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SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Entstehungsgeschichte
- II. Kommentar i.e.S.
- Empfohlene weiterführende Lektüre
- Zu den Autoren
- Materialien
- Literaturverzeichnis
I. Entstehungsgeschichte
1 Die Bestimmung von Art. 117a BV zur «Medizinischen Grundversorgung» geht in ihren Ursprüngen auf die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» zurück, die am 27.04.2010 zustande kam.
2 Der Bundesrat erachtete die Hausarztmedizin zwar ebenfalls als einen wichtigen Pfeiler der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung, lehnte die Volksinitiative aber aus anderen Gründen ab. Zusammengefasst war er der Ansicht, dass die Forderungen der Initiantinnen und Initianten zum einen auf Gesetzes- und Verordnungsebene bereits eingelöst seien, und dass zum anderen hinsichtlich anderer Forderungen bereits Massnahmen eingeleitet oder vorgesehen seien.
3 Dennoch anerkannte der Bundesrat einen grundsätzlichen Handlungsbedarf und gestand sich zu, dass es einen direkten Gegenentwurf brauchte.
4 Neben dem Kompromiss in der Formulierung der Verfassungsbestimmung erwies sich auch der Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» als bedeutend für den Rückzug der Initiative.
5 In der Volksabstimmung vom 18.05.2014 wurde der direkte Gegenentwurf mit einem Ja-Stimmen-Anteil von mehr als 88% und von allen Ständen angenommen.
II. Kommentar i.e.S.
A. Medizinische Grundversorgung und Hausarztmedizin (Abs. 1)
1. Kompetenzordnung und Fokus
6 Bund und Kantone haben den programmatischen Gehalt
7 Auch wenn die Bestimmung die bisherige Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen nicht tangiert, respektive Art. 117a Abs. 1 BV die bundesstaatlichen Kompetenzen im Bereich der Gesundheitsversorgung nicht verschieben wollte, so dürfte sie dennoch einen Einfluss auf die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben und das entsprechende Gefüge in der schweizerischen Gesundheitsversorgung haben:
2. Ausreichender Zugang zu medizinischer Grundversorgung von hoher Qualität (Abs. 1, Satz 1)
a. «Medizinische Grundversorgung»
8 Beim Begriff der medizinischen Grundversorgung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.
9 Es ist insbesondere Gächter und Renold-Burch zu verdanken, dass der Begriff «Medizinische Grundversorgung» mittlerweile schärfere Konturen erhalten hat. Deren überzeugende Auslegung nach Begriffselementen, fachpersonenbezogenen und bedarfsspezifischen Kriterien sowie über internationale Begriffe und Konzepte hat sich etabliert und vermittelt in der Gesamtschau ein gutes Verständnis davon, was alles unter medizinischer Grundversorgung zu verstehen ist.
10 Es sind vorab zwei Begriffselemente zu unterscheiden: Die (medizinische) Gesundheitsversorgung einerseits und die Grundversorgung andererseits. Die Gesundheitsversorgung betrifft die institutionelle Seite des Gesundheitswesens, also die Planung, den Bau und den Betrieb, namentlich von stationären Gesundheitseinrichtungen, aber auch den ambulanten Bereich im Sinne des Betriebs von Arztpraxen und ambulanten Gesundheitszentren. Auch wenn letzterer Bereich vorwiegend und traditionell privatwirtschaftlich organisiert ist, lässt sich eine gewisse Tendenz feststellen, dass immer öfters etwa öffentlich-rechtliche Spitäler in den ambulanten Bereich vordringen und beispielsweise ambulante Gesundheitszentren betreiben.
11 Der Begriff der Grundversorgung ist nach hier vertretener Ansicht und mit Blick auf die Botschaft des Bundesrates zur Hausarztmedizin so zu verstehen, dass Leistungen der Grundversorgung zwar über die minimale medizinische Hilfe, auf die eine Person in einer Notlage gestützt auf Art. 12 BV Anspruch hat, hinausgehen. Dennoch können nicht unbegrenzt unter diesem Titel sämtliche Arten medizinischer Leistungen in Anspruch genommen werden. Vielmehr ist wohl bereits dort eine Grenze zu ziehen, wo in freien Berufen tätige Fachspezialisten Behandlungen übernehmen (müssen) oder medizinische Leistungsangebote aus anderen Gründen nur noch in konzentrierter bzw. spezialisierter Form angeboten werden (können). Beispielhaft schliesst etwa auch die Botschaft in diesem Sinne Leistungen von der medizinischen Grundversorgung aus, die nur vereinzelt bestehen (z.B. Behandlung von sehr selten auftretenden Krankheiten) oder solche, die aus anderen Gründen lediglich in konzentrierter Form angeboten werden können (u.a. Verfügbarkeit von auf einzelne Krankheitsbilder gerichtetem Spezialwissen der Leistungserbringer, Qualitäts- und Sicherheitserfordernisse z.B. im Bereich hochspezialisierter Medizin, hohe technische Anforderungen oder finanzielle Auswirkungen).
12 In der Botschaft zu seinem direkten Gegenentwurf konkretisiert der Bundesrat den Begriff «Medizinische Grundversorgung» zunächst berufsgruppenspezifisch und ordnet diesem neben den Hausärztinnen und Hausärzten auch Pflegefachpersonen, Apothekerinnen und Apotheker, Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie klinische Psychologinnen und Psychologen zu.
13 Sodann legt der Bundesrat den Begriff bedarfsspezifisch und dementsprechend funktional
14 Schliesslich tendieren Gächter und Renold-Burch dazu, die «Medizinische Grundversorgung» mit dem englischen Begriff der «Primary Health Care», also der primären Gesundheitsversorgung, gleichzusetzen.
b. Programmatische Verpflichtung von Bund und Kantonen
15 Art. 117a Abs. 1 BV sieht vor, dass Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine medizinische Grundversorgung zu sorgen
16 Zunächst ist vorgesehen, dass die medizinische Grundversorgung «allen zugänglich» zu sein hat. Das Kriterium der Zugänglichkeit ist geografisch, finanziell und auch zeitlich zu verstehen
17 Dass die medizinische Grundversorgung sodann «von hoher Qualität» sein muss, hat Auswirkungen in dreierlei Hinsicht. Erstens haben Bund und Kantone dafür zu sorgen, dass die in der medizinischen Grundversorgung engagierten Gesundheitsfachpersonen über eine gut aufeinander abgestimmte Aus- und Weiterbildung verfügen. Gemäss bundesrätlicher Botschaft zur Hausarztmedizin bedingt eine hohe Qualität des Weiteren, dass die Leistungen in gegenseitiger Abstimmung und Vernetzung erfolgen. Schliesslich greift die Bestimmung auch auf individueller Ebene und verlangt eine hohe Qualität der Leistungserbringung durch die einzelnen Leistungserbringerinnen und -erbringer.
18 Was unter dem Kriterium «ausreichend» zu verstehen ist, lässt sich der bundesrätlichen Botschaft zur Hausarztmedizin nicht explizit entnehmen. Immerhin wird dort bei den Ausführungen zur Qualität festgehalten, dass die Leistungen in «notwendigem Ausmass» angeboten werden müssen.
3. Anerkennung und Förderung der Hausarztmedizin (Abs. 1, Satz 2)
19 Neben der programmatischen Verpflichtung von Bund und Kantonen, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität zu sorgen (Art. 117a Abs. 1 Satz 1 BV), verpflichtet Art. 117a Abs. 1 Satz 2 BV auch dazu, die Hausarztmedizin als einen wesentlichen Bestandteil dieser Grundversorgung anzuerkennen und zu fördern. Die explizite Nennung der Hausarztmedizin als Teil der medizinischen Grundversorgung soll deren Bedeutung als eigentliches Rückgrat der ärztlichen Grundversorgung hervorheben. Damit erfüllt Art. 117a Abs. 1 Satz 2 BV den an Bund und Kantone gerichteten Auftrag, die Hausarztmedizin anzuerkennen, gleich selbst. Allerdings geht aus dem Wortlaut der Bestimmung auch hervor, dass die medizinische Grundversorgung nicht nur von der Hausarztmedizin gewährleistet wird, sondern auch andere Berufsgruppen – seien es ärztliche oder nicht-ärztliche – ihren Beitrag leisten.
20 Die Bedeutung des Begriffs der Hausarztmedizin war während langer Zeit unklar. In den bundesrätlichen Botschaften zur Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» und zur Revision des Medizinalberufegesetzes wurde die Begrifflichkeit dann aber griffig definiert.
21 Das entsprechende Begriffsverständnis hat mittlerweile auch Eingang ins Gesetz gefunden. Letztlich wurde damit einem berechtigten Anliegen der Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» Rechnung getragen.
22 Überdies handelt es sich bei der Hausarztmedizin um eine von zwei Ausrichtungen (die andere ist diejenige als Spitalinternistin oder Spitalinternist), die im Rahmen der Weiterbildung zur Erlangung des Weiterbildungstitels «Allgemeine Innere Medizin» eingeschlagen werden kann.
23 Als gesichert kann schliesslich gelten, dass die Leistungen der Personen mit den Weiterbildungstiteln Allgemeine Innere Medizin (vormals Allgemeinmedizin und Innere Medizin), praktische Ärztin oder Arzt sowie Kinder- und Jugendmedizin zur Hausarztmedizin zu zählen sind. Es handelt sich hierbei um diejenigen Personen, die bei der Wiedereinführung des sog. Zulassungsstopps gemäss Art. 55a KVG im Jahr 2013 von der Zulassungsbeschränkung ausgenommen waren
B. Gesetzgebungsaufträge an den Bund (Abs. 2)
1. Allgemeiner Regelungsgehalt und Kompetenzordnung
24 Während der Auftrag an Bund und Kantone gemäss Art. 117a Abs. 1 BV rein programmatischer Natur ist, erteilt Art. 117a Abs. 2 BV dem Bund einen Gesetzgebungsauftrag und damit die Pflicht, im Bereich der Aus- und Weiterbildung und der Berufsausübung sowie hinsichtlich der Abgeltung der Leistungen der Hausarztmedizin regulatorisch tätig zu werden.
2. Berufe der medizinischen Grundversorgung
25 Was den Begriff der medizinischen Grundversorgung betrifft, ist auf die obenstehenden Ausführungen zu verweisen.
3. Vorschriften über die Aus- und Weiterbildung und die Berufsausübung (lit. a)
26 Wie zuvor dargelegt, räumt Art. 117a Abs. 2 lit. a BV dem Bund eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Aus- und Weiterbildung der Berufe der medizinischen Grundversorgung ein.
27 Der Bund ist seiner Verpflichtung mit dem Erlass des Medizinalberufegesetzes (MedBG) und des Psychologieberufegesetzes (PsyG) bereits nachgekommen und hat für die Bestimmungen in diesen beiden Erlassen nachträglich eine (zusätzliche) Verfassungsgrundlage geschaffen. Im Bereich der Gesundheitsberufe hat er den Verfassungsauftrag mit Erlass des Gesundheitsberufegesetzes (GesBG)
4. Angemessene Abgeltung der Leistungen der Hausarztmedizin (lit. b)
28 Mit der Verpflichtung des Bundes, Vorschriften über eine angemessene Abgeltung der Leistungen der Hausarztmedizin zu schaffen, wurde eine, wenn nicht die zentrale Forderung der Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» erfüllt. Immerhin war die finanzielle Benachteiligung der Hausarztmedizin gegenüber dem Fachspezialistinnen und Fachspezialisten einer der Hauptgründe für deren Lancierung.
29 Die Abgeltung erfolgt nicht über ein System von Direktzahlungen. Vielmehr wurde ein Weg über eine entsprechende Ausgestaltung der sozialversicherungsrechtlichen Tarifstrukturen und Preislisten, wie den TARMED und die Analysenliste, gefunden.
Empfohlene weiterführende Lektüre
Burch Stephanie, Staatliche Gesundheitsförderung und Prävention, Zürich/Basel 2014.
Gutzwiller Felix/Jeanneret Olivier (Hrsg.), Sozial- und Präventivmedizin Public Health, 2. Aufl., Bern 1999.
Landolt Hardy, Öffentliches Gesundheitsrecht, Public Health Law, Zürich/St. Gallen 2009.
Müller Markus, Zwangsmassnahmen als Instrument der Krankheitsbekämpfung, Basel 1992.
Poledna Tomas/Berger Brigitte, Öffentliches Gesundheitsrecht, Bern 2002.
Poledna Tomas/Kieser Ueli (Hrsg.), Gesundheitsrecht, in: Band VIII – Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR) von Koller Heinrich/Müller Georg/Rhinow René/Zimmerli Ulrich (Hrsg.), Basel 2005.
Schwendener Myriam, Krankheit und Recht, Zürich/Basel 2008.
Wolf Salome/Mona Martino/Hürzeler Marc (Hrsg.), Prävention im Recht, Basel 2008.
Zu den Autoren
Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. Ralph Trümpler studierte an den Universitäten Freiburg i.Ü., Zürich und Luzern. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit im Bereich des Staatsrechts war er als Gerichtsschreiber an verschiedenen Verwaltungsgerichten tätig und spezialisierte sich als Rechtsanwalt auf öffentliches Recht. Seit 2018 ist er Dozent, und seit 2023 Professor für Verwaltungsrecht an der Kalaidos Law School. Bei Rudin Cantieni Rechtsanwälte AG betreut er Mandate im Bereich des Staats- und Verwaltungsrechts sowie im öffentlichen Wirtschaftsrecht.
Rechtsanwalt Dr. iur. Gregori Werder ist in der Anwaltskanzlei Werder Viganò AG beratend und prozessierend in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Rechts tätig, mit Fokus auf dem öffentlichen Gesundheitsrecht, Krankenversicherungsrecht und Personalrecht. Darüber hinaus gibt er regelmässig Schulungen zu öffentlich-rechtlichen Themen und führt verschiedentlich Lehraufträge aus.
Die Autoren freuen sich über Anregungen und Hinweise per E-Mail auf truempler@rudincantieni.ch und/oder g.werder@wvlaw.ch.
Materialien
Bekanntmachung der Departemente und der Ämter zum Zustandekommen der Eidgenössischen Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» vom 27. April 2010, BBl 2010, S. 2939 ff.
Bekanntmachung der Departemente und der Ämter zum Rückzug der Eidgenössischen Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» vom 27. April 2010, BBl 2013, S. 7989.
Botschaft zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» vom 16. September 2011, BBl 2011, S. 7553 ff. (zit. BBl 2011 7553).
Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 vom 18. August 2014, BBl 2014, S. 6346 ff. (zit. BBl 2014 6346).
Botschaft zur Änderung des Medizinalberufegesetzes (MedBG) vom 3. Juli 2013, BBl 2013, S. 6205 ff.
Literaturverzeichnis
Biaggini Giovanni, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl., Zürich 2017.
Gächter Thomas, Was ist «medizinische Grundversorgung»?, Pflegerecht 2015, S. 101 ff.
Gächter Thomas/Filippo Martina, Stärkt der neue «Grundversorgungsartikel» der schweizerischen Bundesverfassung das «Recht auf Gesundheit»?, Bioethica Forum, 8(3):85–89.
Gächter Thomas/Renold-Burch Stephanie, in: Waldmann Bernhard/Belser Eva Maria/Epiney Astrid (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesverfassung, Basel 2015.
Gächter Thomas/Renold-Burch Stephanie, Rechtsgutachten zur Tragweite von Art. 117a Abs. 2 lit. a BV für die Gesundheitsberufe, 12. Mai 2015.
Gächter Thomas/Rütsche Bernhard, Gesundheitsrecht, 4. Aufl., Basel 2018.
Gächter Thomas/Werder Gregori, Gesundheitsberufe 2020 – eine stille Revolution?, Pflegerecht 2019, S. 2 ff.
Filippo Martina, Angemessene Abgeltung der Leistungen nur für die Hausarztmedizin?, Pflegerecht 2015, S. 107 ff.
Kahil-Wolff Hummer Bettina, in: Martenet Vincent/Dubey Jacques, Constitution fédérale, Art. 81 Cst. – dispositions finales, Basel 2021.
Kaufmann Marianne, Was muss oder soll der Bund bei den Berufen der medizinischen Grundversorgung regeln?, Pflegerecht 2015, S. 104 ff.
Tschudi Peter, Geschichte der Hausarztinitiative bis zum Grundversorgungsartikel, Pflegerecht 2015, S. 95 ff.