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Kommentierung zu
Art. 44 HRegV

Eine Kommentierung von Harald Bärtschi

Herausgegeben von Harald Bärtschi

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I. Allgemeines

1 Zur Errichtung der Aktiengesellschaft müssen die Gründerinnen gemäss Art. 629 Abs. 1 OR in öffentlicher Urkunde «erklären, eine Aktiengesellschaft zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen». Weiter verlangt das Gesetz im Errichtungsakt die Zeichnung der Aktien sowie gewisse Feststellungen (Art. 629 Abs. 2 und 3 OR). Den Beilagen des Errichtungsakts widmet sich Art. 631 OR.

2 Die öffentliche Urkunde über den Errichtungsakt (Gründungsurkunde) ist auch für die Eintragung der neu gegründeten Gesellschaft in das Handelsregister von zentraler Bedeutung, dient sie doch als wichtige und verlässliche Informationsquelle. Vor diesem Hintergrund setzt Art. 44 HRegV aus handelsregisterrechtlicher Sicht (vgl. Art. 943 OR) den Mindestinhalt der Gründungsurkunde fest und nimmt dabei Überschneidungen mit den obligationenrechtlichen Vorgaben in Kauf.

3 Selbstredend hat die Urkundsperson unabhängig von Art. 44 HRegV sämtliche obligationenrechtlichen Anforderungen sowie die Formalien des anwendbaren kantonalen Notariatsrechts (Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB)

einzuhalten.

4 Die öffentliche Beurkundung des Errichtungsakts braucht nicht im Sitzkanton der Gesellschaft vorgenommen zu werden, sondern kann auch bei einer anderen Urkundsperson in der Schweiz – in einer kantonalen Amtssprache des zuständigen Handelsregisteramts (vgl. Art. 20 Abs. 4 HRegV) – erfolgen.

5 Die öffentliche Urkunde über den Errichtungsakt muss gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. a HRegV mit der Anmeldung zur Eintragung der Gründung dem Handelsregisteramt als Beleg eingereicht werden.

Dies erlaubt dem kantonalen Handelsregisteramt zu prüfen, ob die in Art. 44 HRegV statuierten Anforderungen erfüllt sind (vgl. Art. 937 OR).

II. Vorgeschriebene Angaben

A. Personalien der Gründer und Vertreter (lit. a)

6 In der öffentlichen Urkunde sind einleitend die Personenangaben zu den Gründerinnen sowie zu etwaigen bevollmächtigten Vertreterinnen festzuhalten (lit. a). Die Angaben sollten – zumindest zusammen mit den übrigen der Urkundsperson bzw. dem Handelsregisteramt verfügbaren Dokumenten – eine eindeutige Identifikation der mitwirkenden Personen erlauben (vgl. Art. 119 und 24a HRegV), obgleich die Gründerinnen nicht in das Handelsregister einzutragen sind. Die Identifizierung der Beteiligten kann beispielsweise mit Blick auf eine Gründungshaftung (Art. 753 OR) von Bedeutung sein.

7 Die handelsregisterrechtlich angestrebte Transparenz sowie etwaige notariatsrechtliche Vorgaben stehen angesichts der Öffentlichkeit der Handelsregisterbelege (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. b HRegV) in einem Spannungsverhältnis zu persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Anliegen. Exakte Wohnsitzangaben (statt des blossen Wohnorts) oder das genaue Geburtsdatum (anstelle des Jahrgangs) sollten nicht offengelegt werden müssen.

8 Art. 928c Abs. 1 OR schreibt den Handelsregisterbehörden für die Identifizierung natürlicher Personen die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer vor. Die kantonalen Handelsregisterämter haben Zugriff auf die vom Eidgenössischen Amt für das Handelsregister zu betreibende zentrale Datenbank Personen. Aus Vertraulichkeitsgründen wird den darin erfassten natürlichen Personen eine nicht sprechende Personennummer zugeteilt (Art. 928c Abs. 3 OR). Die AHV-Versichertennummer ist nicht öffentlich (Art. 936 Abs. 1 Satz 3 OR).

9 Als Gründerinnen kommen eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen bzw. Handelsgesellschaften infrage (Art. 620 Abs. 1 Satz 1 OR), somit auch Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, nicht jedoch einfache Gesellschaften. Eine persönliche Anwesenheit der Gründerinnen ist nicht notwendig.

10 Falls Vertreterinnen eingesetzt werden, sind der Urkundsperson die Vollmachten vorzuweisen. Sie werden bei Gründungen oft auch der Urkunde beigelegt. Sie stellen jedoch keine Belege der Anmeldung beim Handelsregisteramt dar.

Mit Blick auf etwaige Nachbeurkundungshandlungen, welche bei Beanstandungen der Handelsregisterbehörden notwendig sein können, werden in den Errichtungsakt oft entsprechende Ermächtigungen für Anpassungen im Namen der Gründerinnen integriert.

B. Erklärung der Gründung (lit. b)

11 Zentral für die Errichtung der Gesellschaft ist die einstimmige und bedingungslose Erklärung der Gründerinnen, eine Aktiengesellschaft zu gründen (lit. b). Mit der Unterzeichnung der Urkunde (lit. i) bestätigt jede Gründerin, dass sie diesen Beschluss mitträgt.

C. Festlegung der Statuten (lit. c)

12 Die Statuten stellen bei der Eintragung der neu gegründeten Gesellschaft einen wichtigen Beleg dar (Art. 43 Abs. 1 lit. b HRegV).

In der Errichtungsurkunde haben die Gründerinnen zu bestätigen, dass die Statuten in der massgeblichen Fassung festgelegt sind (lit. c). Diese Anforderung ergibt sich direkt aus dem Gesetz (Art. 629 Abs. 1 OR).

13 Die Statuten sind somit nicht nur ein Beleg der Anmeldung beim Handelsregisteramt, sondern auch eine Beilage des Errichtungsakts (Art. 631 Abs. 2 Ziff. 1 OR). Die Urkundsperson hat die Statuten zu beglaubigen (Art. 22 Abs. 4 lit. a Ziff. 1 HRegV).

14 Der Zeitpunkt der Annahme der Statuten durch die Gründerinnen im Rahmen des Errichtungsakts ist massgeblich für die Datierung der Statuten (Art. 22 Abs. 1 lit. a HRegV).

D. Zeichnung der Aktien (lit. d)

15 Im Errichtungsakt zeichnen die Gründerinnen die Aktien und stellen fest, dass sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind (Art. 629 Abs. 2 Ziff. 1 OR). Für die Aktienzeichnung erforderlich sind laut Gesetz die Angabe von Anzahl, Nennwert, Art, Kategorie und Ausgabebetrag der Aktien sowie eine bedingungslose Verpflichtung, die geschuldete Einlage zu leisten (Art. 630 OR). Für die Leistung der Einlagen sind Art. 633–634b OR zu beachten. Diese erfolgt grundsätzlich bereits im Vorfeld der Gründung.

16 Während bei Kapitalerhöhungen separate Zeichnungsscheine (Art. 652 Abs. 1 OR) Verwendung finden, wird die entsprechende Verpflichtung anlässlich der Gründung in die Errichtungsurkunde integriert. Angelehnt an Art. 630 OR (N. 15) muss darin folglich die Erklärung jeder Gründerin über «die Zeichnung der Aktien unter Angabe von Anzahl, Nennwert, Art, Kategorie und Ausgabebetrag sowie die bedingungslose Verpflichtung, eine dem Ausgabebetrag entsprechende Einlage zu leisten», aufgenommen werden (lit. d).

E. Wahl des Verwaltungsrats (lit. e)

17 Die Bestellung der gesetzlich vorgeschriebenen Organe ist ein weiterer unabdingbarer Bestandteil der Gründung. Während sich die Zusammensetzung der Generalversammlung aus dem Kreis der beteiligten Aktionärinnen ableitet, muss der gemäss Gesetz aus einem Mitglied oder mehreren Mitgliedern bestehende (Art. 707 Abs. 1 OR) Verwaltungsrat von der Gründungs- bzw. Generalversammlung gewählt werden (vgl. Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 OR).

18 Die Tatsache, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats gewählt worden sind, ist samt den entsprechenden Personenangaben in der Gründungsurkunde abzubilden (lit. e). Die Annahme der Wahl durch das gewählte Mitglied kann bei persönlicher Anwesenheit in die Urkunde integriert («welche hiermit die Annahme erklärt») oder mittels separater Wahlannahmeerklärung («Die Annahmeerklärung liegt vor.») bzw. Unterzeichnung der Anmeldung belegt werden (Art. 43 Abs. 1 lit. c HRegV).

19 Mangels gegenteiliger Regelung werden die Verwaltungsratsmitglieder einzeln für eine Amtsdauer von drei Jahren gewählt (Art. 710 Abs. 2 OR; zu den Besonderheiten bei Gesellschaften mit börsenkotierten Aktien vgl. Art. 710 Abs. 1 OR).

20 Die Personenangaben sollten die eindeutige Identifizierung der gewählten Verwaltungsratsmitglieder zulassen (vgl. N. 6). Für die Erfassung der Personalien (vgl. Art. 24b und Art. 119 Abs. 1 HRegV) kann das Handelsregisteramt auf die Ausweiskopie (Art. 24a HRegV) und bei einem Vertretungsrecht auf die Beglaubigung (Art. 21 HRegV) abstellen (vgl. zur Schreibweise des Namens Art. 119 Abs. 2 HRegV).

21 Die Präsidentin des Verwaltungsrats wird nur durch die Gründungs- bzw. Generalversammlung gewählt, wenn die Statuten dies so vorsehen (Art. 712 Abs. 2 Satz 2 OR) oder die Aktien der Gesellschaft börsenkotiert sind (Art. 712 Abs. 1 Satz 1 OR). Andernfalls erfolgt die Ernennung durch den Verwaltungsrat.

22 Der Verwaltungsrat ist auch für die Einräumung der Zeichnungsberechtigungen der Verwaltungsratsmitglieder sowie der übrigen vertretungsberechtigten Personen zuständig (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 4 OR).

F. Wahl der Revisionsstelle (lit. f)

23 Wie die Mitglieder des Verwaltungsrats ist auch die Revisionsstelle durch die Gründungs- bzw. Generalversammlung zu wählen (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Folglich ist die Tatsache, dass die Revisionsstelle gewählt worden ist, in der Gründungsurkunde festzuhalten (lit. f). Zusätzlich muss der Umstand, dass die Revisionsstelle ihre Wahl angenommen hat, gegenüber dem Handelsregisteramt belegt werden (Art. 43 Abs. 1 lit. d HRegV).

24 Untersteht die Gesellschaft nicht gemäss Gesetz der ordentlichen Revision (Art. 727 Abs. 1 OR), können die Gründerinnen unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Revision und auf die Wahl einer Revisionsstelle verzichten (Art. 727a Abs. 2 OR).

In diesem Fall hat die Errichtungsurkunde den Verzicht auf die eingeschränkte Revision festzuhalten (lit. f).

25 Die hierzu erforderlichen Erklärungen sämtlicher Gründerinnen (Art. 62 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 HRegV) können direkt in der Urkunde enthalten sein, sodass sich die Einreichung eines besonderen Formulars («KMU-Erklärung») und separater Verzichtserklärungen der Aktionärinnen erübrigt (vgl. Art. 62 Abs. 3 HRegV).

26 Sehen die Statuten weitere notwendige Organe vor, sind auch diese zu bestellen und in der Urkunde zu erwähnen.

G. Erfolgte Liberierung (lit. g)

27 Als weiteren obligatorischen Inhalt der Gründungsurkunde wird «die Feststellung der Gründerinnen und Gründer nach Artikel 629 Absatz 2 OR» erwähnt (lit. g). Gemäss dieser Gesetzesbestimmung haben die Gründerinnen im Errichtungsakt festzustellen, dass (1) sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind, (2) die versprochenen Einlagen dem gesamten Ausgabebetrag entsprechen, (3) die gesetzlichen und statutarischen Anforderungen an die geleisteten Einlagen im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Errichtungsakts erfüllt sind und (4) keine anderen Sacheinlagen, Verrechnungstatbestände oder besonderen Vorteile bestehen als die in den Belegen genannten.

28 Die letztgenannte Bestätigung (Art. 629 Abs. 2 Ziff. 4 OR) ersetzt die frühere Stampa-Erklärung.

H. Belege (lit. h)

29 Die Urkundsperson muss im Errichtungsakt die Belege für die Gründung einzeln nennen und bestätigen, dass die Belege ihr und den Gründerinnen vorgelegen haben (Art. 631 Abs. 1 OR). Auch diese gesetzliche Vorgabe wird auf Verordnungsebene abgebildet (lit. h).

I. Unterzeichnung (lit. i)

30 Weiter sind die Unterschriften anzuführen: Sämtliche Gründerinnen bzw. deren Vertreter haben die Gründungsurkunde zu unterzeichnen (lit. i).

J. Umrechnungskurs (lit. j)

31 Wird das Aktienkapital in einer Fremdwährung festgelegt (EUR, GBP, JPY oder USD, vgl. Art. 45a i.V.m. Anhang 3 HRegV) oder werden Einlagen in einer anderen Währung geleistet als derjenigen des Aktienkapitals, sind nach Art. 629 Abs. 3 OR die angewandten Umrechnungskurse in der öffentlichen Urkunde anzugeben. Diese Vorgabe wird in lit. j statuiert.

K. Weitere Angaben

32 Je nach Umständen können oder müssen in der Gründungsurkunde zusätzliche Tatsachen festgehalten werden. Dadurch entfallen möglicherweise Belege, sofern diese nicht von Art. 43 HRegV ausdrücklich verlangt werden (vgl. Art. 43 Abs. 2 HRegV).

33 In Art. 44 HRegV nicht erwähnt werden der unter Umständen erforderliche Gründungsbericht (Art. 635 OR; vgl. demgegenüber zur Genossenschaft Art. 85 lit. d HRegV) und die Prüfungsbestätigung (Art. 635a OR). Dasselbe gilt für die Bankbestätigung für Einlagen in Geld sowie für Sacheinlageverträge.

34 Es handelt sich dabei um Belege der Gründungsurkunde, weshalb diese im Errichtungsakt ebenfalls angeführt werden müssen (vgl. Art. 631 Abs. 1 und 2 OR). Die entsprechenden Hinweise in der Urkunde entfallen, soweit die massgeblichen Umstände – eine qualifizierte Gründung bzw. geleistete Bar- oder Sacheinlagen – nicht vorliegen.

35 Oft wird in der Gründungsurkunde das Rechtsdomizil angegeben («Das Domizil befindet sich [Adresse und Hinweis auf eigene Büros oder Domizilhaltererklärung].»). Indessen genügt es, das Domizil in der Handelsregisteranmeldung zu erwähnen.

Literaturverzeichnis

Meisterhans Clemens/Gwelessiani Michael, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2021.

Siffert Rino/Turin Nicholas (Hrsg.), Handelsregisterverordnung (HRegV), Stämpflis Handkommentar, Bern 2013 (zit. SHK-Autor/Autorin).

Vogel Alexander, HRegV Kommentar, Orell Füssli Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2023.

Materialienverzeichnis

Eidgenössisches Amt für das Handelsregister, Fragen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des neuen Aktienrechts, Praxismitteilung 3/22 vom 19.12.2022 (zit. «Praxismitteilung EHRA 3/22»).

Fussnoten

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