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Kommentierung zu
Art. 72 DSG
defriten

In Kürze

Das neue Datenschutzrecht tritt am 1. September 2023 in Kraft. Für die Wahl und die Beendigung der Amtsdauer der oder des Beauftragten gilt aber bis zum Ende der 51. Legislaturperiode noch das bisherige Recht. Danach ist die Vereinigte Bundesversammlung das Wahlorgan und für die wichtigsten Arbeitgeberentscheide zuständig.

I. Allgemeines

1 Mit der Totalrevision des DSG wird das Verfahren zur Ernennung der oder des Beauftragten geändert. Neu ist die Vereinigte Bundesversammlung das alleinige Wahlorgan und für die wichtigsten Arbeitgeberentscheide zuständig. Auf diese Weise sollen die Unabhängigkeit und die demokratische Legitimität der oder des Beauftragten gestärkt werden.

Für die Wahl und die Beendigung der Amtsdauer der oder des Beauftragten sind deshalb Übergangsbestimmungen notwendig.

2 Art. 72 Abs. 1 DSG wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Totalrevision des DSG eingeführt.

Im Entwurf des Bundesrates war die Bestimmung noch nicht vorgesehen, da der Bundesrat am bisherigen Verfahren zur Ernennung der oder des Beauftragten (Wahl durch den Bundesrat und Genehmigung durch die Bundesversammlung gemäss Art. 26 Abs. 1 aDSG) sowie an den bisherigen Zuständigkeiten für Arbeitgeberentscheide (insbesondere Art. 26a Abs. 3 betreffend Amtsenthebung durch den Bundesrat) festgehalten hatte.

3 Art. 72 Abs. 2 DSG wurde erst im Laufe der Arbeiten zur parlamentarischen Initiative SPK-N 21.443

in das totalrevidierte DSG aufgenommen. Dies war nötig, um eine ungewollte Lücke betreffend die allfällige Wiederwahl der oder des bisherigen Beauftragten zu schliessen (vgl. N. 6 f.).

II. Übergangsrecht betreffend Wahl und Beendigung der Amtsdauer (Abs. 1)

4 Art. 72 Abs. 1 DSG sieht vor, dass die Wahl der oder des Beauftragten sowie die Beendigung ihrer bzw. seiner Amtsdauer noch bis zum Ende der Legislaturperiode, in welcher das totalrevidierte DSG in Kraft tritt, dem bisherigen Recht untersteht.

5 Der Bundesrat hat das neue Datenschutzrecht auf den 1. September 2023 in Kraft gesetzt.

Das bedeutet, dass die oder der Beauftragte erstmalig ab der Wintersession 2023 durch die Vereinigte Bundesversammlung gewählt werden kann.
Die Gerichtskommission hat angekündigt, dass sie die Wahl der oder des Beauftragten für die nächste Amtsperiode für die Wintersession 2023 plant.
Die neue Amtsdauer der oder des Beauftragten würde in diesem Fall grundsätzlich am 1. Januar 2024 beginnen (vgl. Art. 44 Abs. 1 zweiter Satz DSG).

III. Übergangsrecht betreffend die allfällige Wiederwahl der bisherigen Amtsinhaberin oder des bisherigen Amtsinhabers (Abs. 2)

6 Der aktuelle Beauftragte ist vom Bundesrat am 10. April 2019 für eine zweite Amtsperiode bis zum Ende der 51. Legislaturperiode am 4. Dezember 2023 bestätigt worden.

Er bewirbt sich für eine dritte (und letzte) Amtsperiode. Die Wahl hat durch die Vereinigte Bundesversammlung zu erfolgen (Art. 43 Abs. 1 DSG).
Bei einer Wiederwahl würde ein Amtsbeginn am 1. Januar 2024 zu einer (insbesondere aus personalrechtlicher Sicht) ungewollten Lücke führen. Denn zwischen dem 4. Dezember 2023 und dem 1. Januar 2024 bestünde für den aktuellen Amtsinhaber kein Arbeitsverhältnis als Beauftragter. Folglich hätte er grundsätzlich auch keine Rechte oder Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis (namentlich keinen Lohnanspruch).

7 Für die erstmalige Durchführung der Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung schiebt Art. 72 Abs. 2 DSG deshalb den Beginn der Amtsdauer ausnahmsweise auf den Tag nach der Wahl vor. Dies gilt allerdings nur bei einer Wiederwahl des aktuellen Amtsinhabers. Zwar wird auch mit dieser Lösung kein nahtloser Übergang erreicht. Der aktuelle Beauftragte könnte sein Arbeitsverhältnis aber immerhin so rasch als möglich wieder aufnehmen. In der Übergangszeit würde der EDÖB durch die Stellvertreterin bzw. den Stellvertreter der oder des Beauftragten geleitet.

Die vertretene Auffassung widerspiegelt die persönliche Meinung der Autorenschaft und bindet nicht das Bundesamt für Justiz.

Materialienverzeichnis

Botschaft des Bundesrates vom 15.9.2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz (BBl 2017 S. 6941).

Bericht der SPK-N vom 27.1.2022 zur parlamentarischen Initiative 21.443 «Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten» (BBl 2022 S. 345).

Fussnoten

  • Vgl. dazu den Bericht der SPK-N, S. 2.
  • AS 2022 491.
  • Vgl. dazu die Botschaft 2017, S. 7087 ff.
  • Parlamentarische Initiative SPK-N 21.443 vom 15.4.2021 «Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten».
  • AS 2022 491; siehe auch die Medienmitteilung des Bundesrates vom 31.8.2022 «Neues Datenschutzrecht ab 1. September 2023».
  • Vgl. dazu den Bericht der SPK-N, S. 8.
  • Siehe die Medienmitteilung der Gerichtskommission vom 1.3.2023 «Wahlvorschläge der Gerichtskommission für die Frühjahrssession» (unter «Weitere Arbeiten der Kommission»). Zur Zuständigkeit der Gerichtskommission für die Vorbereitung der Wahl der oder des Beauftragten siehe Art. 40a Abs. 1 lit. d ParlG und Art. 2 Abs. 2 der Verordnung der Bundesversammlung vom 17.6.2022 über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (SR 235.171.1).
  • Vgl. dazu den Bericht der SPK-N, S. 8.
  • Medienmittelung des Bundesrates vom 10.4.2019 «Bundesrat bestätigt Adrian Lobsiger als Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten».
  • Siehe dazu die Medienmittelung der Gerichtskommission vom 24.5.2023 «Gerichtskommission schlägt Wiederwahl des Bundesanwalts vor» (unter «Vorbereitung der Wahl des EDÖB»).
  • Zum Ganzen: Bericht der SPK-N, S. 8 f.
  • Zum Ganzen: Bericht der SPK-N, S. 9.

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10.17176/20230727-070105-0

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