Eine Kommentierung von Loris Baumgartner / Marco Hurni
Herausgegeben von Marianne Johanna Lehmkuhl / Jan Wenk
Vorteilsgewährung
Art. 322quinquies
Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee im Hinblick auf die Amtsführung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
I. Vorbemerkungen
1 Die Straftatbestände der Vorteilsgewährung und -annahme gemäss Art. 322quinquies f. StGB regeln das sogenannte Anfüttern durch unspezifische "Geschenke" und "Goodwill-Zahlungen", welche nicht direkt mit einer Amtshandlung in Verbindung stehen, sondern lediglich im Hinblick auf eine solche gewährt werden.
II. Geschütztes Rechtsgut
2 Das geschützte Rechtsgut ist identisch mit demjenigen der aktiven Amtsträgerbestechung (vgl. OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 1 ff.).
III. Beteiligte Personen
3 Täter der Vorteilsgewährung kann jedermann sein (vgl. die Auflistung bei OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 6 ff.). Taugliche Vorteilsadressaten sind wiederum die Amtsträger (vgl. OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 10 ff.).
IV. Ungebührlicher Vorteil
4 Der Begriff des ungebührlichen Vorteils entspricht demjenigen der aktiven Amtsträgerbestechung (vgl. OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 24 ff.).
V. Tathandlung
5 Die Tathandlung besteht aus einem Anbieten, Versprechen oder Gewähren des ungebührlichen Vorteils (vgl. OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 38 ff.)
VI. Im Hinblick auf die Amtsführung
6 Im Rahmen des Tatbestands der Vorteilsgewährung ist ein modifiziertes Äquivalenzverhältnis vorausgesetzt:
7 Mit anderen Worten bezweckt der Tatbestand der Vorteilsgewährung, die Klimapflege zu einem Amtsträger unter Strafe zu stellen. Eine solche liegt vor, wenn der gewährte Vorteil das Ziel hat, den Amtsträger allgemein dem Vorteilsabsender gewogen zu machen.
8 Der gewährte Vorteil muss geeignet sein, auf die zukünftige Amtsführung Einfluss zu nehmen.
VII. Subjektiver Tatbestand
9 In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich, wobei Eventualvorsatz ausreicht.
VIII. Konkurrenzen
10 Art. 322quinqiues und Art. 322sexies sind spiegelbildlich ausgestaltet, daher ist eine Teilnahme oder Mittäterschaft am Gegendelikt nicht möglich.
11 Vgl. OK-Baumgartner/Hurni, Art. 322ter N. 58 bezüglich Verhältnis zu Art. 322quinquies.
Literaturverzeichnis
Hilti Martin, Kommentierung zu Art. 322quinquies StGB, in: Graf Damian K. (Hrsg.), Annotierter Kommentar StGB, Bern 2020.
Jositsch Daniel, Das Schweizerische Korruptionsstrafrecht, Zürich 2004.
Pieth Mark, Kommentierung zu Art. 322quinquies StGB, in: Niggli Marcel Alexander/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, StGB II, 4. Aufl., Basel 2019.
Pieth Mark, Korruptionsstrafrecht, in: Ackermann Jürg (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2021, S. 803-846.
Fussnoten
- Vgl. dazu BSK-Pieth, Art. 322quinquies StGB N. 1 ff.; siehe auch Pieth, § 22 N. 56; Jositsch, S. 248.
- BGer 6B_391/2017 vom 11.1.2018 E. 5.3.1; BSK-Pieth, Art. 322quinquies StGB N. 9.
- BSK-Pieth, Art. 322quinquies StGB N. 9.
- BGE 135 IV 198 E. 6.2; BGer 6B_391/2017 vom 11.1.2018 E. 5.3.1; BGer 6P.39/2004 vom 23.7.2004 E. 6.3; BStGer SK.2019.25 vom 04.6.2019 E. 2.1.1; AK-Hilti, Art. 322quinquies StGB N. 11.
- BStGer SK.2015.12 vom 15.9.2015 E. 5.1.
- AK-Hilti, Art. 322quinquies StGB N. 11.
- BSK-Pieth, Art. 322quinquies StGB N. 9 m.w.H.
- BStGer SK.2015.12 vom 15.9.2015 E. 5.1.
- AK-Hilti, Art. 322quinquies N. 18.
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