizite Verweis erforderlich, soll auch eine Art «Geschäftsherrenhaftung» in das DSG eingeführt werden (vgl. auch oben, N. 1 ff.).
5 Als «Geschäftsbetrieb» gilt jede unternehmerische Tätigkeit, bei der mittels Einsatz von Kapital und Arbeit aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen wird.
6 Art. 6 Abs. 1 VStrR normiert das sog. Täterprinzip: Täter ist, wer die Tat verübt hat.
7 Voraussetzung für die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn (Geschäftsherrenhaftung i.S.v. Art. 6 Abs. 2 VStrR) ist in objektiver Hinsicht das Vorliegen einer Garantenpflicht, wobei diese nicht aus Art. 6 Abs. 2 VStrR ableitbar ist, sondern «aus der Verantwortlichkeit für den Betrieb als Gefahrenquelle und/oder aus der Verantwortlichkeit für das Verhalten der Untergebenen»
8 Handelt es sich beim Geschäftsherrn, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretenen um eine juristische Person, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, Einzelfirma oder Personengesamtheit ohne Rechtspersönlichkeit, so findet Art. 6 Abs. 2 VStrR Anwendung «auf die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter, tatsächlich leitenden Personen oder Liquidatoren» (Art. 6 Abs. 3 VStrR; vgl. auch Art. 29 StGB).
B. Verurteilung des Geschäftsbetriebs zu einer Busse (Abs. 2)
1. Allgemeines
9 Art. 64 Abs. 2 basiert auf der Bestimmung von Art. 7 Abs. 1 VStrR, passt den Anwendungsbereich aber der im DSG vorgesehenen Maximalbusse an und spricht generischer vom «Geschäftsbetrieb» statt von der «juristischen Person», «Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft» und der «Einzelfirma» (vgl. auch oben, N. 3 und N. 5).
10 Nach Art. 64 Abs. 2 kann einem Geschäftsbetrieb (anstelle der strafbaren natürlichen Personen) bei vorliegender strafrechtlicher Widerhandlung im Geschäftsbetrieb (begangen durch eine oder mehrere natürliche Personen; dazu unten, N. 11 f.) eine Busse auferlegt werden, wenn
eine Busse von höchstens 50 000 Franken in Betracht fällt (dazu unten, N. 13 f.) und (kumulativ
Vgl. auch BSK-Macaluso/Garbarski, Art. 7 VStrR N. 15 m.w.H. )die Ermittlung der nach Art. 6 VStrR strafbaren Personen Untersuchungsmassnahmen bedingen würde, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären (dazu unten, N. 15 f.).
2. Widerhandlung im Geschäftsbetrieb
11 Für die Verurteilung des Geschäftsbetriebs zu einer Busse zunächst vorausgesetzt ist, dass eine «Widerhandlung im Geschäftsbetrieb» vorliegt. Es müssen sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Widerhandlung, für die der Geschäftsbetrieb mit einer Busse belegt werden soll, erfüllt sein, und es dürfen weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschlussgründe vorliegen. Zum Begriff des «Geschäftsbetriebs» siehe oben, N. 5.
12 In der Praxis werden die subjektiven Tatbestandsmerkmale allerdings nicht nachweisbar sein, da die strafbaren natürlichen Personen gerade nicht identifizierbar sind. Um diese Hürde zu überwinden und die Anwendung von Art. 64 nicht von vornherein auszuschliessen, ist das Verschulden zu «objektivieren» oder es sind die Anforderungen an den Beweis des subjektiven Tatbestands zu lockern
3. Busse von höchstens 50 000 Franken
13 Nach Art. 7 Abs. 1 VStrR liegt der Bussenbetrag, bis zu dessen Obergrenze es möglich ist, ein Unternehmen statt einer natürlichen Person zur Bezahlung einer Busse zu verurteilen, bei 5 000 Franken. Diese Obergrenze entspricht der Hälfte des gemäss Art. 106 Abs. 1 StGB vorgesehenen Höchstbetrags der Busse von 10 000 Franken. In Abweichung von Art. 106 Abs. 1 StGB liegt der Höchstbetrag der Busse im Anwendungsbereich des DSG (gemäss Art. 60-63) bei 250 000 Franken. Angesichts dieses wesentlich höheren Höchstbetrags drängte sich eine Erhöhung auch der Obergrenze des Bussenbetrags auf, bis zu der eine Verurteilung eines Geschäftsbetriebs möglich ist.
14 Nach Art. 106 Abs. 3 StGB hat das Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Busse die Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, «so dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist.» Weil der Täter der Widerhandlung gerade nicht ausfindig gemacht werden kann, ist die Busse aufgrund eines objektiven Verschuldens zu bemessen.
4. Untersuchungsmassnahmen zur Ermittlung der strafbaren Personen wären unverhältnismässig
15 Auch bei der Prüfung, ob Untersuchungsmassnahmen zur Ermittlung der strafbaren Personen im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären, sind die Umstände des Einzelfalls relevant. Weil es sich bei Art. 64 Abs. 2 um eine «Kann-Bestimmung» handelt
16 Bei den strafbewehrten DSG-Verstössen wird oftmals organisatorisch klar bestimmt oder zumindest im konkreten Fall relativ einfach zu ermitteln sein, wer die betreffenden Handlungen vorgenommen hat (z.B. Antwort auf ein Auskunftsersuchen oder Freigabe der Datenschutzerklärung). Insofern dürfte die praktische Relevanz der Bestimmung von Art. 64 eher gering sein
5. Überwälzung der Busse
17 Sind die vorstehend erläuterten Voraussetzungen gegeben, kann die zuständige Strafbehörde die Busse an den Geschäftsbetrieb überwälzen. Bei der Bemessung der Höhe der Busse sind das Verschulden und die finanziellen Verhältnisse der eigentlich strafbaren natürlichen Person(en), und nicht jene des Geschäftsbetriebs entscheidend.
18 Lassen sich nur bestimmte für die Widerhandlung verantwortliche natürliche Personen ermitteln, andere aber nicht, ist strittig, ob eine Überwälzung der auf die nicht ermittelten Personen anwendbaren Busse möglich ist.
Literaturverzeichnis
Beretta Allison, Sanctionner en vertu des art. 6 et 7 DPA, in: Jusletter vom 8.7.2019, 64, https://jusletter.weblaw.ch/juslissues/2019/986/sanctionner-en-vertu_20314b3ff6.html, besucht am 8.8.2023.
Macaluso Alain/Garbarski Andrew M., Kommentierung zu Art. 7 VStrR, in: Frank Friedrich/Eicker Andreas/Markwalder Nora/Achermann, Jonas (Hrsg.), Basler Kommentar, Verwaltungsstrafrecht, Basel 2020.
Rosenthal David/Gubler Seraina, Die Strafbestimmungen des neuen DSG, SZW 1/2021, S. 52 ff.; Schwob Renate, Kommentierung zu Art. 6 VStrR, in: Frank Friedrich/Eicker Andreas/Markwalder Nora/Achermann, Jonas (Hrsg.), Basler Kommentar, Verwaltungsstrafrecht, Basel 2020.
Wohlers Wolfgang, Kommentierung zu Art. 64 DSG, in: Baeriswyl Bruno/Pärli Kurt/Blonski, Dominika (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Datenschutzgesetz, 2. Aufl., Bern 2023.
Materialienverzeichnis
Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15.9.2017, BBl 2017 S. 6941 ff. (zit. Botschaft 2017), abrufbar unter https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2017/6941.pdf, besucht am 8.8.2023.
Erläuternder Bericht des Bundesamts für Justiz BJ zum Vorentwurf für das Bundesgesetz über die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 21.12.2016, abrufbar unter https://www.bj.admin.ch/dam/bj/de/data/staat/gesetzgebung/datenschutzstaerkung/vn-ber-d.pdf.download.pdf/vn-ber-d.pdf (zit. Erläuternder Bericht VE-DSG), besucht am 8.8.2023.
Zusammenfassung des Bundesamts für Justiz BJ der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens vom 10.8.2017 betreffend Vorentwurf für das Bundesgesetz über die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 21.12.2016 (zit. Zusammenfassung Vernehmlassung VE-DSG), abrufbar unter https://www.bj.admin.ch/dam/bj/de/data/staat/gesetzgebung/datenschutzstaerkung/ve-ber-d.pdf.download.pdf/ve-ber-d.pdf, besucht am 8.8.2023.