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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
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ZIVILGESETZBUCH
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BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Definition des Gesamtschuldverhältnisses
- II. Unterscheidung
- III. Ursprung
- IV. Rechtsfolgen
- Bibliografie
I. Definition des Gesamtschuldverhältnisses
1 Ein Gesamtschuldverhältnis umfasst auf der Seite der Schuldner mindestens zwei Gesamtschuldner. Der Gläubiger kann nicht nur die teilweise Erfüllung eines Schuldverhältnisses, sondern auch die vollständige Erfüllung der gesamten Schuld jedes einzelnen Gesamtschuldners verlangen (Art. 144 Abs. 1 OR). Alle Schuldnerinnen und Schuldner bleiben in der Pflicht, bis die gesamte Forderung getilgt ist (Art. 144 Abs. 2 OR). Es liegt im Ermessen des Gläubigers, gegen welchen Schuldner und in welchem Umfang er die Forderung geltend macht. Der interne Ausgleich unter den Gesamtschuldnern hat keinen Einfluss auf die Forderung des Gläubigers. Der Gläubiger darf jedoch nicht mehr als die volle Leistung insgesamt erhalten. Die vollständige oder teilweise Befriedigung der Gläubigerin oder des Gläubigers durch eine Gesamtschuldnerin oder einen Gesamtschuldner befreit die anderen in gleichem Masse (Art. 147 OR).
2 Die Gläubigerin oder der Gläubiger kann von jeder Gesamtschuldnerin oder jedem Gesamtschuldner gleichzeitig die volle Leistung verlangen. Es bestehen also mehrere Einzelforderungen gegen jeden Schuldner. Aufgrund des oben erwähnten Grundsatzes, dass der Gläubiger nur bis zur vollen Leistung befriedigt werden darf, konkurrieren die Ansprüche miteinander ("Anspruchskonkurrenz"). Trotz der Vielzahl der Forderungen werden sie im Vermögen des Gläubigers effektiv nur als ein einziger Posten ausgewiesen. Diese Forderungskonkurrenz hindert den Gläubiger nicht daran, über jede Forderung gegen jeden Gesamtschuldner einzeln zu verfügen. Der Gläubiger kann nach seinem Ermessen eine Forderung abtreten, die Schuld eines einzelnen Gesamtschuldners erlassen oder ihm eine Stundung gewähren. Eine Mahnung und ein Verzug betreffen nur den angesprochenen Gesamtschuldner. Jede Forderung hat ihr eigenes rechtliches Schicksal.
3 Zur Unterscheidung zwischen vollkommener und unvollkommener Gesamtschuldnerschaft durch das Bundesgericht, Art. 143 ff. OR nur die vollkommene Solidarhaftung, bei der zwei oder mehrere Personen gemeinsam einen Schaden verursacht haben und folglich solidarisch haften (Art. 50 OR). In Analogie dazu sind die meisten Bestimmungen der Art. 143 ff. OR sind sinngemäss auch auf Fälle anwendbar, in denen mehrere Schuldner für denselben Schaden, aber aus verschiedenen Rechtsgründen haften (unvollkommene Solidarhaftung, Art. 51 OR).
II. Unterscheidung
4 Die Gesamtschuldnerschaft ist von anderen Rechtsverhältnissen mit mehreren Schuldnern zu unterscheiden.
5 Bei einer Gruppe von Teilschuldnern kann von jedem Schuldner nur eine Teilleistung verlangt werden. Anders als beim Gesamtschuldverhältnis kann der Gläubiger nicht die volle Leistung eines einzelnen Teilschuldners verlangen, sondern nur die individuell geschuldete Teilleistung dieses Schuldners.
6 Beim Bürgschaftsvertrag (Art. 492 ff. OR) stehen dem Gläubiger ein Hauptschuldner und ein Bürge gegenüber. Während der Hauptschuldner sich verpflichtet, seine Verpflichtung zu erfüllen, haftet der Bürge nur, wenn über den Hauptschuldner entweder der Konkurs eröffnet wird, er eine Nachlassstundung erhält oder der Gläubiger ein Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet hat, das zur Ausstellung eines definitiven Verlustscheins geführt hat (einfache Bürgschaft, Art. 495 OR). Mit der Formulierung "gesamtschuldnerisch" oder einer gleichwertigen Formulierung kann eine Person eine selbstschuldnerische Bürgschaft eingehen. Der Gläubiger kann den Bürgen bereits in Anspruch nehmen, bevor über den Hauptschuldner der Konkurs eröffnet wird. Der Bürge haftet für die volle Leistung, wenn der Hauptschuldner mit seiner Schuld in Verzug geraten ist und gemahnt wurde (Art. 496 OR). Im Gegensatz zum Gesamtschuldverhältnis ist die Bürgschaft also nur subsidiär zur Hauptschuld. Ein weiterer Unterschied liegt in der Akzessorietät der Bürgschaft. Mit dem Wegfall der Hauptschuld, etwa durch einen Freispruch, entfällt auch die Bürgschaft.
7 Wer sich für eine Leistung eines Dritten verbürgt, haftet auf Schadenersatz für die Nichterfüllung durch diesen Dritten (Art. 111 OR). Im Gegensatz zum Bürgschaftsvertrag ist die Bürgschaft nicht akzessorisch zur Hauptschuld. Anders als beim Gesamtschuldverhältnis führt die Nichterfüllung des Hauptschuldners nur zu einem Schadenersatzanspruch des Gläubigers gegen die Bürgschaft und nicht zu einem Anspruch auf vollständige Erfüllung der ursprünglichen Verpflichtung.
III. Ursprung
A. Durch Willenserklärung
8 Ein Gesamtschuldverhältnis kann durch Willenserklärung entstehen. Dabei verspricht jeder Schuldner dem Gläubiger, die gesamte Schuld einzeln zu erfüllen (Art. 143 Abs. 1 OR). Die Willenserklärung kann ausdrücklich abgegeben werden, indem jeder Schuldner für die gesamte Leistung haftet (z.B. "débiteurs solidaires", "débiteurs pour le tout" oder "einer für alle, alle für einen"). Sie ist nicht an eine bestimmte Form gebunden (vgl. Art. 11 Abs. 1 OR).
9 Unter bestimmten Umständen kann ein Verhalten, das eine solche Willenserklärung impliziert, ebenfalls eine gesamtschuldnerische Verpflichtung nach dem Vertrauensgrundsatz begründen. Allein die Tatsache, dass eine Gruppe von Schuldnern gemeinsam einen Vertrag geschlossen hat, begründet für sich genommen noch kein Gesamtschuldverhältnis. In der Praxis ist die gemeinsame Unterzeichnung eines Vertrages jedoch ein erhebliches Indiz. Im Zweifelsfall wird stattdessen ein Teilschuldverhältnis angenommen. Die Beweislast liegt also beim Gläubiger, wenn er die volle Leistung eines vermeintlichen Gesamtschuldners verlangt (vgl. Art. 8 CC). Beispiele aus der Rechtsprechung, bei denen das Gericht eine gesamtschuldnerische Haftung angenommen hat, sind der gleichzeitige und gemeinsame Verkauf eines nicht näher bezeichneten Aktienpakets durch mehrere Aktionäre, der gemeinsame Erwerb von Immobilien als Miteigentum bei einer Versteigerung oder die vorbehaltlose Unterzeichnung eines Mietvertrags durch drei Personen als Mieter.
10 Schließlich kann eine gesamtschuldnerische Verpflichtung auch rückwirkend durch eine kumulative Schuldübernahme begründet werden. Ein zweiter Schuldner verpflichtet sich gegenüber dem Gläubiger, indem er eine zusätzliche, selbständige Verpflichtung eingeht, die neben der ursprünglichen Verpflichtung des ersten Hauptschuldners entsteht.
B. Gesetzlich
11 Die Fälle, in denen das Gesetz eine gesamtschuldnerische Haftung vorsieht, sind vielfältig. Die Gründe für solche gesetzlichen Bestimmungen liegen insbesondere im Vertragsrecht, im Deliktsrecht, im Gesellschaftsrecht, im Wertpapierrecht, im Zivilgesetzbuch oder in der Zivilprozessordnung.
12 Das Obligationenrecht nennt verschiedene Tatbestände, unter denen die Solidarhaftung durch Willenserklärung entweder gesetzlich vermutet (z.B. Art. 70 Abs. 2, Art. 544 Abs. 3 OR) oder sogar vorgeschrieben wird (z.B. Art. 308, Art. 403, Art. 478 OR). In solchen Fällen, in denen eine gesetzliche Bestimmung die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Vertragsparteien vorschreibt, handelt es sich im Wesentlichen dennoch um einen vertraglichen Anspruch des Gläubigers. Dies ist für die Bemessung der Entschädigung nach der Rückgriffskaskade in Art. 51 Abs. 2 OR.
13 Haftpflichtrechtliche Gesamtschuldverhältnisse können vor allem durch Art. 50 ff. OR. Verschiedene Spezialgesetze wie Art. 60 Abs. 1, Art. 61 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes oder Art. 7 des Produkthaftungsgesetzes sehen ausdrücklich eine gesamtschuldnerische Haftung vor.
14 Das Zivilgesetzbuch schreibt insbesondere vor, dass die Erben solidarisch für die Schulden des Verstorbenen haften (Art. 603 Abs. 1 ZGB). Weitere Beispiele finden sich in Art. 121 Abs. 2, Art. 342 Abs. 2 oder Art. 639 ZGB. Sind mehrere Personen am Verfahren eines Zivilprozesses beteiligt, kann das Gericht die Parteien gesamtschuldnerisch für die Verfahrenskosten haftbar machen (Art. 106 Abs. 3 ZPO).
15 Schliesslich finden sich gesamtschuldnerische Verpflichtungen auch im öffentlichen Recht. So schreibt das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer in Art. 13 die gesamtschuldnerische Haftung von Ehepaaren für ihre Steuerschuld vor. Art. 143 ff. OR werden analog angewandt, wenn das öffentliche Recht des Bundes die Ausgestaltung des internen Regresses unter den Gesamtschuldnern nicht selbst regelt.
IV. Rechtsfolgen
16 Die Rechtsfolgen einer durch Willenserklärung oder Rechtsgeschäft entstandenen Gesamtschuld sind in Art. 144 ff. OR. Das Aussenverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Gesamtschuldner ist in den Art. 144 - 147 OR. Das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern ist in Art. 148 - 149 OR. Die Bestimmungen der Art. 144 - 149 OR sind nicht rechtsverbindlich. Durch vertragliche Vereinbarung können abweichende Regelungen getroffen werden.
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