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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Regelungsgehalt
- II. Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (Abs. 1, erste Variante)
- III. Körperschaften und Anstalten des kirchlichen Rechts (Abs. 1, zweite Variante)
- IV. Bundesprivatrechtliche Körperschaften mit wirtschaftlichem Zweck (Abs. 2)
- V. Körperschaften des kantonalen Rechts (Abs. 3)
- Literaturverzeichnis
I. Regelungsgehalt
A. Allgemeines
1 Mit der letzten Norm der Allgemeinen Bestimmungen zu den juristischen Personen wird der unmittelbare Geltungsbereich der Art. 52–58 ZGB wieder begrenzt. Art. 59 ZGB ist nämlich keine Sach-, sondern eine reine Verweisnorm mit teils programmatischem Charakter.
2 Kategorial wird dabei unterschieden zwischen den öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten (Abs. 1, erste Variante), öffentlich-rechtliche kirchliche Körperschaften und Anstalten (Abs. 1, zweite Variante), Personenverbindungen mit wirtschaftlichem Zweck (Abs. 2) sowie Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften (Abs. 3).
B. Deklaratorische vs. konstitutive Verweisnormen
3 Wenn sich das anwendbare Recht bereits aus den allgemeinen Grundsätzen sowie aus anderen Vorschriften ergibt, wie dies in Abs. 1 und 2 der Fall ist, handelt es sich um einen rein deklaratorischen bzw. einen unechten Verweis. So ergibt sich das Verweisergebnis von Abs. 1 bereits aus dem allgemeinen Vorbehalt von Art. 6 Abs. 1 ZGB, wonach die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Kantone durch das Bundesprivatrecht nicht beschränkt werden dürfen.
4 Weil ohne den Verweis in Abs. 3 aufgrund von Art. 5 Abs. 1 ZGB Bundesprivatrecht auf Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften anwendbar wäre, handelt es sich um einen konstitutiven (echten) Verweis, welcher «den in Bezug genommenen Normkomplex originär beruft».
II. Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (Abs. 1, erste Variante)
A. Begriffe und Abgrenzung
5 Öffentlich-rechtliche Körperschaften werden definiert als «mitgliedschaftlich verfasste, auf dem öffentlichen Recht beruhende und mit Hoheitsgewalt ausgestattete Verwaltungsträger» zur selbständigen Erfüllung von staatlichen Aufgaben.
6 Als öffentlich-rechtliche Anstalten werden jene Verwaltungseinheiten bezeichnet, zu denen ein bestimmter Personen- und Sachbestand durch Rechtssatz zusammengefasst und für eine bestimmte Verwaltungsaufgabe dauernd seinen Nutzern und Nutzerinnen zur Verfügung gestellt wird.
7 Ob im Einzelfall eine öffentlich-rechtliche juristische Person vorliegt, ist in Praxis nur selten strittig; eine Zuordnung ergibt sich regelmässig ohne Weiteres aus den Errichtungsgrundlagen.
B. Anwendbares Recht
8 Prinzipiell werden öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten dem öffentlichen Recht von Bund und Kantonen unterstellt. Dies ist insoweit zu präzisieren, als dieser Verweis nur die Interna dieser juristischen Personen betrifft, wie Errichtung, Zweck und Organisationsverfassung (einschliesslich deren Abänderung) sowie die Aufhebung.
9 Im Hinblick auf das Aussenverhältnis ist hingegen zu differenzieren: Das öffentliche Recht ist dann anwendbar, wenn die juristische Person mit der ihr vom Gemeinwesen übertragenen hoheitlichen Gewalt zugleich öffentliche Aufgaben wahrnimmt und insofern als Hoheitsträger gilt.
10 Weiter enthält nicht nur das öffentliche Recht, sondern auch das Bundesprivatrecht (inkl. Handelsregister- und Fusionsrecht) besondere Normen für juristische Personen des öffentlichen Rechts.
11 Schliesslich sei angemerkt, dass öffentliches Recht umgekehrt auch auf privatrechtliche juristische Personen des ZGB oder des OR Anwendung finden kann. Dies ist insb. immer dann der Fall, wenn es um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (allenfalls in Verbindung mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt) geht, wie etwa bei privatrechtlichen Krankenkassen als Trägerinnen des Krankenversicherungsobligatoriums
III. Körperschaften und Anstalten des kirchlichen Rechts (Abs. 1, zweite Variante)
A. Begriff
12 Der Begriff der öffentlich-rechtlichen kirchlichen juristischen Person ist schillernd und wird in der Lehre unterschiedlich weit gezogen.
13 Die Frage nach dem anwendbaren Normenkomplex ist freilich nicht zu verwechseln mit dem verfassungsmässigen Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäss Art. 15 BV, welcher jeder juristischen Person zukommt, die nach ihren Statuten einen religiösen Zweck verfolgt.
B. Anwendbares Recht
14 Bei öffentlich-rechtlichen kirchlichen juristischen Personen ist prinzipiell gleich zu verfahren wie bei den anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. oben II.B.), mithin ist eidgenössisches oder kantonales öffentliches Recht zunächst im Innenverhältnis und weiter im Aussenverhältnis bei hoheitlichen Tätigkeiten anwendbar.
IV. Bundesprivatrechtliche Körperschaften mit wirtschaftlichem Zweck (Abs. 2)
A. Begriff
1. «Personenverbindungen»
15 Abs. 2 unterstellt «Personenverbindungen», die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, «den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften». Nach wörtlicher Auslegung würde dies zwar neben den juristischen Personen auch die sog. Rechtsgemeinschaften einschliessen. Nach herrschender und m.E. richtiger Lesart sind allerdings lediglich erstere gemeint. Hierfür spricht vor allem das systematische Element: So ist der gesamte Art. 59 ZGB in den «Allgemeinen Bestimmungen» zu den juristischen Personen eingebettet, welche sich gerade nicht mit Rechtsgemeinschaften befassen. Einen weiteren Fingerzeig in dieselbe Richtung gibt Art. 52 Abs. 1 ZGB, welcher von «körperschaftlich organisierten Personenverbindungen» spricht. Soweit Art. 52 Abs. 3 ZGB und Art. 59 Abs. 2 ZGB denselben Terminus, aber ohne das Addendum der «körperschaftlichen Organisation» wieder aufgreifen, dürfte dieses mitgemeint sein.
16 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen mit wirtschaftlichem Zweck sind im OR geregelt. Weil es keine Anstalten nach dem OR gibt, wird regelmässig schlicht von den «Körperschaften des OR» gesprochen.
2. Wirtschaftlicher Zweck
17 Bedeutung erlangt Abs. 2 vor allem im Hinblick auf den Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB: Die Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks ist nämlich zugleich ein Abgrenzungskriterium für die Zulässigkeit der Vereinsform (Art. 60 Abs. 1 ZGB).
18 Ein «wirtschaftlicher Zweck» liegt dann vor, wenn ökonomische Vorteile oder sonstige geldwerte Nutzen für die Mitglieder der Körperschaft angestrebt werden.
B. Anwendbares Recht
19 Der Verweis auf das OR in Abs. 2 ist insofern weit zu verstehen, als er die Körperschaften des OR auch dann umfasst, wenn sie erlaubterweise einen ideellen Zweck verfolgen. Soweit der Gesetzgeber eine juristische Person primär für die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke geschaffen hat, ist somit stets das OR die primär anwendbare Normgruppe.
20 Hinsichtlich der direkten Anwendbarkeit von Art. 52–58 ZGB auf die Körperschaften des OR scheiden sich die Geister. Während ein Teil der Lehre und die Rechtsprechung von einer direkten Anwendbarkeit ausgehen und zugleich den Vorrang der in Art. 620 ff. OR enthaltenen leges speciales gegenüber der Allgemeinen Bestimmungen hervorheben,
V. Körperschaften des kantonalen Rechts (Abs. 3)
A. Begriff
21 «Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften» des kantonalen Privatrechts sind regelmässig alte, genossenschaftliche (oder vergleichbare, z.B. vereinsähnliche) Organisationsformen zur unmittelbaren Bodenbewirtschaftung, etwa in der Land- oder Forstwirtschaft. Die modernen bäuerlichen Genossenschaften, die nur mittelbar der Bodenbewirtschaftung dienen (z.B. Einkaufs-, Kredit- und Maschinengenossenschaften), werden nicht von Art. 59 Abs. 3 ZGB, sondern vom allgemeinen Genossenschaftsrecht in Art. 828 ff. OR erfasst.
B. Anwendbares Recht
22 Mit dem konstitutiven Verweis auf das – meist in den kantonalen Einführungsgesetzen enthaltene – kantonale Privatrecht wollte der Gesetzgeber den historischen, genossenschaftlich strukturierten Kooperationen zur gemeinsamen Nutzung von Allmenden, Agrarland, Weiden, Wald und dgl. Rechnung tragen und diese in ihren traditionellen Formen belassen. Das kantonale Privatrecht gilt für Entstehung und Organisation sowie für Fragen rund um die Mitgliedschaft.
Literaturverzeichnis
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Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich et al. 2020.
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Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018.
Niggli Christina, Kommentierung zu Art. 59 ZGB, in: Breitschmid Peter/Jungo Alexandra (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Personen- und Familienrecht – Partnerschaftsgesetz, 3. Aufl., Zürich 2016 (CHK-Niggli).
Reitze Christophe, Kommentierung zu Art. 59 ZGB, in: Geiser Thomas/Fountoulakis Christiana (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022 (BSK-Reitze).
Riemer Hans Michael, Stämpflis Handkommentar, Vereins- und Stiftungsrecht (Art. 60–89bis ZGB) mit den Allgemeinen Bestimmungen zu den juristischen Personen (Art. 52–59 ZGB), Bern 2012 (zit. SHK-Riemer).
Riemer Hans Michael, Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung und Personenrecht, Die juristischen Personen, Allgemeine Bestimmungen, Systematischer Teil und Kommentar zu Art. 52–59 ZGB, 3. Aufl., Bern 1993 (zit. BK-Riemer).
Weber Rolf H., Einleitung und Personenrecht, in: Tercier Pierre (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, II Band, 4. Teilband, Basel 1998.
Xoudis Julia, Kommentierung zu Art. 59, in: Pichonnaz Pascal/Foëx Bénédict (Hrsg.), Commentaire Romand, Code civil I, Basel 2010 (CR-Xoudis).