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Kommentierung zu
Art. 331 StGB

Eine Kommentierung von Jan Imhof

Herausgegeben von Marianne Johanna Lehmkuhl / Jan Wenk

defriten

I. Allgemeines

1 Art. 331 StGB schützt das Rechtsgut der Landesverteidigung. Die Uniform verfügt dabei einerseits über eine Repräsentationsfunktion:«Die Uniform ist Ausdruck der Zugehörigkeit zur Armee. […]» (Art. 58 Abs. 1 Dienstreglement der Armee). Der Gedanke staatlicher Repräsentation spiegelt sich so auch in der Bewilligungspflicht für das Tragen ausländischer Militäruniformen in der Schweiz und Schweizer Militäruniformen im Ausland wider (Verordnung über das Tragen ausländischer Uniformen in der Schweiz und Schweizerischer Militäruniformen im Ausland, SR 125).

2 Anderseits hat die Uniform eine Unterscheidungsfunktion zwischen Zivil- und Militärpersonen

und begründet damit die Vermutung, dass letztere zu hoheitlichen Handlungen legitimiert sind.
Weiter dient die Uniform im internationalen bewaffneten Konflikt als Unterscheidungsmerkmal zwischen geschützten Personen und Kombattanten (vgl. Art. 44 Ziff. 3 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, Protokoll I). Sie ist auch hier Indiz dafür, rechtmässig an Kampfhandlungen teilnehmen sowie Kriegsgefangenenstatus beanspruchen zu können.

3 Schliesslich soll mit dem Straftatbestand die ständige Einsatzbereitschaft des der Armee dienenden Materials sichergestellt werden.

Dagegen ist einzuwenden, dass der Tatbestand auf Nichtdienstpflichtige zugeschnitten ist.
Es ist nur schwer denkbar, dass uniformierte Nichtdienstpflichtige die Einsatzbereitschaft der Armee effektiv gefährden könnten.

4 Gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. k StPO besteht für Art. 331 StGB Bundesgerichtsbarkeit.

II. Objektiver Tatbestand

A. Die Uniform des schweizerischen Heeres

5 Der Begriff der Heeresuniform ist weit auszulegen wie auch die französische und italienische Version zeigen («l’uniform de l’armée» / «l’uniforme dell’esercito svizzero»). Der Tatbestand umfasst alle offiziellen Tenüs der Schweizer Armee (Heer und Luftwaffe).

Die Uniform kann echt oder nachgemacht sein.
Somit fallen nach hier vertretener Auffassung auch ausserdienstgestellte Uniformen in den Geltungsbereich soweit sie der aktuellen stark ähneln. Uniformen mit einem klaren historischen Bezug sind hingegen ausgenommen.

6 Mit Blick auf das geschützte Rechtsgut fallen nicht alle Uniformbestandteile (Gürtel, T-Shirt usw.) unter den strafrechtlichen Schutz.

Massgeblich dürfte das Gesamterscheinungsbild des Täters bzw. der Täterin und der damit generierte Bezug zur Schweizer Armee sein. Dies trifft bei der Ausgangsuniform und regelmässig bei Uniformbestandteilen mit Tarndruck zu. Letztere dürfen denn auch ausscheidenden Armeeangehörigen nicht zum Eigentum überlassen werden (Art. 27 Abs. 1 lit. b Verordnung über die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen, VPAA, SR 514.10).

B. Unbefugtes Tragen

7 Dienstpflichtigen ist die Verwendung der Uniform für private Zwecke grundsätzlich untersagt (Art. 114 Abs. 4 Militärgesetz, MG, SR 510.10). Art. 21 VPAA regelt die Ausnahmen und nennt bspw. die Teilnahme an ausserdienstlichen Tätigkeiten der militärischen Gesellschaften, Aktivitäten des Militärsports, Arbeitnehmende der Gruppe Verteidigung, politische Veranstaltungen (lit. a-c) sowie mit Bewilligung der Gruppe Verteidigung: Offiziersbälle, historische Umzüge und Veranstaltungen, Messen, Hochzeiten und Trauerfeiern (lit. d).

8 Für Nichtdienstpflichtige existiert kein solch genereller Erlaubnistatbestand wie Art. 21 Abs. 1 lit. a-c VPAA. Sie haben für die Verwendung, bspw. für Filmaufnahmen oder Theaterauf­führungen, immer vorgängig eine Bewilligung einzuholen.

9 Zur Erfüllung des Tatbestands wird vorausgesetzt, dass die Uniform in der Öffentlichkeit getragen

und wahrgenommen
wird. Diese Voraussetzung kann auch im digitalen Raum erfüllt sein. Das Tragen im privaten Rahmen tangiert hingegen das geschützte Rechtsgut nicht und ist straffrei.

III. Subjektiver Tatbestand

10 Der Tatbestand kann nur vorsätzlich begangen werden, wobei Eventualvorsatz genügt.

IV. Persönlicher Geltungsbereich und Konkurrenzen

11 Art. 331 StGB ist kein Sonderdelikt. Soweit der Täter bzw. die Täterin aber der Militärgerichtsbarkeit untersteht, gehen die Bestimmungen des MStG Art. 331 StGB vor (Art. 9 Abs. 1 StGB).

Konkret machen sich Dienstpflichtige durch das unerlaubte Tragen der persönlichen Uniform oder jener anderer Schweizer Armeeangehöriger
der missbräuchlichen Verwendung von Armeematerial strafbar (Art. 73 Ziff. 1 MStG).
Die Dienstpflichtigen unterstehen in diesem Fall sowohl im als auch ausserhalb des Dienstes der Militärgerichtsbarkeit (Art. 3 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 MStG).

12 Das unbefugte Tragen der Uniform kann in einem internationalen bewaffneten Konflikt als verbotene Heimtücke gewertet werden (Art. 37 Ziff. 1 Zusatzprotokoll I zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, SR 0.518.521, und Art. 23 lit. f Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, SR 0.515.112). Art. 264g Abs. 1 lit. d StGB bzw. Art. 112c Abs. lit. d MStG gehen Art. 331 StGB jeweils als lex specialis vor.

13 Nimmt der Täter bzw. die Täterin während des unbefugten Tragens der Uniform eine (unberechtigte) Amtshandlung vor, so geht Art. 287 StGB vor,

soweit der Täter bzw. die Täterin mit dem Tragen der Uniform nicht noch bei weiteren Personen den Eindruck vermittelte, zur Amtshandlung berechtigt gewesen zu sein.

14 Angesichts des persönlichen Geltungsbereichs hat Art. 331 StGB keine grosse praktische Bedeutung, weswegen die Streichung in Erwägung gezogen wurde.

Es erscheint jedoch gerechtfertigt, das unbefugte Tragen sowohl durch Dienstpflichtige als auch durch Nichtdienstpflichtige gleichermassen unter Strafe zu stellen.

Literaturverzeichnis

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch vom 23.7.1918, BBl 1918 IV 1 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/1918/4_1_1_1/de zuletzt besucht am 28.11.2022.

Corboz Bernard, Les infractions en droit suisse, Volume II, 3. Aufl., Bern 2010.

Délèze Julien, in: Macaluso Alain/Moreillon Laurent/Queloz Nicolas (Hrsg.), Commentaire romand Code pénal II, Basel 2017.

Donatsch Andreas/Thommen Marc/Wohlers Wolfgang, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 5. Aufl., Zürich 2017.

Dupuis Michel, et al. (Hrsg.), Petit commentaire Code pénal, 2. Aufl., Basel 2017.

Erläuternder Bericht zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht, aufrufbar unter https://www.bj.admin.ch/dam/bj/de/data/sicherheit/gesetzgebung/strafrahmenharmonisierung/vn-ber-d.pdf.download.pdf/vn-ber-d.pdf zuletzt besucht am 28.11.2022.

Hauri Kurt, Kommentar Militärstrafgesetz, Bern 1983.

Heimgartner Stefan, in: Niggli Marcel Alexander/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl., Basel 2018.

Omlin Esther, in: Niggli Marcel Alexander/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl., Basel 2018.

Stratenwerth Günter/Bommer Felix, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl., Bern 2013.

Trechsel Stefan/Ogg Marcel, in: Trechsel Stefan/Pieth Mark (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich/St. Gallen 2021.

Fussnoten

  • Donatsch/Thommen/Wohlers, S. 691.
  • Vergleichbare Übertretungstatbestände für das unbefugte Tragen der Polizeiuniform finden sich in: § 8 Abs. 1 Gesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 21.4.2005 über das kantonale Übertretungsstrafrecht (ÜStG, SGS 241); Art. 11 Abs. 1 Ziff. 2 Gesetz des Kantons Nidwalden vom 29.6.2016 über das kantonale Strafrecht (kStG; NG 251.1); Art. 7 Abs. 1 Gesetz vom 2.5.1965 über die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches im Kanton Glarus (EG StGB, GS III E/1).
  • BSK-Omlin, Art. 331 StGB N. 1.
  • Botschaft 1918, S. 74.
  • Vgl. Corboz, Art. 331 StGB N. 2 mit einer Aufzählung sowie CR-Délèze, Art. 331 StGB N. 5.
  • BSK-Omlin, Art. 331 StGB N. 5; Corboz, Art. 331 StGB N. 3; CR-Délèze, Art. 331 StGB N. 6; Donatsch/Thommen/Wohlers, S. 691 sowie PC-Dupuis et al., Art. 331 StGB N. 7.
  • Corboz, Art. 331 StGB N. 2; CR-Délèze, Art. 331 StGB N. 8.
  • BSK-Omlin, Art. 331 StGB N. 5; Donatsch/Thommen/Wohlers, S. 691; PC-Dupuis et al., Art. 331 StGB N. 7.
  • PK-Trechsel/Ogg, Art. 331 StGB N. 1. A.M. CR-Délèze, Art. 331 StGB N. 11 sowie Corboz, Art. 331 StGB N. 7.
  • BSK-Omlin, Art. 331 StGB N. 6; Donatsch/Thommen/Wohlers; S. 691, Corboz, Art. 331 StGB N. 5.
  • PC-Dupuis et al., Art. 331 StGB N. 8; CR-Délèze, Art. 331 StGB N. 9.
  • Botschaft 1918, S. 74, wobei der Begriff «Dienstpflichtige» in der Botschaft aus heutiger Sicht zu eng gefasst ist.
  • Wohl a.M. Stratenwerth/Bommer, § 54 N. 9.
  • Hauri, Art. 72 MStG N. 61 mit weiteren Hinweisen.
  • BSK-Heimgartner, Art. 287 StGB N. 12.
  • Erläuternder Bericht zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht, S. 49.

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10.17176/20231208-133627-0

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