-
- Art. 5a BV
- Art. 6 BV
- Art. 10 BV
- Art. 16 BV
- Art. 17 BV
- Art. 20 BV
- Art. 22 BV
- Art. 29a BV
- Art. 30 BV
- Art. 32 BV
- Art. 42 BV
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- Art. 56 BV
- Art. 60 BV
- Art. 68 BV
- Art. 75b BV
- Art. 77 BV
- Art. 96 Abs. 2 lit. a BV
- Art. 110 BV
- Art. 117a BV
- Art. 118 BV
- Art. 123b BV
- Art. 136 BV
- Art. 166 BV
-
- Art. 11 OR
- Art. 12 OR
- Art. 50 OR
- Art. 51 OR
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- Art. 143 OR
- Art. 144 OR
- Art. 145 OR
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- Art. 785 OR
- Art. 786 OR
- Art. 787 OR
- Art. 788 OR
- Art. 808c OR
- Übergangsbestimmungen zur Aktienrechtsrevision vom 19. Juni 2020
-
- Art. 2 BPR
- Art. 3 BPR
- Art. 4 BPR
- Art. 6 BPR
- Art. 10 BPR
- Art. 10a BPR
- Art. 11 BPR
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- Vorb. zu Art. 1 DSG
- Art. 1 DSG
- Art. 2 DSG
- Art. 3 DSG
- Art. 5 lit. f und g DSG
- Art. 6 Abs. 6 und 7 DSG
- Art. 7 DSG
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- Art. 11 DSG
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- Art. 19 DSG
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- Art. 23 DSG
- Art. 25 DSG
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- Art. 27 DSG
- Art. 31 Abs. 2 lit. e DSG
- Art. 33 DSG
- Art. 34 DSG
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- Art. 72a DSG
-
- Art. 2 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
- Art. 3 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
- Art. 4 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
- Art. 5 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
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- Art. 32 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
- Art. 33 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
- Art. 34 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
I. Hintergrund
1Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bundesverfassung am 1. Januar 2000 wurde Art. 75 BPR geändert. Neben einer Änderung der Verweise auf die Bundesverfassung wurde mit dieser Novelle die Möglichkeit der Teilungültigkeit einer eidgenössischen Volksinitiative formell verankert und die Bedingung der Einhaltung zwingender Regeln des Völkerrechts eingeführt: "Ebenso sind in Art. 75 Abs. 1 BPR die Verweise auf die Verfassungsbestimmungen anzupassen. Im Übrigen soll auf die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts hingewiesen werden. Der Wortlaut des Artikels verweist schließlich auf die Möglichkeit́, eine Volksinitiative gemäß Art. 139 Abs. 3 nBV teilweise für ungültig zu erklären. Der Ausdruck "wenn nötig" verdeutlicht die Bedeutung dieser Möglichkeit́: Sie stellt keine Erweiterung der Befugnisse der Behörden dar, ihr Ziel ist lediglich die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit́, auch im Bereich der Volksrechte (Art. 5 Abs. 2 nBV)".
2An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass am 1. Januar 2003 sein Mitteltitel ("Prüfung der Gültigkeit") im Rahmen einer Gesetzesänderung geändert wurde. Diese Änderung hat jedoch nichts an der Tragweite der Bestimmung geändert.
II. Bedeutung der Bestimmung
A. Allgemeines
3Art. 75 BPR übernimmt die in Art. 139 BV genannten Bedingungen für die Gültigkeit von eidgenössischen Volksinitiativen, d.h. die Einhaltung (i) der Einheit der Materie, (ii) der Einheit der Form und (iii) der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.
4Während die Bedingungen als solche aus der Bundesverfassung hervorgehen, werden in Art. 75 LDP drei wesentliche Elemente genannt:
Der Grundsatz der teilweisen Ungültigkeitserklärung (Art. 75 Abs. 1 LDP) ;
Die Definition des Grundsatzes der Einheit der Materie (Art. 75 Abs. 2 LDP), mit der Einführung des "inneren Zusammenhangs", der die gesamte zur Einheit der Materie ergangene Rechtsprechung des Bundes ausstrahlt ;
Die Definition des Grundsatzes der Einheit der Form.
5Damit handelt es sich um eine Bestimmung, die materiell gesehen bei der Prüfung der Gültigkeit einer Volksinitiative von zentraler Bedeutung ist. Davon abgesehen wurden in der Praxis nur vier eidgenössische Volksinitiativen für ungültig und eine für teilweise ungültig erklärt :
Im Jahr 2013 wurde die eidgenössische Volksinitiative "für die effektive Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)" vom Bundesparlament teilweise für ungültig erklärt: Der Satz, der die zwingenden Regeln des Völkerrechts restriktiv definiert, wurde für ungültig erklärt: "Au final, la définition que donne le ch. IV, 2e phr. E-BV die Tür für Ausweisungen und Abschiebungen öffnen, die das ius cogens im Sinne des Völkerrechts und die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts im Sinne von Art. 139 Abs. 3 BV verletzen könnten".
Die eidgenössische Volksinitiative "für eine vernünftige Asylpolitik" wurde vom Parlament am 14. März 1996 wegen Verletzung zwingender Bestimmungen des Völkerrechts für ungültig erklärt: "Wenn sie angenommen würde, würde die Initiative "für eine vernünftige Asylpolitik" die Substanz der wichtigsten multilateralen Verträge im Bereich des Flüchtlingsrechts und der Menschenrechte verletzen. Wenn nämlich illegal in die Schweiz eingereiste Asylsuchende sofort zurückgewiesen würden, ohne die Möglichkeit́ zu haben, Beschwerde einzulegen, wäre es nicht mehr möglich, ihren Fall unter dem Gesichtspunkt des Non-Refoulement-Prinzips zu prüfen. Zwar würde man einen formalen Widerspruch zwischen unserer Gesetzgebung und dem internationalen Vertragsrecht beseitigen, indem man die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter kündigt. Es bliebe jedoch eine Verletzung des zwingenden Völkerrechts bestehen, und damit wären so elementare Grundrechte wie das Recht auf Leben bedroht. Der Bundesrat teilt deshalb die Überzeugung der Staatengemeinschaft und der neuen Lehre, dass es in einem Rechtsstaat nicht möglich ist, diese Grundrechte durch eine Verfassungsrevision zu verletzen. Aus diesem Grund ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Initiative "für eine vernünftige Asylpolitik" für ungültig erklärt werden muss.
Die eidgenössische Volksinitiative "für weniger Militärausgaben mehr Friedenspolitik" wurde vom Bundesparlament am 20. Juni 1995 wegen Verletzung der Einheit der Materie für ungültig erklärt, obwohl der Bundesrat für ihre Gültigkeit plädierte: "Der in der Bundesverfassung verankerte Grundsatz der Einheit́ der Materie verlangt einen inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Teilen einer Initiative. Themen, bei denen kein innerer Zusammenhang besteht, müssen Gegenstand separater Volksinitiativen sein. Ein solcher Zusammenhang fehlt grundsätzlich zwischen der Senkung der Ausgaben für die Landesverteidigung und der Verwendung eines Teils der eingesparten Beträge für den Bereich der sozialen Sicherheit́. Angesichts der gegenwärtigen extensiven Praxis von Bundesrat und Parlament und da die Ausübung der Volksrechte nur dann eingeschränkt werden darf, wenn sich eine solche Maßnahme unzweifelhaft aufdrängt, wird die Gültigkeit́ der Initiative trotzdeḿ bejaht".
Die eidgenössische Volksinitiative "gegen Teuerung und Inflation" wurde am 16. Dezember 1977 vom Bundestag wegen Verletzung der Einheit der Materie für ungültig erklärt: "Der "innere Zusammenhang" zwischen den Bestandteilen einer Initiative wird angenommen, wenn objektive Gründe es rechtfertigen, dass sie Gegenstand einer einzigen Entscheidung des Bürgers sind". Die Initiative "gegen hohe Lebenshaltungskosten und Inflation" lässt dies nicht zu".
Die eidgenössische Volksinitiative "zur vorübergehenden Senkung der Militärausgaben (Waffenruhe)" wurde am 15. Dezember 1955 vom Bundesparlament für ungültig erklärt, obwohl der Bundesrat ihre Gültigkeit befürwortete, wobei er lediglich die Frage nach der Wahrung der Einheit der Materie stellte : "Es kann behauptet werden, dass ein innerer, wenn nicht logischer, so doch praktischer Zusammenhang besteht zwischen der Kürzung des ordentlichen Militärbudgets im Jahre 1956 (1955 kommt nicht mehr in Betracht) und dem Verbot aller ausserordentlichen Rüstungsausgaben im gleichen Jahr einerseits und der Verwendung der so erzielten Einsparungen für die angegebenen Zwecke (schweizerische Kinderwerke und Bau von Wohnungen mit bescheidenen Mieten; Wiederaufbauwerke in den vom Krieg verwüsteten Gebieten der Nachbarländer) andererseits. Wie auch aus dem Kontext hervorgeht, ist der zweite Teil der Initiative die Folge des ersten".
6Diese Zahlen von 4 vollständigen Ungültigkeitserklärungen und einer teilweisen Ungültigkeitserklärung müssen also im Verhältnis zu den 356 erfolgreichen Volksinitiativen gesehen werden, von denen 228 zur Abstimmung kamen und nur 25 angenommen wurden. Die Ungültigerklärung einer eidgenössischen Volksinitiative - im Gegensatz zu kantonalen oder kommunalen Volksinitiativen - bleibt somit weitestgehend die Ausnahme.
B. Vergleichendes kantonales Recht
7Obwohl sie nur auf eidgenössische Volksinitiativen anwendbar ist, wird die Theorie des "inneren Zusammenhangs", die in Art. 75 Abs. 2 BPR zur Definition der Einheit der Materie verankert ist, vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zur Prüfung dieser Voraussetzung für die Gültigkeit einer Initiative, die für die Kantone in Anwendung der Garantie der politischen Rechte verbindlich ist, aufgegriffen. Sie wurde zudem von mehreren kantonalen Bestimmungen übernommen, wie beispielsweise in den Kantonen Bern (Art. 141 Abs. 2 BPR/BE), Freiburg (Art. 123 Abs. 2 LEDP/FR), Neuenburg (Art. 97 Abs. 3 BPR/NE) oder auch Waadt (Art. 113 Abs. 3 LEDP/VD).
8Das Bundesgericht weist zudem darauf hin, dass die Lösung, die auf eine teilweise Ungültigkeit im Falle einer Verletzung der Einheit der Materie abzielt, zwar in Art. 75 Abs. 1 StPO verankert ist und häufig von den Kantonen übernommen wird, jedoch nicht durch das Bundesrecht vorgeschrieben ist.
9Umgekehrt stellt die Lehre klar, dass die vom Bundesgericht entwickelten Grundsätze über die Gültigkeit von kantonalen und kommunalen Initiativen auch vom Bundesparlament übernommen werden müssen, wenn es eine eidgenössische Volksinitiative prüft.
III. Kommentar
A. Die vollständige oder teilweise Ungültigkeit: die Verankerung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Abs. 1).
10 Nach Art. 75 Abs. 1 DSG gilt, dass wenn eine Volksinitiative den Grundsatz der Einheit der Materie (Art. 139 Abs. 3 und Art. 194 Abs. 2 BV), den Grundsatz der Einheit der Form (Art. 139 Abs. 3 und Art. 194 Abs. 3 BV) oder die zwingenden Regeln des Völkerrechts (Art. 139 Abs. 3, 193 Abs. 4 und 194 Abs. 2 BV), erklärt die Bundesversammlung sie ganz oder teilweise für nichtig, soweit dies erforderlich ist.
11 Grundsätzlich werden nur diese Gültigkeitsvoraussetzungen, die formell in der Bundesverfassung vorgesehen sind, geprüft. Es wird jedoch anerkannt, dass es eine zusätzliche Gültigkeitsbedingung für eine eidgenössische Volksinitiative gibt: die Nichtdurchsetzbarkeit. Dies ist die einzige ungeschriebene materielle Grenze, die für die Verfassungsprüfung zugelassen ist: "Damit eine Initiative aus diesem Grund für ungültig erklärt werden kann, müssen eindeutige materielle Gründe vorliegen, die sie zweifellos undurchführbar machen".
12 Art. 75 LDP ist somit eine Umsetzungsbestimmung für mehrere Verfassungsbestimmungen:
Die Art. 139 und 194 BV, die die Bedingungen für die Gültigkeit einer eidgenössischen Volksinitiative zur Teilrevision der Bundesverfassung enthalten.
Art. 173 Abs. 1 lit. f BV, der die Kompetenz des Bundesparlaments festschreibt, über die Gültigkeit von erfolgreichen eidgenössischen Volksinitiativen zu entscheiden.
13 Art. 75 Abs. 1 BPR bestätigt somit, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gültigkeit einer eidgenössischen Volksinitiative bei der Bundesversammlung liegt. Da sich diese in Anwendung des Prinzips des perfekten Bikameralismus aus den beiden Räten mit gleichen Kompetenzen zusammensetzt (Art. 148 Abs. 2 BV), findet Art. 98 Abs. 2 ParlG im Falle einer möglichen Meinungsverschiedenheit zwischen diesen Räten Anwendung. Nach dem Grundsatz in dubio pro populo gilt die Initiative im Falle einer Divergenz als gültig: "Weichen die Beschlüsse der Räte über die Gültigkeit einer Volksinitiative oder eines Teils davon voneinander ab und bestätigt der Rat, der die Gültigkeit anerkannt hat, seinen Beschluss, so gelten die Initiative oder die fraglichen Teile als gültig" (Art. 98 Abs. 2 ParlG).
14 Die Entscheidung der Bundesversammlung muss sich auf eine reine Rechtskontrolle beschränken. In dieser Hinsicht wird dem Parlament zur Erleichterung seiner Aufgabe eine Botschaft des Bundesrates vorgelegt, in der diese Fragen geprüft werden (Art. 97 ParlG) und die es ihm ermöglicht, einen Entscheid zu fällen.
15 Das Bundesrecht sieht nicht vor, dass es ein Anhörungsrecht der Initianten vor der Beschlussfassung durch die Bundesversammlung gibt, auch nicht nach der Einreichung der Botschaft des Bundesrates. Während das Bundesgericht entschieden hat, dass ein solches Recht im Falle eines parlamentarischen Verfahrens wie vor der Bundesversammlung nicht besteht, hat es kürzlich die Rechtsprechung weiterentwickelt und bestätigt, dass den Initianten ein Anhörungsrecht zuerkannt werden muss, wenn eine kantonale Exekutive über die Gültigkeit einer Volksinitiative entscheidet, bevor die Unterschriften gesammelt wurden. Angesichts der mehrheitlichen Lehrmeinung, die für ein Anhörungsrecht der Initianten plädiert, wäre eine Gesetzesrevision in diesem Punkt wünschenswert. Nach geltendem Recht und BGE 123 I 63, der besagt, dass die Initianten ihren Standpunkt von den verschiedenen Kräften im Parlament vorbringen lassen können, haben die Initianten jedoch (leider) kein Recht auf Anhörung vor der Beschlussfassung durch die Bundesversammlung. Dieses Fehlen ist unserer Ansicht nach angesichts des Gewichts der Botschaft des Bundesrates problematisch.
16 Schließlich ist die Entscheidung der Bundesversammlung über die Gültigkeit (oder die teilweise oder vollständige Ungültigkeit) einer Volksinitiative endgültig. Er unterliegt insbesondere nicht der Beschwerde an das Bundesgericht, da dies in keinem Bundesgesetz vorgesehen ist (Art. 189 Abs. 4 BV). Logischerweise unterliegt sie auch nicht dem Referendum (Art. 141 Abs. 1 lit. c BV). Sie wird somit in Form eines einfachen Bundesbeschlusses im Sinne von Art. 29 ParlG erlassen.
17 In Art. 75 Abs. 1 BPR ist die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips bei der Ungültigerklärung von eidgenössischen Volksinitiativen verankert (Art. 36 Abs. 3 BV). In seiner Rechtsprechung zu den Standesinitiativen stellt das Bundesgericht fest, dass selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung im kantonalen Recht die Möglichkeit einer Teilungültigkeit einer Volksinitiative aus dem Grundsatz in dubio pro populo abgeleitet wird und den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) im Bereich der politischen Rechte konkretisiert. Wenn also nur ein Teil der Initiative unzulässig (einschließlich undurchführbar) erscheint, kann der verbleibende Teil als solcher bestehen bleiben, sofern er ein zusammenhängendes Ganzes bildet, dem Willen der Initiatoren noch entsprechen kann und an sich übergeordnetes Recht beachtet. Die Ungültigkeit eines Teils der Initiative darf nur dann die Ungültigkeit des Ganzen nach sich ziehen, wenn der Text nicht gekürzt werden kann, ohne verfälscht zu werden.
18 Der Bundesrat wendet diese Grundsätze vollumfänglich an, wenn er mit einer eidgenössischen Volksinitiative konfrontiert ist, deren Teil ungültig ist: "Die Ungültigerklärung einer Initiative stellt einen schweren Eingriff in das Initiativrecht dar; sie muss daher unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit erfolgeń. Die Bundesversammlung muss sich für die am wenigsten einschneidende Lösung entscheiden, nämlich die Teilungültigkeit, sofern der gültige Teil noch einen Sinn ergibt und davon ausgegangen werden kann, dass die Initiative auch bei einer solchen Kürzung die erforderliche Zahl von Unterschriften erhalten hätte".
19 Wenn die Voraussetzungen für eine Teilungültigkeit erfüllt sind, d.h. der verbleibende Teil (i) noch ein zusammenhängendes Ganzes bildet, (ii) dem Willen der Initianten entsprechen kann und (iii) an sich übergeordnetes Recht beachtet, ist die Bundesversammlung somit verpflichtet, nur eine Teilungültigkeit vorzunehmen. Es muss jedoch klargestellt werden, dass eine Teilungültigkeit nur bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts, bei Nichtdurchsetzbarkeit oder sogar bei der Einheit der Materie möglich ist, nicht aber bei Verstößen gegen die Einheit der Form. In letzterem Fall macht die Vermischung der Formen nämlich eine andere Sanktion als die vollständige Ungültigkeitserklärung unmöglich, da nicht bestimmt werden kann, welcher Teil beibehalten werden sollte.
20 Dagegen ist die Aufspaltung einer eidgenössischen Volksinitiative bei Verletzung der Einheit der Materie mangels einer Bestimmung, die dies ausdrücklich vorsieht, unseres Erachtens - und obwohl die Frage in der Lehre umstritten ist - unmöglich. Das Bundesgericht hat nämlich entschieden, dass die Spaltung einer eidgenössischen Volksinitiative zwar im kantonalen Recht vorgesehen sein kann, aber nicht vom Bundesrecht vorgeschrieben ist. Daraus muss unserer Ansicht nach folgen, dass der Grundsatz der Verhältnismässigkeit die Aufspaltung einer Volksinitiative, die die Einheit der Materie verletzt, nicht gebietet. Die Aufspaltung kann somit im Bundesrecht nicht erfolgen, da es keine gesetzliche Grundlage gibt, die dies erlaubt. In jedem Fall muss klargestellt werden, dass bei einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie die Spaltung - selbst wenn sie im kantonalen Recht vorgesehen ist - nicht verlangt werden kann.
B. Die Einheit der Materie: der innere Zusammenhang (Abs. 2)
21 Gemäss Art. 75 Abs. 2 BPR ist die Einheit der Materie gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein innerer Zusammenhang besteht.
22 Das Erfordernis der Einheit der Materie ergibt sich aus der Garantie der politischen Rechte (Art. 34 Abs. 2 BV). Es verbietet, in ein und demselben Gegenstand, der dem Volk unterbreitet wird, mehrere Vorschläge unterschiedlicher Art oder Zielsetzung zu vermischen, die den Bürger zu einer globalen Zustimmung oder Ablehnung zwingen würden, während er möglicherweise nur mit einem Teil der ihm unterbreiteten Vorschläge einverstanden ist. Zwischen den verschiedenen Teilen eines Gegenstandes, der dem Volk vorgelegt wird, muss also eine innere Beziehung sowie eine Einheit des Zwecks bestehen, d. h. ein Zusammenhang, der die Zusammenfassung mehrerer Vorschläge in einer einzigen Abstimmungsfrage als objektiv gerechtfertigt erscheinen lässt.
23 Der Begriff "innerer Zusammenhang" in Art. 75 Abs. 2 BPR ist folgendermaßen zu interpretieren: Der Grundsatz der Einheit der Materie ist dem Begriff der Initiative selbst inhärent, da diese den Bürgern zum Zeitpunkt der Abstimmung eine klare Frage stellen muss. Das entscheidende Kriterium ist daher, ob die Initiative, so wie sie vorgeschlagen wird, den Bürgern ermöglicht, ihren wahren Willen frei zu äußern.
24 Die Tragweite des Grundsatzes der Einheit der Materie ist zudem in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich. So sind die Anforderungen an Vorlagen, die aus einer Volksinitiative hervorgehen, strenger als an solche, die von der Behörde vorgeschlagen werden, da die Regel auch verhindern soll, dass die Initiatoren Befürworter verschiedener Reformen zusammenbringen und so leichter die erforderliche Unterschriftenzahl erreichen können, wobei sie jedoch Gefahr laufen, die Volksmeinung unzutreffend wiederzugeben.
25 Eine weitere Unterscheidung kann getroffen werden: Das Erfordernis der Einheit der Materie ist bei einer vollständig ausgearbeiteten Initiative strenger als bei einer unformulierten Initiative, da letztere einen allgemeinen Vorschlag enthält, der vom Gesetzgeber noch konkretisiert werden muss.
26 Die Einheit der Materie ist ein relativer Begriff, der nach den konkreten Umständen beurteilt werden muss. Eine Initiative, die sich als eine Sammlung verschiedener Vorschläge präsentiert, die zwar alle auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind, aber so unterschiedliche Bereiche wie eine Wirtschaftspolitik, eine Steuerreform, die Entwicklung der Bildung, die Verkürzung der Arbeitszeit, die Wiedereingliederung von Arbeitslosen usw. abdecken, verstößt gegen die Regel der Einheit der Materie. Im Gegensatz dazu kann eine Volksinitiative verschiedene Mittel einsetzen, solange diese ohne Kunstgriffe mit der von den Initiatoren vertretenen Kernidee in Verbindung gebracht werden. Die Einheit der Materie ist also nicht gegeben, wenn die Initiative in Wirklichkeit ein allgemeines politisches Programm darstellt, wenn es keine ausreichend enge Beziehung zwischen den verschiedenen Vorschlägen gibt, wenn diese künstlich oder subjektiv zusammengefasst werden, wenn es keine zentrale Idee gibt, sondern zwei Projekte völlig unterschiedlicher Art, oder wenn die Mittel eher nebeneinander stehen als sich ergänzen.
27 So werden in der Praxis anhand des Kriteriums der inhärenten materiellen Beziehung zwischen den Teilen einer Initiative zugelassen:
Eine Initiative, die sich auf ein einziges Thema bezieht ;
Eine Initiative, die ein einziges Ziel verfolgt, aber eine Finanzierungsklausel vorsieht ;
Eine Initiative, die eine generell-abstrakte Regel vorschlägt und gleichzeitig eine Übergangsbestimmung für einen konkreten Fall einführt;
Eine Initiative, die ein Ziel verfolgt, mit mehreren Mitteln, um dieses Ziel zu erreichen ;
Eine Initiative mit mehreren Aspekten, die historisch oder praktisch miteinander verknüpft sind.
28 Es ist anzumerken, dass der Ansatz der Bundesbehörden weniger streng ist als der des Bundesgerichts, was sie ausdrücklich erwähnen, indem sie darauf hinweisen, dass sie über einen grossen Ermessensspielraum verfügen: "In ihrer Praxis nutzt die Bundesversammlung diesen Spielraum nach dem Grundsatz in dubio pro populo. Im Zweifelsfall entscheidet sie also zugunsten der Volksrechte und geht davon aus, dass die Einheit́ der Materie gewahrt ist. Damit will sie verhindern, dass das Initiativrecht zu stark eingeschränkt wird. Bei der Beurteilung von kantonalen Volksinitiativen wendet das Bundesgericht das Kriterium der materiellen Konnexität́ etwas strenger, aber dennoch breit an. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts heißt es, "dass der Grundsatz [der Einheit́ der Materie] relativer Natur ist und im Zusammenhang mit den besonderen Umständen betrachtet werden muss". Die Stimmberechtigten können sich nicht auf ein verfassungsmäßiges Recht berufen, dass ihnen bestimmte Teile einer Vorlage (z. B. besonders wichtige Teile) gesondert unterbreitet werden. Da die Beurteilung von eidgenössischen Volksinitiativen letztlich der Bundesversammlung obliegt, ist die oben erwähnte Rechtsprechung nicht direkt anwendbar".
29 Die Bundesversammlung hat beispielsweise die Volksinitiative "Stopp der Überbevölkerung - Ja zur nachhaltigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen" für gültig erklärt, obwohl der Text eine Begrenzung der Wohnbevölkerung mit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit vermischte: Die Existenz einer inneren Verbindung zwischen diesen beiden Ideen ist zumindest fraglich.
30 So interpretiert, wird der Grundsatz der Einheit der Materie auf Bundesebene nur auf offensichtliche Verletzungen der Einheit der Materie angewendet.
31 Das Paradebeispiel für eine unzulässige Initiative ist die Volksinitiative "politisches Programm" nach dem Vorbild der Initiative "gegen hohe Lebenshaltungskosten und Inflation", die ein wirtschaftspolitisches Maßnahmenpaket vorsah und wegen Verstoßes gegen die Einheit der Materie für ungültig erklärt wurde: "Das "innere Verhältnis" zwischen den Bestandteilen einer Initiative wird angenommen, wenn objektive Gründe es rechtfertigen, dass sie Gegenstand einer einzigen Entscheidung des Bürgers sind. Die Initiative "gegen hohe Lebenshaltungskosten und Inflation" lässt dies nicht zu".
C. Die Einheit der Form: Das Verbot von Vermischungen (Abs. 3)
32 Nach Art. 75 Abs. 3 BPR ist die Einheit der Form gewahrt, wenn die Initiative ausschließlich in Form eines allgemein gehaltenen Vorschlags oder ausschließlich in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht wird.
33 Bei einem allgemein gehaltenen Vorschlag wird die gesetzgebende Behörde beauftragt, einen Entwurf auszuarbeiten, der das Ziel der Initiative konkretisiert, während der ausgearbeitete Entwurf bereits einen ausgearbeiteten und für die Behörden unantastbaren Text enthält.
34 Diese Bestimmung bedarf somit kaum einer weiteren Erläuterung. Sie legt den Grundsatz fest, dass man zwischen einem vollständig ausgearbeiteten Text oder einem allgemein gehaltenen Vorschlag wählen kann. Sie verbietet eine Vermischung der beiden Möglichkeiten.
35 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass eine Verletzung der Einheitlichkeit der Form konkret kaum denkbar ist, da der allgemein formulierte Vorschlag sehr weit gefasst ist. So kann selbst ein präziser Text so qualifiziert werden. In Betracht kommt lediglich ein Text, der "sowohl Elemente enthält, die nur endgültig sein können, als auch solche, die es im Hinblick auf den Grad ihrer legistischen Vollkommenheit nicht sein können".
36 Die Bundesversammlung hat eine Initiative wegen Verletzung der Einheit der Form nur einmal für ungültig erklärt, nämlich 1955, als sie die Initiative "zur vorübergehenden Senkung der Militärausgaben (Waffenruhe)" für ungültig erklärte, weil sie sich auf mehrere Haushaltsjahre bezog. Die Lehre stellt jedoch fest, dass es sich dabei keineswegs um ein Problem der Einheit der Form handelte.
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