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- Art. 11 OR
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- Übergangsbestimmungen zur Aktienrechtsrevision vom 19. Juni 2020
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- Art. 2 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])
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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
I. Historischer Hintergrund
1 Die Frage nach dem Nachweis der Stimmberechtigung stellte sich seit der Einführung des Referendums- und Initiativrechts im 19. Jahrhundert. In Bezug auf die Initiative hielt das Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei Begehren um Volksinitiative und bei Abstimmungen über die Revision der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 (im Folgenden: Gesetz von 1892) in Art. 5 Ziff. 3 bereits fest, dass "Unterschriften, die nicht mit der in Art. 4 Ziff. 3 vorgeschriebenen Bescheinigung versehen sind oder deren Bescheinigung unrichtig oder unvollständig ist, nicht in Betracht kommen". In diesem Artikel hieß es weiter: "Wenn sich Unterschriften finden, die offensichtlich von ein und derselben Hand stammen, werden sie für ungültig erklärt und kommen nicht in Betracht".
2 Fünf Jahre später, als der Bundesrat feststellte, dass die Unregelmäßigkeiten, die bei den Bescheinigungen auftraten, zur Ungültigkeitserklärung einer großen Anzahl von Unterschriften führten, versuchte er, diesem Nachteil abzuhelfen, indem er das Reglement betreffend die Begehren um Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse sowie um Revision der Bundesverfassung vom 23. Februar 1897 (im Folgenden: Reglement von 1897) erließ. Dieses Reglement legt in Art. 3 fest, dass "wenn sich in einer Liste Unterschriften finden, die offensichtlich von derselben Hand geschrieben sind, diese Unterschriften mit Ausnahme einer einzigen als ungültig durchgestrichen werden".
3 Art. 63 BPR, der 1978 in Kraft trat, übernahm in seinem Absatz 2 den Inhalt von Art. 3 der Verordnung von 1897: Nur eine Unterschrift wird bescheinigt, wenn der Wähler den Antrag mehrfach unterschrieben hat. Art. 63 BPR führte darüber hinaus in seinem Absatz 3 eine Neuerung ein. Die Behörde, die die Wählereigenschaft der Unterzeichner überprüfen muss, muss nun kurz den Grund für die Ablehnung begründen.
4 Art. 19 Abs. 2 lit. a bis f der Verordnung über die politischen Rechte vom 24. Mai 1978 (VPR) legt im Detail die sechs Gründe fest, die zur Verweigerung der Bescheinigung führen: Unleserlichkeit, Nichtidentifikation, mehrfache Unterschriften, Unterschriften von derselben Hand, nicht handschriftliche Unterschriften und ein Wähler, der nicht im Register der eidgenössischen Stimmberechtigten eingetragen ist.
5 1997 wurden den Buchstaben g und h von Art. 19 Abs. 2 VPR zwei Gründe hinzugefügt, nämlich das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift und ein falsches Geburtsdatum.
6 Das BPR hatte außerdem die Möglichkeit eingeführt, Mängel in der Bescheinigung zu korrigieren, wenn das Zustandekommen des Referendums davon abhing (Art. 65 aBPR). Auch nach Ablauf der Referendumsfrist war es möglich, diese Mängel zu beheben. Art. 19 Abs. 4 aVRP sah vor, dass, wenn die Behörde nicht in der Lage war, ihre Bescheinigung innerhalb der erforderlichen Frist zu erteilen, sie dies auf der Liste unter Angabe des Datums des Eingangs der Bescheinigung vermerkte. Die Möglichkeit, Mängel in der Bescheinigung nachträglich zu korrigieren, wurde 1997 abgeschafft.
II. Bedeutung der Bestimmung
A. Allgemeines
7 Art. 63 BPR mit der Überschrift "Verweigerung der Bescheinigung" besteht seit seiner Entstehung aus drei Absätzen. Sein Wortlaut ist seit 1978 unverändert geblieben.
8 Art. 63 BPR befindet sich in Titel 4 des BPR, der dem Referendum gewidmet ist. Er gilt jedoch durch Verweis in Art. 70 BPR auch für Volksinitiativen. Ebenso verweist Art. 26 PPV über Volksinitiativen auf Art. 19 und 20 PPV (die im Kapitel über das Referendum enthalten sind).
9 Art. 63 BPR konkretisiert die Modalitäten für die Verweigerung der Bestätigung der Wählereigenschaft. Die Phase der Bescheinigung der Unterschriften auf den Listen liegt nach der Unterschriftensammlung (Art. 61 BPR) und vor der Entscheidung über das Zustandekommen (Art. 66 und 67b BPR für das Referendum und Art. 72 BPR für die Initiative).
10 Die Vorschriften über die Verweigerung der Bescheinigung gelten sowohl für die eidgenössische Verfassungsinitiative, die eine Totalrevision verlangt (Art. 138 BV), als auch für die Initiative, die eine Teilrevision verlangt (Art. 139 BV). Sie gelten auch für alle Arten von Referendumsbegehren, die in Art. 141 BV aufgeführt sind (Referendum über Bundesgesetze, dringlich erklärte Bundesgesetze mit einer Geltungsdauer von mehr als einem Jahr, Bundesbeschlüsse, soweit dies in der Verfassung oder im Gesetz vorgesehen ist, bestimmte internationale Verträge).
11 Die Tragweite von Art. 63 BPR ist beträchtlich, da die Erteilung der Unterschriftenbescheinigung eine Verfahrensvoraussetzung für das Zustandekommen des Referendumsbegehrens oder der Initiative ist. Um festzustellen, ob ein Referendumsbegehren oder eine Initiative zustande gekommen ist, prüft die Bundeskanzlei unter anderem, ob die Stimmrechtsbescheinigung ordnungsgemäß vorgelegt wurde (Art. 21 BPR). Das Zustandekommen selbst ist eine Voraussetzung für die Vorlage zur Volksabstimmung. Die Weigerung, eine Wählerbescheinigung auszustellen, kann somit zur Folge haben, dass eine Initiative oder ein Referendumsbegehren nicht zustande kommt.
12 Art. 63 BPR als Regel, die die politischen Rechte organisiert, genießt den Schutz, den die Garantie der politischen Rechte (Art. 34 Abs. 1 BV) bietet. Die Glaubwürdigkeit der politischen Rechte hängt davon ab, wie mit Bescheinigungen über die Wählereigenschaft umgegangen wird. Es handelt sich um eine zentrale Verfahrensvoraussetzung für die Ausübung und Gewährleistung der politischen Rechte in der Schweiz. Dies macht sie zu einer Herausforderung für das Funktionieren der direkten Demokratie.
Die Verweigerung der Stimmrechtsbescheinigung, indem sie sicherstellt, dass nur Mitglieder der Stimmberechtigten Initiativen oder Referendumsbegehren unterzeichnen (und zwar nur einmal), wird auch durch Art. 34 Abs. 2 BV geschützt, der das Recht auf die genaue Zusammensetzung der Stimmberechtigten (wer das Referendums- oder Initiativbegehren unterzeichnet hat) beinhaltet. Es ist eine Grundvoraussetzung für die Gewährleistung eines Abstimmungsergebnisses, das den freien und unverfälschten Willen der Wähler widerspiegelt. Er schafft Vertrauen und dient daher der Akzeptanz des Abstimmungsergebnisses.
13 Eine Stimmrechtsbeschwerde kann wegen Verletzung von Art. 63 BPR (Art. 77 Abs. 1 lit. a BPR) gegen eine ungerechtfertigte Verweigerung der Bescheinigung bei der Kantonsregierung eingereicht werden. Die Angabe des Verweigerungsgrundes soll es den Beschwerdeinstanzen erleichtern, festzustellen, ob die Verweigerung gerechtfertigt ist. Die Beschwerde muss innerhalb von drei Tagen nach Entdeckung des Beschwerdegrundes, spätestens aber am dritten Tag nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im kantonalen Amtsblatt eingereicht werden (Art. 77 Abs. 2 BPR). Gegen den Entscheid der Kantonsregierung kann beim Bundesgericht Beschwerde eingelegt werden (Art. 80 Abs. 1 BPR und Art. 82 lit. c BGG).
Eine Rüge im Zusammenhang mit der Stimmrechtsbescheinigung kann auch im Rahmen einer Beschwerde an das Bundesgericht gegen den Entscheid der Bundeskanzlei über das Nichtzustandekommen einer Initiative oder eines Referendums geltend gemacht werden (Art. 80 Abs. 2 BPR und Art. 82 lit. c BGG). Wenn also die Bundeskanzlei eine Volksinitiative oder ein Referendum aufgrund einer zu geringen Anzahl gültiger Unterschriften für nicht zustande gekommen erklärt, kann das organisierende Komitee beim Bundesgericht Beschwerde einlegen. Das Komitee kann sich nämlich darüber beschweren, dass die Listen mit den Wählerbescheinigungen zu spät nachgesandt wurden oder dass nicht deutlich auf die Ungültigkeit bestimmter Unterschriften hingewiesen wurde.
14 Aus strafrechtlicher Sicht handelt die für die Beglaubigung der Unterschriften zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft und fällt unter den qualifizierten Tatbestand von Art. 282 Ziff. 2 StGB, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe von mindestens 30 Tagessätzen bestraft wird, wer die Zahl der zur Unterstützung eines Referendums oder einer Initiative gesammelten Unterschriften fälscht, indem er namentlich Unterschriften hinzufügt, ändert, wegnimmt oder streicht oder Unterschriften unrichtig zählt. Die Verweigerung der Beglaubigung von Unterschriften sowie die bewusste Verwendung von ungültigen Unterschriftenlisten fallen ebenfalls unter Art. 282 Ziff. 1 III StGB. Das Ergebnis der Unterschriftensammlung muss verändert worden sein und einen Einfluss auf das Zustandekommen der Initiative oder des Referendums ausgeübt haben. Da es sich bei Wahlbetrug um ein vorsätzliches Delikt handelt, stellen einfache Rechenfehler bei der Zählung der Unterschriften keine Straftat dar.
B. Vergleichendes kantonales Recht
15 Der Begriff der Verweigerung der Bescheinigung der Wählereigenschaft findet sich in allen kantonalen Gesetzen oder Regelungen. Die Kantone haben ähnliche Bestimmungen wie Art. 63 BPR erlassen, jedoch mit einigen Besonderheiten.
16 Wie auf Bundesebene muss der Grund, aus dem eine Unterschrift für ungültig erklärt wird, angegeben werden.
17 Häufige Gründe sind die Unleserlichkeit der Unterschrift, die Tatsache, dass die Unterschrift mehrfach gegeben wurde, von derselben Hand stammt, nicht handschriftlich ist, der Unterzeichner nicht im Stimmregister eingetragen ist, der Unterzeichner nicht identifizierbar ist, das Geburtsdatum falsch ist oder die Unterschrift bereits durchgestrichen war, als die Gemeinde die Liste erhalten hat. Im Kanton Zürich verweist das kantonale Recht in Bezug auf die Gründe für die Verweigerung einer Bescheinigung direkt auf das Bundesrecht.
18 Wie im Bundesrecht muss die zuständige Behörde sicherstellen, dass nicht dieselbe Person denselben Antrag mehrfach unterzeichnet hat. Wenn das Mitglied der Stimmberechtigten die Initiative mehrfach unterzeichnet hat, wird nur eine Unterschrift für gültig erklärt. In einigen Kantonen wird darauf hingewiesen, dass sich jede Person, die eine andere als ihre eigene Unterschrift anbringt, strafrechtlich strafbar macht. Der Kanton Uri sieht vor, dass im Falle von Mehrfachunterschriften keine einzige Unterschrift bestätigt wird. Dies scheint gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) und die Garantie der politischen Rechte (Art. 34 BV) zu verstossen.
19 Viele Kantone wie Waadt, Wallis, Solothurn, Aargau, Schaffhausen, St. Gallen, Basel-Landschaft, Graubünden weisen die für die Beglaubigung der Unterschriften zuständige Behörde oder die Kantonskanzlei an, Mängel der Beglaubigung unter bestimmten Voraussetzungen zu beheben, grundsätzlich dann, wenn der Erfolg davon abhängt. Die Korrekturen können auch nach Ablauf der Referendumsfrist erfolgen. Im Kanton Neuenburg ist vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Mängel beseitigen muss, wenn der Unterzeichner oder die Unterzeichnerin trotz unvollständiger Angaben leicht identifiziert werden kann.
20 Im Kanton Freiburg informiert die Kantonskanzlei die Personen, deren Unterschrift für ungültig erklärt wurde, und weist sie auf die Rechtswege hin. In einem Urteil aus dem Jahr 1894 hatte das Bundesgericht bereits ein Recht der Bürger auf Einsichtnahme in die für ungültig erklärten Unterschriften anerkannt, falls diese für das Nichtzustandekommen der Initiative ausschlaggebend waren.
21 In einigen Kantonen, wie Solothurn und Freiburg, wird ausdrücklich erwähnt, dass gegen die Verweigerung der Bescheinigung eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht oder beim Kantonsgericht eingereicht werden kann.
III. Kommentar
A. Absatz 1: Die Gründe für die Verweigerung der Bescheinigung.
22 Art. 63 Abs. 1 BPR sieht vor, dass die Bescheinigung der Wählereigenschaft verweigert wird, wenn die Bedingungen von Art. 61 BPR bezüglich der Unterschrift nicht erfüllt sind.
Die erste Bedingung, um eine Unterschrift für gültig zu erklären, ist, dass der Unterzeichner am Tag des Eingangs der Liste bei der zuständigen Dienststelle im Wählerverzeichnis (Art. 4 BPR) eingetragen ist. Die Bescheinigung wird nämlich nur erteilt, wenn der Unterzeichner an dem Tag, an dem die Unterschriftenliste zur Bescheinigung vorgelegt wurde, im Wählerregister eingetragen ist (Art. 19 Abs. 1 VPR). Daher ist es wichtig, dass die zuständige Stelle auf jeder Liste das Datum des Eingangs angibt.
Weitere Voraussetzungen sind, dass der Name, der/die Vorname/n und die Unterschrift handschriftlich geleistet wurden. Diese Bedingungen sind kumulativ.
23 Art. 19 Abs. 2 VPR zählt acht Fälle auf, in denen die Bestätigung der Wählereigenschaft verweigert wird:
die Unterschrift ist unleserlich (lit. a).
die Unterschrift ist nicht identifizierbar (lit. b).
die Unterschrift wird mehrfach gegeben (lit. c).
es gibt Unterschriften von derselben Hand (lit. d).
die Unterschrift ist nicht handschriftlich (lit. e): Die Felder "Vor- und Nachname" und "Unterschrift" müssen persönlich von Hand ausgefüllt werden und wiederholende Anführungszeichen sind verboten. Dagegen dürfen das Geburtsdatum und die Adresse von einer anderen Person gedruckt oder geschrieben werden; wiederholende Anführungszeichen dürfen an der Stelle verwendet werden, die für die Adresse vorgesehen ist.
Das Gesetz sieht eine Ausnahme für Personen vor, die nicht schreiben können (aufgrund von Blindheit, Tetraplegie oder einer schweren Handverletzung). Um eine Initiative oder einen Antrag auf ein Referendum zu unterschreiben, müssen sie einen Wähler ihrer Wahl bitten, ihren Namen, Vornamen, ihr Geburtsdatum und ihre Adresse in die Liste einzutragen. Im Unterschriftsfeld muss die Person, die um Hilfe gebeten wird, ihren eigenen Namen in Großbuchstaben schreiben, den Vermerk "im Auftrag/p.o" hinzufügen und ihre Unterschrift handschriftlich anbringen (Art. 61 Abs. 1bis BPR und 18a VPR).
der Stimmberechtigte ist nicht eingetragen (lit. f): Es kann sich um eine Person handeln, die nicht Schweizer Bürger ist, eine minderjährige Person, eine Person, die keinen Wohnsitz hat oder nicht mehr in der Gemeinde lebt, einen Wochenaufenthalter in einer Gemeinde, eine verstorbene Person oder eine Person, die aufgrund von Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft steht.
das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift (lit. g).
das Geburtsdatum ist falsch (lit. h): Wenn zur Identifizierung eines Unterzeichners das vollständige Geburtsdatum (und nicht nur das Jahr) erforderlich ist (z. B. bei in einer Gemeinde üblichen Vor- und Nachnamen), muss dieses angegeben werden. Wenn die Person trotz eines unvollständigen Datums leicht identifiziert werden kann, ist die Unterschrift als gültig zu betrachten. Wenn das Geburtsdatum hingegen falsch ist und Zweifel an der Echtheit der Unterschrift bestehen, ist diese ungültig. Dasselbe gilt für die Adresse.
Die Unterschrift ist bereits gestrichen, wenn die Gemeinde die Liste erhalten hat: Dieser neunte Ungültigkeitsgrund ist nicht in Art. 19 Abs. 2 VPR enthalten, sondern wurde von der Bundeskanzlei hinzugefügt.
24 Die nach kantonalem Recht zuständige Behörde muss auf jeder Liste oder in der Sammelbescheinigung die Anzahl der gültigen Unterschriften und die Anzahl der ungültigen Unterschriften angeben.
B. Absatz 2: Der Sonderfall der Mehrfachunterschrift.
25 Ein Wähler kann jede Initiative oder jedes Referendumsbegehren nur einmal unterschreiben. Mehrmals gegebene Unterschriften müssen ab der zweiten durchgestrichen werden. Die Gefahr, mehrfach auf Unterschriften zu treffen, ist besonders groß bei Referenden, die von verschiedenen Komitees gegen denselben Rechtsakt ergriffen werden. Um zu vermeiden, dass für dieselbe Person mehrere Stimmrechtsbescheinigungen ausgestellt werden, ist es ratsam, nach Erhalt der ersten Listen für jede Initiative und jedes Referendum eine Computerdatei anzulegen oder einen Auszug aus dem Wählerregister auszudrucken. Wenn diese auf dem neuesten Stand gehalten werden, wird es später leicht zu bemerken sein, ob ein Wähler die betreffende Initiative oder das Referendum bereits unterschrieben hat.
26 Da die Frist für die Unterschriftensammlung bei Volksinitiativen lang ist (18 Monate), kann es auch vorkommen, dass eine Person im ersten Monat der Frist eine Volksinitiative unterschreibt (obwohl sie in einem französischsprachigen Kanton wohnt), in einen deutschsprachigen Kanton umzieht und siebzehn Monate später dieselbe Initiative ein zweites Mal unterschreibt, ohne die Absicht, sie zu fälschen. In diesem Fall kann weder die Gemeinde im französischsprachigen Kanton noch die Gemeinde im deutschsprachigen Kanton von der von der anderen Gemeinde ausgestellten Bescheinigung Kenntnis erlangen. Erst bei der späteren Kontrolle durch die Bundeskanzlei kann diese Doppelunterschrift entdeckt werden .
27 Bei Gemeindefusionen sollte dem Risiko, dass eine Person dieselbe Initiative oder dasselbe Referendumsbegehren mehrfach unterschreibt, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Jede der betroffenen Gemeinden müsste eine Liste der Stimmberechtigten führen, auf der die Namen der Unterzeichner gestrichen sind. Diese Listen können dann nach der Fusion verglichen werden.
28 Die mehrfache Unterzeichnung ein und derselben Initiative oder eines Referendumsbegehrens hat auch strafrechtliche Konsequenzen. Dieses Verhalten stellt einen Wahlbetrug im Sinne von Art. 282 Ziff. 1 II StGB dar und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Dasselbe gilt für die Unterzeichnung eines Referendumsbegehrens oder einer Initiative, ohne Inhaber der politischen Rechte zu sein (sei es aufgrund des Alters, eines Wohnsitzwechsels oder der Staatsangehörigkeit), sowie für die Unterzeichnung im Namen eines Dritten, selbst wenn der Verfasser als Vertreter des Betroffenen handelt, und sei es auch mit dessen Zustimmung. Es ist unerheblich, ob der Antrag auf eine Initiative oder ein Referendum ohnehin die erforderliche Anzahl von Unterschriften erreicht. Die Straftat ist in dem Moment vollendet, in dem der Täter an einem der in Art. 282 Ziff. 1 II StGB aufgeführten politischen Rechte teilnimmt, ohne dazu berechtigt zu sein. Der Einfluss auf das Ergebnis ist dabei unerheblich. Wahlbetrug hingegen ist eine vorsätzliche Straftat. Wenn also ein Bürger einen Antrag auf ein Referendum oder eine Initiative mehrmals unterschreibt, ohne sich daran zu erinnern, dass er ihn bereits unterschrieben hat, begeht er keine Straftat.
C. Absatz 3: Die Pflicht zur Begründung der Ablehnung
29 Die zuständige Behörde muss ungültige Unterschriften identifizieren und sie streichen. Wenn sie die Ausstellung einer Bescheinigung verweigert, muss sie ihre Weigerung begründen. Sie darf jedoch bei ihrer Weigerung, die Bescheinigung auszustellen, keinen übermäßigen Formalismus an den Tag legen. Der Grund für die Ungültigkeit einer Unterschrift ist in der Kontrollspalte unter Verwendung der von der Bundeskanzlei vorgeschlagenen Abkürzungen einzutragen.
30 Die Möglichkeit für die zuständige Stelle, Mängel an der Bescheinigung zu beheben, wenn das Zustandekommen des Referendums davon abhängt, und diese Mängel auch nach Ablauf der Referendumsfrist zu beheben, wurde 1997 aufgegeben.
31 Gegen eine nicht oder schlecht begründete Verweigerung einer Bescheinigung kann bei der Kantonsregierung Beschwerde eingelegt werden (oben N 13). Die Angabe des Verweigerungsgrundes soll es den Beschwerdeinstanzen erleichtern, festzustellen, ob die Verweigerung begründet ist.
Literaturverzeichnis
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Tornay Schaller Bénédicte, Commentaire de l’art. 62 LDP, in : Glaser Andreas / Braun Binder Nadja / Bisaz Corsin / Tornay Schaller Bénédicte (édit.), Onlinekommentar de la loi fédérale sur les droits politiques, disponible sous : https://onlinekommentar.ch/fr/kommentare/bpr62, (dernière consultation le 4.4.2024) (OK-Tornay Schaller).
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Wili Hans-Urs, « Gutes entsteht nicht, wo viele herrschen»…? Zu Entwicklung der Volksinitiative 1975-2015, in : LeGes 2017, p. 11.