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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Wesen des Sitzes und allgemeine Prinzipien
- II. Abgrenzungen
- III. Sitzbestimmung
- IV. Rechtliche Bedeutung des Sitzes
- V. Sitzverlegung
- Literaturverzeichnis
I. Wesen des Sitzes und allgemeine Prinzipien
1 Juristische Personen bedürfen eines örtlichen Anknüpfungspunkts, an dem sie räumlich verankert werden können.
II. Abgrenzungen
A. Zweigniederlassungen
2 Vom Sitz abzugrenzen sind sog. Zweigniederlassungen («succursale»), also Geschäftsbetriebe, die gegenüber dem Hauptunternehmen in örtlicher und wirtschaftlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht selbständig sind.
3 Zweigniederlassungen können unter gegeben Umständen einen besonderen Gerichtsstand begründen (Art. 12 ZPO), nicht hingegen einen besonderen Betreibungsort, welcher – vorbehältlich des sog. Niederlassungskonkurses schweizerischer Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen – stets am Ort des Sitzes der juristischen Person verbleibt (vgl. Art. 46 Abs. 2 SchKG).
B. Rechtsdomizil
4 Nicht zu verwechseln mit Sitz oder Zweigniederlassung ist das sog. Rechtsdomizil, also die Adresse, unter der man die Rechtseinheit an ihrem Sitz erreichen (also in den eigenen Büroräumlichkeiten oder als c/o-Adresse) kann (Art. 2 lit. b und 117 HRegV).
III. Sitzbestimmung
A. Allgemeines
5 Während die räumliche Anknüpfung bei natürlichen Personen durch den Gesetzgeber zwingend vorbestimmt ist (Art. 23 Abs. 1 ZGB: Ort des dauernden Verbleibens), gewährt Art. 56 ZGB den gründenden Personen oder Organen der juristischen Person die Möglichkeit einer privatautonomen Sitzbestimmung. Anders gewendet: Juristische Personen können ihren Sitz grundsätzlich nach eigenem Ermessen in ihren Statuten frei wählen (sog. «Satzungssitz»
B. Statutarische Sitzbestimmung
6 Alle juristischen Personen können (und jene des OR müssen) ihren Sitz in den Statuten bezeichnen. Es gilt dabei der Grundsatz der Wahlfreiheit, ein zivilrechtliches Regelungsprinzip und nicht etwa eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Niederlassungsfreiheit.
7 Neben allfälligen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (etwa durch Konzessionen, staatliche Aufträge oder der Erhalt von Subventionen)
8 Die eigentliche Bestimmung des Ortes des Sitzes erfolgt regelmässig durch die statutarische Nennung einer schweizerischen politische Gemeinde (Art. 117 Abs. 1 HRegV), in welcher die feste Zustelladresse eine effektive Erreichbarkeit gewährleistet (vgl. oben N. 7).
C. Gesetzliche Sitzbestimmung
9 Weil die Sitzbestimmung bei den Körperschaften des OR zum zwingenden Mindestinhalt der Statuten gehört (Art. 626 Ziff. 1, Art. 764 Abs. 2, Art. 776 Ziff. 1, Art. 832 Ziff. 1 OR
10 Hinsichtlich des genauen Inhalts dieser objektiven Anknüpfung scheiden sich die Geister in der Doktrin: Während eine Lehrmeinung davon ausgeht, dass der Ort des tatsächlichen Verwaltungszentrums gemeint sei,
IV. Rechtliche Bedeutung des Sitzes
A. Behördenzuständigkeit
11 Als allgemeine Faustregel gilt, dass die örtliche Behördenzuständigkeit dem Sitz der juristischen Person folgt. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht absolut und ist wie folgt zu präzisieren:
Handelsregisterbehörden: Juristische Personen sind ins Handelsregister des Sitzortes einzutragen.
Vgl. ausdrücklich Art. 640, 778, 835 OR. Die Bestimmung der innerkantonalen Organisation obliegt den Kantonen (Art. 928 OR; Art. 3 HRegV). Diese können Handelsregisterbezirke definieren oder das Handelsregister kantonsübergreifend führen. Entscheidend sind einerseits die politische Gemeinde (Art. 117 HRegV),Meisterhans/Gwelessiani-Praxiskommentar HRegV, N. 495 (mit dem Hinweis, dass im Tagesregister nicht die Ortschaft, sondern die politische Gemeinde einzutragen ist). und andererseits das Rechtsdomizil (Art. 2 lit. b HRegV) als Zustelladresse. Fehlt ein Rechtsdomizil, greifen die Rechtsfolgen von Art. 152 HRegV. Das Handelsregisteramt setzt der juristischen Person dabei eine Frist mit der Aufforderung, die erforderliche Anmeldung vorzunehmen oder zu belegen, dass keine Eintragung, Änderung oder Löschung erforderlich ist (Abs. 1). Die Aufforderung enthält zudem einen Hinweis auf die massgebenden Vorschriften und die Rechtsfolgen für den Fall, dass ihr keine Folge geleistet wird (Abs. 2).
Gerichtsbehörden: Grundsätzlich sind für Klagen gegen juristische Personen die Gerichte an deren Sitz örtlich zuständig (Art. 10 Abs. 1 lit. b ZPO). Dieser – auf der Garantie des Wohnsitzgerichts beruhende
Hierauf können sich auch juristische Personen berufen, vgl. BGE 102 Ia 406 E. 2a; dazu Weber, S. 145 (unter Art. 59 aBV); weiter Biaggini, Art. 30 BV N. 2. – Grundsatz wird indes durch eine Vielzahl von Ausnahmen relativiert (vgl. Art. 12 ff. ZPO). Vgl. weiter im international-privatrechtlichen Kontext Art. 151 Abs. 1 IPRG, welche für gesellschaftsrechtliche Klagen eine Gerichtszuständigkeit am Sitz der Gesellschaft begründet, und Art. 165 IPRG zur Anerkennung von ausländischen Entscheidungen über gesellschaftsrechtliche Ansprüche.
Betreibungs- und Konkursbehörden: Der ordentliche Betreibungsort von im Handelsregister eingetragener juristischer Personen ist ihr (zivilrechtlicher) Sitz, jener von nicht im Handelsregister eingetragener juristischer Personen ist der Hauptsitz ihrer Verwaltung (Art. 46 Abs. 2 SchKG). Es ist zu beachten, dass nicht jeder Betreibungsort zugleich auch einen Konkursort begründet; neben dem ordentlichen Betreibungsort kommen für juristische Personen insb. in Betracht: der Ort der Geschäftsniederlassung eines im Ausland domizilierten Schuldners (Art. 50 Abs. 1 SchKG), der Ort des Vermögens bei einem Hilfskonkurs (Art. 166 ff. IPRG).
Eigentumsvorbehalt: Ein Eigentumsvorbehalt gemäss Art. 715 Abs. 1 ZGB muss am Sitz der juristischen Person in einem vom Betreibungsamt zu führenden öffentlichen Register eingetragen werden, damit er wirksam ist.
BGE 106 II 320 E. 2; ferner CR-Xoudis, Art. 56 ZGB N. 14.
Steuerbehörden: Der Sitz hat im Steuerrecht eine eingeschränkte Bedeutung. Zunächst ist zu beachten, dass der steuerliche Sitzbegriff nicht mit dem zivilrechtlichen übereinstimmt.
CR-Xoudis, Art. 56 ZGB N. 14. Weiter begründet die «persönliche Zugehörigkeit» zwar grundsätzlich eine Steuerpflicht nach Bundesrecht oder kantonalem Recht (vgl. etwa Art. 20 Abs. 1 StHG; § 55 StG/ZH; § 62 StG/AG), doch stellt das Steuerrecht häufig auf wirtschaftliche Gesichtspunkte ab, weshalb ein blosses Briefkastendomizil noch keinen steuerrechtlich relevanten Sitz zu begründen vermag, wenn die tatsächliche Geschäftstätigkeit an einem anderen Ort erfolgt.
Weitere Behörden und insb. Aufsichtsbehörden: Als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit von Aufsichtsbehörden ist der Sitz vor allem im Sozialversicherungsrecht von Bedeutung (vgl. Art. 61 Abs. 1 BVG für Vorsorgeeinrichtungen allgemein; Art. 89a Abs. 6 Ziff. 12 ZGB für Personalfürsorgestiftungen). Bei gewöhnlichen Stiftungen ist der Sitz hingegen für die Begründung der Aufsicht nicht allein entscheidend, sondern der Wirkungskreis;
SHK-Riemer, Art. 56 ZGB N. 11. so ist bei schweizweit oder international tätigen Stiftungen stets die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA) die Aufsichtsbehörde.
B. Weitere Aspekte
12 Der Sitz kann auch für das Firmenrecht von Bedeutung sein. Grundsätzlich dürfen geographische Bezeichnungen, wie Namen von Bergen, Pässen, Flüssen, Seen oder Meeren, zwar frei verwendet werden.
V. Sitzverlegung
A. Sitzverlegung im Inland
13 Ein notwendiges Korrelat der freien statutarischen Wahl des Sitzes ist, dass inländische Sitzverlegungen im Grundsatz stets zulässig sein müssen. Eine gewichtige Ausnahme bilden beaufsichtigte Stiftungen, wenn der Sitz statutarisch festgelegt wurde: In diesem Falle bedarf es regelmässig einer Organisationsänderung nach Art. 85 ff. ZGB, die eine Mitwirkung der Aufsichtsbehörde erfordern kann.
14 Handelsregisterrechtlich gilt Art. 123 Abs. 1 HRegV, wonach eine Rechtseinheit sich am neuen Sitz zur Eintragung anmelden muss, wenn sie ihren Sitz in einen anderen als den bisherigen Registerbezirk verlegt. Das Anmeldungs- und Eintragungsverfahren ist sodann in Art. 123 Abs. 2–6, Art. 124 ff. HRegV geregelt. Bei eintragungspflichtigen Sitzverlegungen (etwa bei einer Aktiengesellschaft, vgl. Art. 647 OR) richtet sich die Wirksamkeit nach Art. 936a Abs. 1 OR. Nicht eintragungspflichtige Sitzverlegungen (etwa von gewissen Vereinen
15 Vorbehältlich gewisser Ausnahmen – genannt seien die Fixierung des Betreibungsortes nach Art. 53 SchKG
16 Schliesslich richten sich Sitzwechsel aufgrund von Fusionen, Spaltungen und Umwandlungen nach den Bestimmungen des FusG.
B. Sitzverlegung mit Auslandbezug
1. Der Sitz von juristischen Personen im Schweizer Internationalen Privatrecht
17 Im Internationalen Privatrecht wird nicht an den Terminus der «juristischen Person», sondern an jenen der «Gesellschaft» angeknüpft. Darunter sind gemäss Art. 150 Abs. 1 IPRG sowohl organisierte Personenzusammenschlüsse als auch organisierte Vermögenseinheiten zu verstehen. Wenngleich damit die Definition von Art. 52 Abs. 1 ZGB evoziert wird, wird in der international-privatrechtlichen Umschreibung keine Rechtspersönlichkeit vorausgesetzt. Mit anderen Worten vermag die international-privatrechtliche Umschreibung mehr Gebilde zu umfassen als jene des ZGB.
18 Gemäss Art. 21 Abs. 1 IPRG gilt der Sitz von Gesellschaften und Trusts als «Wohnsitz». Dabei ist unter Sitz einer Gesellschaft der in den Statuten einer juristischen Person oder im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft bezeichnete Ort zu verstehen. Subsidiär gilt der Ort der tatsächlichen Verwaltung als Sitz. Somit spiegelt das IPRG die Regelung von Art. 56 ZGB.
19 Zur Zuständigkeit im Bereich des IPRG vgl. oben N. 11. Das international-privatrechtlich auf Gesellschaften anwendbare Recht bestimmt sich nach Art. 154 IPRG: Nach dessen Abs. 1 wird das Personalstatut anhand der Inkorporations- oder Gründungstheorie bestimmt, d.h. die Gesellschaft ist unabhängig von ihrem gegenwärtigen Verwaltungssitz dem Recht unterstellt, nach dessen Vorschriften sie gegründet und organisiert wurde.
2. Sitzverlegung nach Schweizer Internationalem Privatrecht
a. Vorbemerkung zur Terminologie
20 Für die Ein- oder Auswanderung einer schweizerischen Gesellschaft bedarf es aus Perspektive des Schweizer Internationalen Privatrechts stets eines eigentlichen «Rechtswechsels», weil aufgrund der in der Schweiz vorherrschenden Gründungstheorie der reine «Sitzwechsel», verstanden als schlichte Verlegung des Verwaltungssitzes, keine Auswirkung auf das Gesellschaftsstatut hat.
b. Verlegung aus dem Ausland in die Schweiz
21 Die Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft in die Schweiz wird in Art. 161 f. IPRG geregelt. Nach Art. 161 Abs. 1 IPRG kann sich eine ausländische Gesellschaft ohne Liquidation und Neugründung dem schweizerischen Recht unterstellen, wenn das ausländische Recht (sog. Emigrationsstatut) es gestattet, die Gesellschaft die Voraussetzungen des ausländischen Rechts erfüllt und die Anpassung an eine schweizerische Rechtsform (aufgrund des Grundsatzes der Formenfixierung) möglich ist. Ratio legis dieser Vorschrift ist eine möglichst weitgehende Übernahmemöglichkeit eines Personalstatuts gemäss der Gründungstheorie.
22 Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der EU ist insbesondere auch der (eingeschränkte) Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 54 AEUV) auf Gesellschaften zu beachten, welcher aber vom EuGH sukzessive erweitert worden ist.
c. Verlegung aus der Schweiz ins Ausland
23 Spiegelbildlich zu Art. 161 Abs. 1 IPRG sieht Art. 163 Abs. 1 IPRG die Möglichkeit eines formellen Rechtswechsels aus der Schweiz heraus vor: Eine schweizerische Gesellschaft kann sich ohne Liquidation und Neugründung dem ausländischen Recht unterstellen, wenn die Voraussetzungen nach schweizerischem Recht erfüllt sind und sie nach dem ausländischen Recht fortbesteht (Art. 163 Abs. 1 IPRG).
d. Immigrations- und Emigrationsfusion
24 Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass sich grenzüberschreitende Sitzverlegungen auch aus Fusionstatbeständen ergeben können, welche jeweils als Absorptions- oder Kombinationsfusionen möglich sind (Art. 163a f. IPRG).
Literaturverzeichnis
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Kunz Peter V./Rodriguez Rodrigo, Kommentierungen zu Art. 163, 163a und 163b IPRG, in: Grolimund Pascal/Loacker Leander D./Schnyder Anton K. (Hrsg.), Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., Basel 2021 (zit. BSK-Kunz/Rodriguez).
Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018.
Meisterhans Clemens/Gwelessiani Michael, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, 4. Aufl., Zürich 2021.
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Riemer Hans Michael, Stämpflis Handkommentar, Vereins- und Stiftungsrecht (Art. 60–89bis ZGB) mit den Allgemeinen Bestimmungen zu den juristischen Personen (Art. 52–59 ZGB), Bern 2012 (zit. BSK-Riemer).
Riemer Hans Michael, Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung und Personenrecht, Die juristischen Personen, Allgemeine Bestimmungen, Systematischer Teil und Kommentar zu Art. 52–59 ZGB, 3. Aufl., Bern 1993 (zit. BK-Riemer).
Schmid Ernst F., Kommentierung zu Art. 53 SchKG, in: Staehelin Daniel/Bauer Thomas/Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl., Basel 2021 (BSK-Schmid).
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Weber Rolf H., Einleitung und Personenrecht, in: Tercier Pierre (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, II Band, 4. Teilband, Basel 1998.
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