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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
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ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Entstehungsgeschichte
- II. Rechtsvergleich
- III. Kommentierung des Normtextes
- Materialien
- Literaturverzeichnis
I. Entstehungsgeschichte
1 Diejenige Person, die am meisten Kandidierendenstimmen erhalten hat, erringt ein der Liste zustehendes Mandat. An diesem Grundsatz hat sich seit der Einführung des Proporzwahlrechts im Bund nichts geändert.
2 Zwei weniger zentrale Fragen waren hingegen umstrittener und erfuhren verschiedene Änderungen. Erstens musste geregelt werden, wem das Mandat zugesprochen wird, wenn mehrere Kandidierende genau dieselbe Stimmenzahl aufweisen. Der bundesrätliche Entwurf zum NWG von 1918 sah vor, dass bei Stimmengleichheit das Los gezogen werde.
3 Zweitens wurde 1919 ein Stimmenquorum für Kandidierende in das Nationalratswahlgesetz aufgenommen.
II. Rechtsvergleich
4 Alle Kantone mit Proporzwahlrecht ermitteln auf die gleiche Art und Weise wie das BPR, welche Kandidierenden im Regelfall als gewählt gelten: Die Mandate der Liste erhalten diejenigen Kandidierenden, die am meisten Stimmen erhalten haben.
5 Zur Bestimmung der Ersatzleute finden sich in den Kantonen mit Proporzwahlrecht zwei verschiedene Möglichkeiten. In den Kantonen Jura, Neuenburg und Wallis werden explizit Ersatzleute in dieser Funktion gewählt.
6 Das Vorgehen bei Stimmengleichheit zweier Kandidierender derselben Liste unterscheidet sich im kantonalen Parlamentswahlrecht der Proporzkantone noch stärker, wobei zwei unterschiedliche Lager auszumachen sind. Die Einen favorisieren das Eingreifen des Zufalls, die Anderen die Gestaltungskraft der Parteien.
7 Die erste Gruppe ist die grössere. Die meisten Kantone sehen ausschliesslich eine Losziehung vor, gleich wie das heutige BPR.
8 In der anderen Gruppe von Kantonen gilt hingegen meist, wie unter dem früheren Nationalratswahlgesetz im Bund, dass die Reihenfolge der Kandidierenden auf der Liste darüber entscheidet, wer bei Stimmengleichheit als gewählt gilt.
III. Kommentierung des Normtextes
A. Abs. 1: Bestimmung der gewählten Personen
1. «nach Massgabe der erreichten Mandate»
9 Die Stimmen der Wählenden werden nach dem System der Einzelstimmenkonkurrenz gewertet: Jede Liste erhält so viele Stimmen, wie die auf ihr kandidierenden Personen insgesamt erhalten haben, unabhängig davon, welche Listennummer der betreffende Wahlzettel trug. Eine Stimme an eine kandidierende Person zählt also in erster Linie für deren Liste, erst in zweiter Linie für die Person selbst.
2. «die am meisten Stimmen erhalten haben»
10 Innerhalb der Listen werden diejenigen Kandidierenden für gewählt erklärt, die am meisten Stimmen erhalten haben, bis alle der Liste zustehenden Mandate besetzt sind. Hier gilt also eine Mehrheitsregel (Majorz).
11 Die Regelung des BPR ist ebenso klar wie zentral. Bereits kleine Stimmunterschiede können den Ausschlag über Wahl oder Nichtwahl geben.
12 Beispiele für äusserst knappe Resultate der Nationalratswahlen finden sich regelmässig. Beispielsweise gab im Kanton Zürich bei den Nationalratswahlen 2015 bei pro Person über 125'000 Stimmen ein Unterschied von 20 Stimmen den Ausschlag dafür, welche von zwei Personen Mitglied des Nationalrats wurde.
B. Abs. 2: Bestimmung der Ersatzleute
13 Es ist nicht automatisch notwendig, Ergänzungswahlen durchzuführen, wenn im Nationalrat Sitze freiwerden.
14 Ersatzleute kommen in zwei Fällen zum Zug: wenn eine als gewählt erklärte Person ihr Amt nicht antreten will oder kann (vgl. Art. 55 Abs. 2 BPR, wenn eine Ersatzperson das Amt nicht antritt) oder wenn ein Nationalratsmitglied während der Legislaturperiode zurücktritt oder aus anderen Gründen aus dem Rat ausscheidet (Art. 55 Abs. 1 BPR). Es bedarf keines weiteren Wahlakts,
15 Für die Bestimmung der Ersatzleute gilt ebenfalls die Mehrheitsregel: Die nicht gewählten Personen werden in der Reihenfolge ihrer Stimmenzahl zu Ersatzpersonen. Die Person, die am meisten Stimmen erhalten hat, ohne ein Mandat erhalten zu haben, ist somit erste Ersatzperson, usw.
C. Abs. 3: Vorgehen bei Stimmengleichheit
16 Eine Wahl muss ein Ergebnis haben.
17 Eine Nachzählung wird angeordnet, wenn Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten bei den Gemeindeergebnissen bestehen (Art. 11 VPR). Zusammen mit der hier interessierenden gesetzlichen Detailregelung hat das Bundesgericht aus dieser Verordnungsbestimmung geschlossen, dass bei Stimmengleichheit in der Regel – d.h. wenn keine solchen Anhaltspunkte vorliegen – ohne Nachzählung direkt zur Losziehung geschritten wird.
18 Das Losverfahren muss von der zuständigen Behörde angeordnet werden, im Fall eines kantonalen Losentscheids wie hier ist das die Kantonsregierung (vgl. Art. 20 BPR). Gemäss Bundesgericht muss das Losverfahren insgesamt den Grundsätzen von Transparenz und Gleichbehandlung der Kandidierenden genügen.
Materialien
Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesgesetz über die politischen Rechte vom 9.4.1975, BBl 1975 I S. 1317 ff. (zit. Botschaft BPR 1975).
Bericht des Bundesrats an den Nationalrat über die Nationalratswahlen für die 41. Legislaturperiode, BBl 1979 III S. 867 ff. (zit. Bericht Nationalratswahlen 1979).
Bericht des Bundesrats an den Nationalrat über die Nationalratswahlen für die 50. Legislaturperiode, BBl 2015 S. 7927 ff. (zit. Bericht Nationalratswahlen 2015).
Literaturverzeichnis
Aubert Jean-François, Die schweizerische Bundesversammlung von 1848–1998, Basel 1998.
Garrone Pierre, L’élection populaire en Suisse: étude des systèmes électoraux et de leur mise en oeuvre sur le plan fédéral et dans les cantons, Basel et al. 1991.
Häfelin Ulrich/Haller Walter/Keller Helen/Thurnherr Daniela, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 10. Aufl., Zürich et al. 2020.
Hangartner Yvo/Kley Andreas/Braun Binder Nadja/Glaser Andreas, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl., Zürich 2023.
Markić Luka, Kommentierung zu Art. 20 BPR, in: Glaser Andreas/Braun Binder Nadja/Bisaz Corsin/Tornay Schaller Bénédicte (Hrsg.), Onlinekommentar zum Bundesgesetz über die politischen Rechte, abrufbar unter https://onlinekommentar.ch/de/kommentare/bpr20, besucht am 20.6.2023.
Poledna Tomas, Wahlrecht im Bund, in: Thürer Daniel/Aubert Jean-François/Müller Jörg Paul (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S. 363–371.
Weber Anina, Schweizerisches Wahlrecht und die Garantie der politischen Rechte – Eine Untersuchung ausgewählter praktischer Probleme mit Schwerpunkt Proporzwahlen und ihre Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung, Zürich 2016.