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Kommentierung zu
Art. 32a BPR
defriten

I. Entstehungsgeschichte

1 Art. 32a wurde mit der Revision von 2014 neu ins BPR aufgenommen.

Mit dem ständigen Anwachsen der Zahl von Listen und Kandidaturen bei den Nationalratswahlen wachse das Risiko, dass Mehrfachkandidaturen nicht mehr rechtzeitig entdeckt würden, hielt der Bundesrat in der Botschaft fest.
Zur Sicherstellung einer korrekten Proporzwahl soll deshalb auch die nachträgliche Ungültigerklärung von Mehrfachkandidaturen ermöglicht werden.

II. Bedeutung der Vorschrift

A. Allgemeines

2 Die Bestimmung regelt, wie mit (innerkantonalen und überkantonalen) Mehrfachkandidaturen umzugehen ist, die erst nach Ablauf der Bereinigungsfrist (Art. 29 BPR) entdeckt werden. Sie erlaubt die nachträgliche Ungültigerklärung derartiger Kandidaturen auf allen betroffenen Listen. Durch die Ermöglichung einer nachträglichen amtlichen Streichung soll verhindert werden, dass unbemerkte Doppelkandidaturen die korrekte Zuordnung aller Stimmen vereiteln könnten.

Gemäss Art. 38 Abs. 2 Buchstabe b BPR sind bei der Ausmittlung der Wahl alle Namen von Personen, deren Kandidatur wegen Mehrfachkandidatur nachträglich für ungültig erklärt worden ist, von den Wahlzetteln zu streichen (vgl. hierzu im Weiteren die Ausführungen zu Art. 38 BPR).

B. Rechtsvergleich

3 Die meisten Kantone kennen in ihrem Parlamentswahlrecht keine entsprechenden Regeln. Dass Mehrfachkandidaturen erst nach Ablauf der Bereinigungsfrist entdeckt werden, dürfte bei kantonalen Parlamentswahlen kaum vorkommen und daher kein regulierungsbedürftiges Problem darstellen. Eine Ausnahme bildet der Kanton Graubünden, der bei den Grossratswahlen die nachträgliche Streichung von nach der Bereinigungsfrist entdeckten Mehrfachkandidaturen explizit vorsieht.

III. Ungültigerklärung von Kandidaturen

A. Nachträglich entdeckte Mehrfachkandidaturen (Abs. 1)

4 Die Bestimmung erlaubt die Ungültigerklärung von Mehrfachkandidaturen, welche erst nachträglich entdeckt werdendas heisst: nach Ablauf der Bereinigungsfrist von Art. 29 Abs. 4 BPR, dem Zeitpunkt, nach welchem Wahlvorschläge grundsätzlich nicht mehr geändert werden können.Die nachträgliche Streichung erfolgt durch die kantonale Wahlbehörde, wenn dieselbe Person auf mehr als einer Liste des Kantons steht (Buchstabe a). Sie erfolgt durch die Bundeskanzlei, wenn dieselbe Person auf Listen aus mehreren Kantonen kandidiert (Buchstabe b).

5 Die Regeln betreffend die Streichung von mehrfach Vorgeschlagenen vor Ablauf der Bereinigungsfrist finden sich in Art. 27 BPR. Wegen Mehrfachkandidatur Gestrichene haben hier noch die Möglichkeit als Ersatzvorschlag im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BPR auf einem einzigen Wahlvorschlag wiederum nominiert zu werden. Eine nachträgliche Streichung von mehrfach Kandidierenden gemäss Art. 32a BPR ist dagegen endgültig, hier sind keine Ersatzvorschläge mehr möglich.

6 Die Bestimmung ist noch nie zur Anwendung gekommen. Bei den Nationalratswahlen 2019, der ersten Wahl seit Inkrafttreten der Norm, wurde nach Angaben der Bundeskanzlei keine Mehrfachkandidatur nachträglich entdeckt.

B. Mitteilung (Abs. 2)

7 Die Bestimmung verlangt, dass die betroffenen Kantone und die Bundeskanzlei sich über die nachträgliche Ungültigerklärung von Kandidaturen umgehend informieren.

C. Streichung vor Bekanntgabe (Abs. 3)

8 Die Bestimmung ist noch nie zur Anwendung gekommen. Bei den Nationalratswahlen 2019 und 2023 wurden nach Angaben der Bundeskanzlei keine innerkantonalen oder überkantonalen Mehrfachkandidaturen nachträglich entdeckt.

D. Nach Bekanntgabe (Abs. 4)

9 Die Ungültigerklärung einer Kandidatur auf bereits bekannt gemachten Listen ist – zur Information der Wahlberechtigten – unter Angabe des Grundes (nachträglich erkannte Mehrfachkandidatur) umgehend elektronisch sowie im Amtsblatt aller betroffenen Kantone und im Bundesblatt zu veröffentlichen.

Materialienverzeichnis

Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 29.11.2013 (BBl 2013 9217).

Fussnoten

  • AS 2015 543; BBl 2013 S. 9217.
  • BBl 2013 S. 9217, S. 9218.
  • BBl 2013 S. 9217, S. 9239.
  • Art. 14 Abs. 5 Gesetz des Kantons Graubünden vom 16.2.2021 über die Wahl des Grossen Rates (GRWG/GR, SG 150.400).

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DOI (Digital Object Identifier)

10.17176/20240512-144011-0

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