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- Art. 72 DSG
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- Art. 2 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Normzweck und Entstehungsgeschichte
- II. Informationsanspruch des EDÖB
- III. Verfahrensrechtliches
- Literaturverzeichnis
- Materialienverzeichnis
I. Normzweck und Entstehungsgeschichte
1 Führt der EDÖB eine Untersuchung wegen mutmasslicher Datenschutzverstösse durch ein Bundesorgan oder eine private Person, sind ihm gemäss Art. 49 Abs. 3 DSG grundsätzlich alle Auskünfte zu erteilen und alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Untersuchung notwendig sind. Damit die Aufsichtstätigkeit auch dann wirksam wahrgenommen werden kann, wenn Verantwortliche ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, räumt Art. 50 DSG dem EDÖB gewisse Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse ein, um Sachverhalte umfassend, rasch und exakt abzuklären.
2 Mit Art. 50 DSG sollen die aktuellen und zukünftig erwarteten völkerrechtlichen Vorgaben erfüllt werden, welchen die Schweiz als Mitgliedstaat des Übereinkommens SEV 108 des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten sowie als Schengen-Staat zu genügen hat. Art. 15 Abs. 2 lit. a des Änderungsprotokolls vom 18. Mai 2018 zum SEV 108-Übereinkommen
3 Mit Blick auf Art. 45 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO), wonach eine Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU in Drittstaaten nur vorgenommen werden darf, wenn der betreffende Drittstaat gemäss Beschluss der Europäischen Kommission ein angemessenes Schutzniveau bietet, erachtet der schweizerische Gesetzgeber die neuen Untersuchungsbefugnisse des EDÖB als entscheidendes Element, um sicherzustellen, dass die EU ihren Angemessenheitsbeschluss gegenüber der Schweiz aufrechterhält.
4 Gegenüber dem Datenschutzgesetz von 1992 (aDSG) bedeutet Art. 50 DSG eine Klarstellung und Stärkung der Position des EDÖB. So sahen Art. 27 Abs. 3 aDSG (im Bereich der Aufsicht über Bundesorgane) und Art. 29 Abs. 3 aDSG (im Privatbereich) zwar bereits die Möglichkeit vor, im Rahmen von Sachverhaltsabklärungen Akten herauszuverlangen, Auskünfte einzuholen und sich Datenbearbeitungen vorführen zu lassen. Die Verantwortlichen waren dabei unter Vorbehalt des nach Art. 16 VwVG sinngemäss geltenden Zeugnisverweigerungsrechts zur Mitwirkung verpflichtet (vgl. Art. 27 Abs. 3 aDSG und Art. 34 Abs. 2 lit. b aDSG). Sollten die Verantwortlichen nicht von sich aus kooperieren, standen dem EDÖB allerdings keine direkten Zwangsmassnahmen zur Informationsbeschaffung (z.B. die Möglichkeit, Informationen zu beschlagnahmen oder sich auch gegen den Willen des Berechtigten Zugang zu Lokalitäten, Installationen oder Systemen zu verschaffen) zur Verfügung.
5 Die limitierten Untersuchungskompetenzen des EDÖB unter dem aDSG stiessen in der Lehre und Datenschutzpraxis bisweilen auf Kritik.
6 Ob das neu gestaltete Regime der Untersuchungskompetenzen des EDÖB zusammen mit seinen zurückhaltend ausgebauten Abhilfebefugnissen (vgl. dazu OK-Fanger/Oehri zu Art. 51 DSG) eine wirksame Aufsichtstätigkeit sicherstellt, wird die Praxis weisen.
II. Informationsanspruch des EDÖB
A. Anordnung von Untersuchungsmassnahmen
7 Eröffnet der EDÖB gegen ein Bundesorgan oder eine private Person gemäss Art. 49 Abs. 1 DSG eine Untersuchung wegen eines mutmasslichen Datenschutzverstosses, ist es grundsätzlich am betreffenden Bundesorgan oder der privaten Person, dem EDÖB alle Auskünfte zu erteilen und ihm alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Untersuchung notwendig sind (Art. 49 Abs. 3 DSG). Kommt der Verantwortliche den Mitwirkungspflichten gemäss Art. 49 Abs. 3 DSG nicht nach, räumt Art. 50 Abs. 1 DSG dem EDÖB die Kompetenz ein, Massnahmen zur Informationsbeschaffung anzuordnen. Die Anordnung solcher Massnahmen ist subsidiär zur Mitwirkung des Verantwortlichen und setzt somit voraus, dass der EDÖB eine Untersuchung eröffnet und in deren Rahmen vergeblich versucht hat, die nötigen Auskünfte und Unterlagen erhältlich zu machen.
8 Der Katalog möglicher Massnahmen zur Informationsbeschaffung in Art. 50 Abs. 1 DSG lehnt sich an jenen von Art. 12 VwVG an und ist nicht abschliessend.
9 Um eine zielführende Untersuchung zu ermöglichen, ist der Begriff des Zugangs (Art. 50 Abs. 1 lit. a und lit. b DSG) breit zu verstehen. So umfasst der Zugang zu Unterlagen nicht nur deren Sichtung, sondern gegebenenfalls auch deren Beschlagnahme.
10 Gegenüber dem aDSG bedeutet die exemplarische Aufzählung von möglichen Untersuchungsmassnahmen in Art. 50 Abs. 1 DSG eine punktuelle Erweiterung der Informationsbefugnisse (vgl. vorgängig N. 4). Der wesentliche Ausbau der Position des EDÖB mit Blick auf die Informationsbeschaffung liegt jedoch primär in der Stärkung der Durchsetzungsmechanismen (vgl. nachfolgend N. 18 ff.).
B. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich
11 Damit der EDÖB seine gesetzlichen Aufsichtsaufgaben erfüllen kann, müssen die ihm zustehenden Informationsbeschaffungsrechte umfassend ausgestaltet sein.
12 In persönlicher Hinsicht erfolgt die Informationsbeschaffung primär beim betreffenden Bundesorgan bzw. der betreffenden privaten Person, kann aber auch weitere Stellen oder Personen, welche bei der fraglichen Datenbearbeitung involviert sind (z.B. Mitarbeitende, Hilfspersonen, Beauftragte, Outsourcing-Partner), oder Dritte, die sachdienliche Auskünfte geben können (z.B. betroffene Personen, Behörden, ehemalige Mitarbeitende, Geschäftspartner), einschliessen. Bereits unter dem aDSG wurde der Personenkreis, bei dem der EDÖB im Rahmen seiner Untersuchungen Informationen beschaffen kann, weit definiert.
13 Auch in sachlicher Hinsicht ist der Informationsanspruch des EDÖB weit auszulegen. Art. 50 Abs. 1 lit. a DSG erwähnt namentlich alle Auskünfte, Unterlagen, Verzeichnisse der Bearbeitungstätigkeiten und Personendaten, die für die Untersuchung erforderlich sind. Mithin erstreckt sich der Informationsanspruch auf alle Informationen im Zusammenhang mit einem konkreten Fall oder allgemeiner Art, die sachrelevant und für eine rechtliche Beurteilung des mutmasslichen Datenschutzverstosses notwendig sind.
C. Grenzen, insbesondere Vorbehalt des Berufsgeheimnisses
14 Der Informationsanspruch des EDÖB und die damit korrespondierenden Mitwirkungspflichten von Bundesorganen und privaten Personen, gegen die sich eine Untersuchung richtet, sowie gegebenenfalls von Dritten, sind selbstredend nicht unbegrenzt. Sie finden ihre Schranken in den einschlägigen Verweigerungsrechten. Diesbezüglich sieht Art. 49 Abs. 3 DSG vor, dass sich das Auskunftsverweigerungsrecht der Bundesorgane und privaten Personen nach Art. 16 und Art. 17 VwVG richtet, sofern Art. 50 Abs. 2 DSG nichts anderes bestimmt. Auch für Dritte gelten Art. 16 und Art. 17 VwVG.
15 Gemäss der somit anwendbaren Ordnung, welche sich aus dem Zusammenspiel von DSG und VwVG und der darin erfolgenden partiellen Weiterverweisung auf BZP und StGB ergibt, kann die Auskunft und auch eine sonstige Mitwirkung, etwa in Form der Herausgabe von Unterlagen, jedenfalls dann verweigert werden:
wenn der Mitwirkende sich selbst oder eine nahestehende Person der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen oder für sich selbst oder für diese einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde (Art. 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. a BZP);
wenn sich der Mitwirkende auf den Quellenschutz für Medienschaffende berufen kann (Art. 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. abis BZP i.V.m. Art. 28a StGB);
wenn sich der Mitwirkende auf ein Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 Ziff. 1 StGB berufen kann und der Geheimnisberechtigte nicht in die Offenbarung des Geheimnisses eingewilligt hat (Art. 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. b BZP i.V.m. Art. 321 Ziff. 1 StGB);
wenn es sich um Anwaltskorrespondenz handelt (Art. 17 VwVG i.V.m. Art. 51a BZP).
16 Demgegenüber entbindet die Berufung auf Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, vertragliche Geheimhaltungspflichten oder das Amtsgeheimnis nicht von der Mitwirkung in einer Untersuchung des EDÖB.
17 Gemäss der Praxis unter dem aDSG konnten sich auch Träger anderer Berufsgeheimnisse, d.h. beispielsweise Personen, die dem Bankgeheimnis (Art. 47 BankG), dem Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung (Art. 321bis StGB) oder dem Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 321ter StGB) unterliegen
III. Verfahrensrechtliches
A. Überblick
18 Während der Informationsanspruch des EDÖB gemäss Art. 50 Abs. 1 DSG inhaltlich im Ergebnis lediglich punktuell Erweiterungen gegenüber altem Recht erfahren haben dürfte (vgl. vorgängig N. 7 ff.), wurde die Stellung des EDÖB bezüglich dessen Durchsetzung deutlich gestärkt. Unter dem aDSG konnte der EDÖB zwar Untersuchungsmassnahmen vorsehen, diese aber im Falle eines nicht kooperativen Gegenübers nicht zwangsweise durchsetzen (vgl. vorgängig N. 4). Neu ist die Informationsbeschaffung des EDÖB dreistufig geregelt:
Primär erfolgt sie durch formlose Anfrage des EDÖB an das Bundesorgan oder die private Person, gegen das bzw. die eine Untersuchung eröffnet wurde. Der Verantwortliche ist nach Art. 49 Abs. 3 DSG, soweit für die Untersuchung notwendig, zur Auskunftserteilung und zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtet, wenn er kein Mitwirkungsverweigerungsrecht geltend machen kann.
Subsidiär, d.h. wenn die Informationsbeschaffung allein mittels Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen durch das betreffende Bundesorgan oder die betreffende private Person entweder nicht gelingt oder nicht genügt, kann der EDÖB Untersuchungsmassnahmen nach Art. 50 Abs. 1 DSG «anordnen» (vgl. hierzu sogleich N. 19 ff.).
Und schliesslich kann der EDÖB zum Vollzug der nach Art. 50 Abs. 1 DSG angeordneten Massnahmen gemäss Art. 50 Abs. 3 DSG andere Bundesbehörden sowie die kantonalen oder kommunalen Polizeiorgane beiziehen.
B. Begriff «anordnen»
19 Das Gesetz und auch die Materialien äussern sich nicht explizit dazu, was unter dem Begriff «anordnen» zu verstehen ist bzw. in welcher Form diese Anordnung zu erfolgen hat. Während im Kontext der Verwaltungsmassnahmen, die der EDÖB gestützt auf Art. 51 DSG nach Abschluss einer Untersuchung erlassen kann, sowohl in der Botschaft als auch in der Rezeption der neuen Bestimmung in der Literatur die Verfügungskompetenz des EDÖB prominent thematisiert wird (vgl. OK-Fanger/Oehri zu Art. 51 DSG, N. 1 ff.), fehlt bezüglich der Untersuchungsmassnahmen nach Art. 50 DSG jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob deren Anordnung ebenfalls Verfügungscharakter zukommt, oder ob sie als behördlicher Realakt zu qualifizieren ist.
20 Auch die aufgrund des Verweises in Art. 52 Abs. 1 DSG auf das Untersuchungsverfahren nach Art. 50 DSG anwendbaren Bestimmungen des VwVG, insbesondere Art. 12-19 VwVG, sowie die zufolge Weiterverweisung in Art. 19 VwVG überdies anwendbaren Art. 37, 39 –41 und 43 –61 BZP, welche allesamt für die Feststellung des Sachverhalts in Verwaltungsverfahren einschlägig sind, bestimmen nicht ausdrücklich, in welcher Form Untersuchungsmassnahmen anzuordnen sind.
21 Nach der hier vertretenen, nachfolgend im Einzelnen dargelegten Ansicht hat die Anordnung von Untersuchungsmassnahmen in Form einer verfahrensleitenden (Zwischen-)Verfügung zu erfolgen.
22 Anders als im zivilprozessualen Bereich sind in Verwaltungsverfahren, in welchen die Untersuchungsmaxime herrscht, eigentliche Beweisverfügungen nicht üblich.
23 In Entscheiden, in welchen sich das Bundesgericht spezifisch mit der Frage zu befassen hatte, ob sich die Anordnung einer Untersuchungsmassnahme in einem spezifischen Fall als (anfechtbare) Verfügung qualifiziert oder nicht, zeigt sich ein nicht einheitliches Bild: bisweilen wird eine entsprechende Anordnung als verfahrensleitende Zwischenverfügung
24 Die Lehre plädiert unter Hinweis darauf, dass mit der Anordnung von Beweismassnahmen unter Mitwirkungspflicht immer eine Rechtspflicht begründet werde, – nach der hier vertretenen Ansicht zu Recht – für eine Qualifikation als Verfügung.
25 Greift ein Verwaltungsakt stark in die Rechtsposition des Adressaten ein, ist eine verfügungsweise Anordnung angezeigt, damit dieser bei Bedarf eine Überprüfung durch eine Rechtsmittelinstanz veranlassen kann. Das Bundesorgan oder die private Person als Partei einer datenschutzrechtlichen Untersuchung dürfte mit der Anordnung von Untersuchungsmassnahmen regelmässig nicht einverstanden sein: Nachdem der Verantwortliche im Rahmen der formlosen Anfrage des EDÖB nicht willens oder nicht fähig war, ihm die notwendige Informationsbasis für die Beurteilung einer allfälligen Datenschutzverletzung zu liefern, ist davon auszugehen, dass er auch auf eine Anordnung nach Art. 50 Abs. 1 DSG hin nicht plötzlich von sich aus hinreichend mitwirken kann bzw. will. Umso wichtiger ist für ihn mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör eine Möglichkeit, die umstrittene Anordnung unter den Voraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. 46 VwVG gerichtlich überprüfen zu lassen. Zudem kann der EDÖB die angeordneten Untersuchungsmassnahmen, soweit einer zwangsweisen Vollstreckung zugänglich, gemäss Art. 50 Abs. 3 DSG mithilfe anderer Bundesbehörden sowie der kantonalen und kommunalen Polizeibehörden vollziehen. Die Nichtmitwirkung ist gemäss Art. 60 DSG strafbewehrt. Aus Untersuchungsmassnahmen nach Art. 50 Abs. 1 DSG erwachsen mit anderen Worten regelmässig echte Rechtspflichten für die Verfahrenspartei, weshalb sie verfügungsweise anzuordnen sind.
26 Analoges gilt auch für die Mitwirkungspflicht Dritter, die zwangsweise durchgesetzt werden kann (Art. 50 Abs. 3 DSG) und deren Nichtbeachtung gegebenenfalls ebenso Straffolgen zeitigt (Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 60 VwVG). Werden sie als Zeugen vorgeladen oder aufgefordert, Unterlagen zu edieren oder Zugang zu Räumlichkeiten und Anlagen zu gewähren, stellt dies einen wesentlichen Eingriff dar, gegen den vor einer zwangsweisen Durchsetzung oder der Ahndung einer Nichtmitwirkung ein Rechtsmittel zur Verfügung stehen muss.
27 Aus prozessökonomischer Perspektive lässt sich freilich einwenden, dass die verfügungsweise Anordnung von Untersuchungsmassnahmen je nach Umständen des Einzelfalls zu sehr langwierigen und aufwändigen Untersuchungsverfahren führen kann. Dies ist aus rechtsstaatlichen Gründen jedoch hinzunehmen. An die Begründung von Untersuchungsmassnahmen durch den EDÖB sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen, sodass eine Anordnung in Verfügungsform gegenüber einem reinen Realakt nicht zu einem wesentlichen Mehraufwand führt. Eine Verzögerung des Verfahrens droht dann, wenn eine selbständige Beschwerde möglich ist (Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 46 Abs. 1 VwVG), was im vorliegenden Kontext nur ausnahmsweise der Fall sein wird (vgl. dazu im Einzelnen nachfolgend N. 28). Zudem kann der EDÖB einer Beschwerde gegebenenfalls die aufschiebende Wirkung entziehen (Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 55 Abs. 2 VwVG).
C. Rechtsmittel
28 Räumt man der Anordnung von Untersuchungsmassnahmen Verfügungscharakter ein, kann sie unter den Voraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 46 Abs. 1 VwVG selbständig mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
29 Primär dürfte eine Anfechtbarkeit dann gegeben sein, wenn die Anordnung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. a VwVG
30 Wo eine Beschwerde zulässig ist, kann der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in der Folge mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Hier kommt neben dem Verfügungsadressaten auch dem EDÖB eine Beschwerdebefugnis zu (Art. 52 Abs. 3 DSG).
D. Vollzug
31 Art. 50 Abs. 3 DSG sieht vor, dass der EDÖB zum Vollzug der Massnahmen nach Art. 50 Abs. 1 DSG andere Bundesbehörden sowie die kantonalen oder kommunalen Polizeiorgane beiziehen kann. Art. 54 Abs. 2 lit. c DSG hält hierzu zudem fest, dass der EDÖB den beigezogenen Behörden die für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlichen Informationen und Personendaten bekanntgeben darf.
32 Art. 50 Abs. 3 DSG erfuhr im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Anpassungen. Noch im E-DSG von 2017 wurde dem EDÖB durch die betreffende Bestimmung ausdrücklich die Befugnis eingeräumt, für die Dauer der Untersuchung vorsorgliche Massnahmen anzuordnen und diese durch eine Bundesbehörde oder die kantonalen oder kommunalen Polizeiorgane vollstrecken zu lassen (Art. 44 Abs. 2 E-DSG [2017]).
33 Auch hinsichtlich des Vollzugs gelten zufolge des Verweises in Art. 52 Abs. 1 DSG die Regeln des VwVG, insbesondere Art. 39 –43 VwVG, ergänzend, soweit Art. 50 DSG nichts Abweichendes bestimmt. Mithin ist für den Vollzug vorausgesetzt, dass gegen die Anordnung kein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung mehr zur Verfügung steht (Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 39 VwVG). Mit Blick auf die möglichen Zwangsmittel (vgl. Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 41 VwVG) werden in der Praxis primär die zwangsweise Zugangsbeschaffung und Durchsuchung von Räumlichkeiten und Anlagen sowie die Beschlagnahme von Anlagen, Unterlagen, Verzeichnissen der Bearbeitungstätigkeiten und Personendaten eine Rolle spielen. Ebenfalls in Betracht kommen kann eine Strafandrohung (vgl. Art. 60 DSG und Art. 52 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 60 VwVG). Eine zwangsweise Vorführung von Parteien zur Auskunftserteilung oder von Zeugen dürfte demgegenüber kaum je in Erwägung zu ziehen sein
E. Keine Gebühr
34 Art. 59 Abs. 1 lit. d DSG bestimmt, dass der EDÖB von privaten Personen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen und (Verwaltungs-)Massnahmen nach Art. 51 DSG eine Gebühr erhebt. Mit Blick auf das Untersuchungsverfahren bedeutet dies e contrario, dass einem Bundesorgan mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage jedenfalls keine Gebühren aufzuerlegen sind. Zudem dürfte daraus gemäss der Botschaft zum E-DSG (2017) zu schliessen sein, dass für Untersuchungen gegen private Personen, die ohne Anordnung von vorsorglichen Massnahmen oder Verwaltungsmassnahmen abgeschlossen werden, keine Gebühren anfallen.
35 Die vorgesehene Gebührenfreiheit überzeugt für Untersuchungsverfahren, bei denen die Sachverhaltsabklärung einerseits formal einfach ist, d.h. ohne förmliche Anordnung von Untersuchungsmassnahmen allein durch die Mitwirkung eines vollumfänglich kooperierenden Verantwortlichen erfolgen kann, und andererseits im Ergebnis entlastend wirkt, d.h. nicht zu Verwaltungsmassnahmen führt. Ebenso lässt sich vertreten, dass die Anordnung von Untersuchungsmassnahmen bei Dritten, soweit diese nicht erst durch mangelnde Mitwirkung seitens des Verantwortlichen notwendig gemacht wurden, keine finanziellen Folgen für letzteren nach sich ziehen soll. Allerdings ist Art. 50 DSG nicht nur auf solche Fallkonstellationen zugeschnitten, sondern greift vor allem auch dann, wenn der Verantwortliche im Untersuchungsverfahren nicht hinreichend mitwirkt (vgl. Art. 50 Abs. 1 DSG). Nach der hier vertretenen Auffassung sollte die Anordnung von Untersuchungsmassnahmen, die allein dadurch notwendig wurde, dass der Verantwortliche seinen Mitwirkungspflichten unberechtigterweise nicht nachgekommen ist, im Privatbereich jedenfalls Kostenfolgen zeitigen, und zwar selbst dann, wenn sich nach der vollständigen Durchführung der Untersuchung, die auf genügende Anzeichen gemäss Art. 49 Abs. 1 DSG hin eröffnet wurde, ergibt, dass keine Verletzung von Datenschutzvorschriften vorliegt und somit keine Verwaltungsmassnahmen nach Art. 51 DSG anzuordnen sind.
Literaturverzeichnis
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Wiederkehr René/Meyer Christian/Böhme Anna, Kommentierung zu Art. 55 VwVG, in: Wiederkehr René/Meyer Christian/Böhme Anna (Hrsg.), VwVG Kommentar, Zürich 2022.
Materialienverzeichnis
Botschaft zur Genehmigung des Protokolls vom 10.10.2018 zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 6.12.2019, BBl 2020 S. 565 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2020/60/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2020-60-de-pdf-a.pdf, besucht am 28.6.2023.
Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15.9.2017, BBl 2017 S. 641 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2017/2057/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2017-2057-de-pdf-a.pdf, besucht am 28.6.2023.
Durchführungsbeschluss 7281/19 des Rates der Europäischen Union zur Festlegung einer Empfehlung zur Beseitigung der 2018 bei der Evaluierung der Anwendung des Schengen-Besitzstands im Bereich des Datenschutzes durch die Schweiz festgestellten Mängel vom 8.3.2019, abrufbar unter https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7281-2019-INIT/de/pdf, besucht am 28.6.2023.
Normkonzept zur Revision des Datenschutzgesetzes – Bericht der Begleitgruppe Revision DSG vom 29.10.2014, abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/75506.pdf, besucht am 28.6.2023.