Eine Kommentierung von Stefan Wyler
Herausgegeben von Andreas Glaser / Nadja Braun Binder / Corsin Bisaz / Bénédicte Tornay Schaller
Art. 32 Bekanntmachung der Listen
1 Der Kanton veröffentlicht die Listen mit den Bezeichnungen und Ordnungsnummern sowie mit dem Hinweis auf Listen- und Unterlistenverbindungen so früh wie möglich im kantonalen Amtsblatt.
2 Die Bundeskanzlei veröffentlicht die Listen in elektronischer Form, mit Angabe des amtlichen Namens und Vornamens, des Geburtsjahrs, der Heimatorte und des Wohnorts der Kandidaten.
I. Entstehungsgeschichte
1 Die Bestimmung, wonach die Kantone die Listen öffentlich bekanntmachen und dabei auf die Listenverbindungen hinweisen, fand sich bereits im Nationalratswahlgesetz von 1919.
II. Bedeutung der Vorschrift
A. Allgemeines
2 Die Bestimmung regelt die amtliche Bekanntmachung der Listen durch die kantonalen Wahlbehörden und die Bundeskanzlei.
B. Rechtsvergleich
3 Die Kantone kennen bei ihren Parlamentswahlen vergleichbare Bestimmungen betreffend die amtliche Veröffentlichung der Listen.
III. Bekanntmachung der Listen
A. Kantonales Amtsblatt (Abs. 1)
4 Die kantonale Wahlbehörde macht die eingegangenen Listen im kantonalen Amtsblatt öffentlich bekannt. Bei der Veröffentlichung sind die Listenbezeichnungen und Listenkürzel sowie die Ordnungsnummern zu erwähnen, und es ist auf die Listenverbindungen und Unterlistenverbindungen hinzuweisen.
5 Der Anspruch der Stimmberechtigten, dass die Wahlvorschläge (mit den Hinweisen auf die Listenverbindungen) amtlich veröffentlicht werden, ergibt sich bereits aus dem verfassungsmässigen Stimmrecht.
6 Welche Angaben zu den kandidierenden Personen bei der Veröffentlichung im kantonalen Amtsblatt gemacht werden müssen, bestimmt das Gesetz nicht. Bei der Veröffentlichung nach Absatz 1 können demnach die kandidierenden Personen (anders als bei der Veröffentlichung nach Absatz 2) unter den Namen genannt werden, unter denen sie «im Alltag oder politisch bekannt sind» (Art. 22 Abs. 2 Bst b BPR); unter diesen Namen werden sie auch auf den Wahlzetteln aufgeführt werden. Es empfiehlt sich im Weiteren das Geburtsjahr und (wie für die Wahlzettel gemäss Art. 33 Abs. 1 BPR zwingend) den Wohnort der Kandidierenden anzugeben. Die Publikation der Berufsangabe ist fakultativ.
7 Die Veröffentlichung hat «so früh wie möglich» und «im kantonalen Amtsblatt» zu erfolgen. Die hier interessierende amtliche Veröffentlichung bezieht sich auf die bereinigten Listen und erfolgt nach Ablauf der Bereinigungsfrist, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem die Listen nicht mehr geändert werden können. Bei den kantonalen Amtsblättern hat sich mittlerweile das elektronische Amtsblatt als Standard durchgesetzt.
8 Regelmässig publizieren die Kantone mittlerweile die Listen und die Namen der Kandidierenden bereits nach Ablauf der Einreichefrist (Wahlanmeldeschluss) auf ihren kantonalen Homepages. Sie weisen dabei darauf hin, dass die Listen noch nicht definitiv sind und eine Bereinigungsfrist läuft. Diese Veröffentlichungen dienen der Information von Öffentlichkeit und Medien und stellen nicht die amtliche Publikation im Sinne von Art. 32 BPR dar. Nach Ablauf der Bereinigungsfrist werden die entsprechenden Informationen aktualisiert und es erfolgt die offizielle, amtliche Information im Amtsblatt.
B. Bundeskanzlei (Abs. 2)
9 Gemäss der Bestimmung veröffentlicht auch die Bundeskanzlei die Listen in elektronischer Form. Sie gibt dabei die amtlichen Namen und Vornamen, das Geburtsjahr, die Heimatorte und den Wohnort der Kandidierenden bekannt.
10 Die Bestimmung wurde 2004 mit der Totalrevision des Publikationsgesetzes eingefügt. Sie stellt heute die vom Publikationsgesetz verlangte gesetzliche Grundlage dar für das (ausnahmsweise) Veröffentlichen besonders schützenswerter Personendaten durch die Bundeskanzlei.
Literaturverzeichnis
Tschannen Pierre, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 5. Aufl., Bern 2021.
Tschannen Pierre, Kommentierung zu Art. 34 BV, in: Waldmann Bernhard/Belser Eva Maria, Epiney Astrid (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesverfassung, Basel 2015.
Materialienverzeichnis
Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesgesetz über die politischen Rechte vom 9.4.1975 (BBl 1975 I 1317).
Botschaft zum Bundesgesetz über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsgesetz, PublG) vom 22.10.2003 (BBl 2003 7711).
Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 29.11.2013 (BBl 2013 9217).
Fussnoten
- BBl 1919 I S. 262.
- AS 1978 688; BBl 1975 I S. 1317, S. 1338.
- AS 2004 4929; BBl 2003 S. 7711, S. 7738; AS 2015 543; BBl 2013 S. 9217, S. 9257.
- Als Beispiele für viele: § 94 Gesetz des Kantons Zürich vom 1.9.2003 über die politischen Rechte (GPR/ZH, SG 161); Art. 79 Abs. 3 Gesetz des Kantons Bern vom 5.6.2012 über die politischen Rechte (PRG/BE, SG 141.1); § 97 Abs. 2 Stimmrechtsgesetz des Kantons Luzern vom 25.10.1988 (StRG/LU, SG 10); §45 Abs. 1 Gesetz des Kantons Basel-Stadt vom 21.4.1994 über Wahlen und Abstimmungen (Wahlgesetz/BS, SG 132.100); Art. 67 Loi du canton de Vaud du 5.10.2021 sur l’exercice des droits politiques (LEDP/VD, SG 160.01); Art. 9 Règlement du canton de Genève du 12.12.1994 d’application de la loi sur l’exercice des droits politiques (REDP/GE, SG A 5 05.01); Art. 17 Abs. 3 Gesetz des Kantons Graubünden vom 16.2.2021 über die Wahl des Grossen Rates (GRWG/GR, SG 150.400).
- Tschannen, Rz. 1840; BSK-Tschannen, Art. 34 BV N. 19, siehe auch: BGE 104 Ia 360 E. 3, BGE 98 I 602 E. 9.
- Art. 16b Abs. 1 Bundesgesetz vom 18.6.2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (PublG, SR 170.512).
- AS 2004 4929; BBl 2003 S. 7711, S. 7738.
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