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Kommentierung zu
Art. 73 MepV

Eine Kommentierung von Philippe Fuchs

Herausgegeben von Remus Muresan / Andrea Schütz

defriten

I. Allgemeines

1 Art. 45 Abs. 7 HMG ermächtigt den Bundesrat, die Aufbereitung und Wiederverwendung von Einmalprodukten zu regeln und diese Tätigkeiten explizit für zulässig zu erklären.

Auch wenn das HMG selbst kein explizites Verbot für die Aufbereitung von gebrauchten Einmalprodukten enthält, ergibt sich dieses Verbot implizit aus Art. 45 Abs. 7 HMG. Ob dieses implizite Verbot der Aufbereitung von gebrauchten Einmalprodukten und der gestützt darauf erlassene Art. 73 Abs. 1 MepV aus rechtstaatlicher Sicht ausreichen – insbesondere, da die Verletzung von Art. 73 Abs. 1 MepV strafbewehrt ist – darf zumindest hinterfragt werden.

2 Falls der Bundesrat die Aufbereitung und Wiederverwertung von Einmalprodukten gestützt auf Art. 45 Abs. 7 HMG für zulässig erklärt, hat er darüber hinaus die entsprechenden Voraussetzungen festzulegen. Derzeit hat der Bundesrat von seiner Kompetenz gemäss Art. 45 Abs. 7 HMG keinen Gebrauch gemacht, denn Art. 73 Abs. 1 MepV sieht explizit vor, dass die Aufbereitung von gebrauchten Einmalprodukten und deren Weiterverwendung verboten ist.

3 Vor Inkrafttreten der revidierten Medizinprodukteverordnung war die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten gesetzlich nicht explizit geregelt. In der Praxis wurden – insbesondere von Spitälern – Einmalprodukte häufig wiederaufbereitet und erneut verwendet, nicht zuletzt auch aus Kostengründen. Das damalige Recht liess eine Wiederaufbereitung von Einmalprodukten grundsätzlich zu, sofern die Gesundheit von Patienten nicht gefährdet wurde und die Voraussetzungen des erstmaligen Inverkehrbringens auch für das wiederaufbereitete Einmalprodukt eingehalten wurden. Die Inverkehrbringung als Einmalprodukte durch die Hersteller wurde zudem häufig auch als wirtschaftlich motiviert angesehen (und nicht als Folge eines erhöhten Patientenschutzes), weshalb die diesbezüglichen Anweisungen der Hersteller oftmals ignoriert wurden. Mit Einführung von Art. 73 MepV wurde die Aufbereitung und Wiederverwendung von Einmalprodukten jedoch gesetzlich untersagt und unter Strafe gestellt (Art. 86 Abs. 1 lit. d HMG).

II. Abs. 1

4 Gemäss Art. 73 Abs. 1 MepV ist die Aufbereitung von gebrauchten Einmalprodukten und deren Weiterverwendung verboten. Als Aufbereitung gilt jedes Verfahren, dem ein gebrauchtes Medizinprodukt unterzogen wird, damit es sicher wiederverwendet werden kann. Zu diesem Verfahren gehören Reinigung, Desinfektion, Sterilisation und ähnliche Verfahren, insbesondere das Verpacken, der Transport und die Lagerung, sowie Prüfung und Wiederherstellung der technischen und funktionellen Sicherheit des gebrauchten Produkts (Art. 4 Abs. 1 lit. e MepV). Nicht als Aufbereitung im Sinne von Art. 73 Abs. 1 MepV gilt hingegen der Fall, in dem ein neues (Einmal-)Produkt vor der erstmaligen Verwendung gereinigt, desinfiziert, sterilisiert oder ähnlichen Verfahren unterzogen werden muss.

In diesem Fall spricht man von einer Vorbereitung zur Erstanwendung, was Teil der Instandhaltung ist (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. d MepV). Da die Vorbereitung zur Erstanwendung Teil der Instandhaltung ist, gelangen diesbezüglich die Vorschriften von Art. 71 MepV zur Anwendung.

5 Die MepV enthält hingegen keine eigene Definition des Begriffs «Einmalprodukt», weshalb durch den Verweis in Art. 4 Abs. 2 MepV die Definition in der Verordnung (EU) 2017/745 des europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte («EU-MDR») zur Anwendung gelangt. Als Einmalprodukt wird daher ein Produkt bezeichnet, das dazu bestimmt ist, an einer einzigen Person für eine einzige Massnahme verwendet zu werden (Art. 2 Ziff. 8 EU-MDR). Beispiele von Einmalprodukten sind Einweg-Bohrköpfe, Elektrophysiologie-Katheter oder Ultraschallscheren, aber auch einfache Produkte wie OP-Handschuhe, Kanülen, Infusionsschläuche oder Pflaster. Ob ein Medizinprodukt ein Einmalprodukt ist oder mehrfach verwendet werden kann, wird durch den Verwendungszweck sowie den Hersteller definiert. Ein Einmalprodukt ist in der Regel durch folgendes Piktogramm gekennzeichnet:

6 Der Hersteller eines Medizinprodukts hat – unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung – die Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachzuweisen (Art. 6 Abs. 2 MepV i.V.m. Anhang I EU-MDR). Aufgrund der Berücksichtigung der Zweckbestimmung werden im Falle eines Einmalprodukts die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen im Hinblick auf die einmalige Anwendung bzw. Verwendung geprüft. Das heisst, dass das Einmalprodukt die vorgeschriebene Sicherheit und Leistung gemäss Anhang I EU-MDR für eine einmalige Anwendung bzw. Verwendung erfüllt – weitere Verwendungen wurden im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens (vgl. Art. 21 MepV) nicht geprüft und der Hersteller macht daher auch keine Aussage in Bezug auf die Sicherheit und Leistung im Falle einer mehrmaligen Verwendung.

7 Wird ein gebrauchtes Medizinprodukt (wieder-)aufbereitet, ist dieses sehr grossen chemischen, mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt.

Da ein Einmalprodukt grundsätzlich nicht für eine solche Behandlung ausgelegt ist,
besteht ein Risiko, dass es beschädigt oder geschwächt wird, so dass seine einwandfreie Funktionsfähigkeit nach dem Aufbereiten nicht mehr sichergestellt ist.
Neben dieser Problematik besteht jedoch auch das Risiko, dass keine vollständige Reinigung und Sterilisation eines Einwegprodukts erfolgen kann, was zu biologischen Rückständen mit einem entsprechenden Infektionsrisiko bei einer erneuten Verwendung führen kann. Dieses Risiko besteht insbesondere bei Gewinden oder anderen schwer zugänglichen Bereichen eines Einmalprodukts. Hat der Hersteller sein Produkt also als Einmalprodukt in Verkehr gebracht, ist die Aufbereitung und Wiederverwendung eines solchen aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht angezeigt und wurde deshalb im Rahmen der Revision des Medizinprodukterechts mit Einführung von Art. 73 MepV explizit untersagt.

III. Abs. 2

8 Art. 17 Abs. 1 EU-MDR lässt die (Wieder-)Aufbereitung von Einmalprodukten zu, sofern (a) das nationale Recht eines Mitgliedstaates dies gestattet und (b) die Voraussetzungen von Art. 17 EU-MDR eingehalten werden. Anders als gegenwärtig das Schweizer Recht lässt das EU-Recht die (Wieder-)Aufbereitung und Weiterverwendung von Einmalprodukten folglich explizit zu. Damit dies aber nicht dazu führt, dass durch den Import solcher nach EU-Recht in zulässiger Weise aufbereiteter Einmalprodukte das Verbot in der Schweiz umgangen wird, enthält Art. 73 Abs. 2 MepV ein explizites Verbot der Bereitstellung und Verwendung von Produkten, die gemäss Art. 17 EU-MDR aufbereitet wurden.

9 Unklar ist jedoch, wieso Art. 73 Abs. 2 MepV dem Wortlaut nach nur Produkte umfasst, welche gemäss Art. 17 Abs. 3 EU-MDR aufbereitet werden. Abs. 3 von Art. 17 EU-MDR befasst sich nämlich lediglich mit einer Sondersituation der Aufbereitung von Einmalprodukten: Der Aufbereitung und Verwendung von Einmalprodukten innerhalb einer (europäischen) Gesundheitseinrichtung. Art. 17 Abs. 3 EU-MDR erfasst jedoch nicht die generelle Aufbereitung von Einmalprodukten – diese wird durch Abs. 1 und 2 von Art. 17 EU-MDR geregelt. Die Ausführungen des BAG im Erläuternden Bericht zur Totalrevision der MepV und der KlinV-Mep geht darauf gar nicht ein, sondern spricht generell davon, dass Einmalprodukte, welche gemäss den Vorschriften von Art. 17 EU-MDR aufbereitet werden, in der Schweiz nicht verkehrsfähig sind. Wörtlich steht folgendes: «Es werden somit auf dem Markt (Import) und für die Anwendung in der Schweiz keine unter den Bestimmungen der EU-MDR aufbereiteten Einmalprodukte toleriert».

Diese Ausführungen des BAG decken sich jedoch nicht mit dem Verordnungstext, welcher explizit auf Art. 17 Abs. 3 EU-MDR verweist und damit grundsätzlich lediglich Einmalprodukte abdeckt, die innerhalb einer Gesundheitseinrichtung aufbereitet werden. Unter Berücksichtigung des mit Art. 73 Abs. 2 MepV verfolgten Ziels – nämlich die Umgehung von Art. 73 Abs. 1 MepV durch Import von im Ausland wiederaufbereiteten Einmalprodukten – hätte richtigerweise ein Verweis auf Art. 17 EU-MDR als Ganzes erfolgen müssen, ohne weitere Verweisung auf einen spezifischen Absatz von Art. 17 EU-MDR. Eine rein grammatikalische Auslegung von Art. 73 Abs. 2 MepV würde demnach dazu führen, dass Einmalprodukte, die in der Europäischen Union gemäss Art. 17 Abs. 1 oder 2 EU-MDR wiederaufbereitet wurden, grundsätzlich in der Schweiz verwendet werden dürfen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Aufsichtsbehörden diese Auslegung unter Verweis auf Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht als massgebend ansehen.

IV. Folgen der Nichtbeachtung

10 Die Nichtbeachtung von Art. 73 MepV ist strafbewehrt. Gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d HMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich Medizinprodukte, die den Anforderungen des HMG nicht entsprechen, in Verkehr bringt, ausführt oder anwendet.

Im Falle der fahrlässigen Tatbegehung droht Geldstrafe und in leichten Fällen kann auf Busse erkannt werden (Art. 86 Abs. 4 HMG). In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage, ob die unklare Bestimmung in Art. 73 Abs. 2 MepV als Grundlage für eine Bestrafung ausreicht, sofern Einmalprodukte, welche gemäss Art. 17 Abs. 1 oder 2 EU-MDR wiederaufbereitet wurden, in der Schweiz verwendet werden.

11 Die gesetzlichen Anforderungen an die Medizinprodukte ergeben sich unter anderem aus Art. 45 HMG, dessen Abs. 7 in Art. 73 MepV konkretisiert wurde, weshalb folglich auch das Ausführungsrecht bei der Beurteilung einer Verletzung der gesetzlichen Anforderungen zu beachten ist.

Literaturverzeichnis

Suter Benedikt A./Pieles Yvonne, Kommentierung zu Art. 86, in: Eichenberger Thomas/Jaisli Urs/Richli Paul (Hrsg.), Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2. Aufl., Basel 2022.

Zobrist Markus, Invasive Medizinprodukte für den Einmalgebrauch sind nicht wiederverwendbar, SGSV Forum 2 (2004), S. 31 ff.

Meier Andreas L./Cortizo Juan, Kommentierung zu Art. 45, in: Eichenberger Thomas/Jaisli Urs/Richli Paul (Hrsg.), Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2. Aufl., Basel 2022.

Materialienverzeichnis

Bundesamt für Gesundheit, Erläuternder Bericht zur Totalrevision der Medizinprodukteverordnung und Verordnung über klinische Versuche mit Medizinprodukten, Juli 2020 («BAG, Erläuternder Bericht»).

Fussnoten

  • Vgl. dazu auch BSK HMG-Meier/Cortizo, Art. 45 N. 91 ff.
  • BAG, Erläuternder Bericht MepV und KlinV-Mep, S. 48.
  • Zobrist Markus, Invasive Medizinprodukte für den Einmalgebrauch sind nicht wiederverwendbar, SGSV Forum 2 (2004), S. 31.
  • Das Durchlaufen des Wiederaufbereitungsprozesses war gerade nicht Teil des Konformitätsbewertungsverfahrens eines Einmalprodukts.
  • Zobrist Markus, Invasive Medizinprodukte für den Einmalgebrauch sind nicht wiederverwendbar, SGSV Forum 2 (2004), S. 31.
  • BAG, Erläuternder Bericht MepV und KlinV-Mep, S. 48.
  • BAG, Erläuternder Bericht MepV und KlinV-Mep, S. 48.
  • BSK HMG-Suter/Pieles, Art. 86 N. 39.
  • BSK HMG-Suter/Pieles, Art. 86 N. 39(5).

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10.17176/20250218-194623-0

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