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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
BUNDESGESETZ ÜBER INTERNATIONALE RECHTSHILFE IN STRAFSACHEN
DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
I. Grundlagen
A. Natur
1 Unter den verschiedenen Verfahrensarten, die die ZPO kennt, ist das ordentliche Verfahren das grundlegende Verfahren. Daher gilt sie analog auch für die anderen Verfahrensarten (Art. 219 ZPO). Die anderen Verfahrensarten sind das vereinfachte Verfahren (Art. 243 ff. ZPO) und das summarische Verfahren (Art. 248 ff. ZPO). Die Bestimmungen zu diesen Verfahren sind im Allgemeinen weniger detailliert und beschränken sich auf die Regelung von Ausnahmen vom ordentlichen Verfahren. Es sei darauf hingewiesen, dass das Gesetz einige besondere Verfahren im Familienrecht einführt (Art. 271 ff. ZPO). Diese können nicht als eigenständige Verfahrensart bezeichnet werden, sondern enthalten vielmehr Ausnahmen von den Regelungen, die im ordentlichen, vereinfachten und summarischen Verfahren vorgesehen sind.
2 Die ZPO legt somit den Anwendungsbereich jeder Verfahrensart fest. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Vermischung verschiedener Verfahrensarten in einem Prozess verboten ist (vgl. notabene Art. 90 lit. b und 224 Abs. 1 ZPO). Ebenso sieht das Gesetz grundsätzlich keinen Wechsel der Verfahrensart während des Verfahrens vor (vgl. notabene Art. 227 Abs. 1 ZPO). Bestimmte Mechanismen erlauben eine Beibehaltung der anwendbaren Verfahrensart, selbst wenn der Streitwert während des Verfahrens schwankt und die Grenze von Art. 243 Abs. 1 ZPO in die eine oder andere Richtung überschritten wird (vgl. not. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 und Art. 227 Abs. 3 ZPO). Die Rechtsprechung macht jedoch eine Ausnahme, wenn eine negative Feststellungswiderklage als Reaktion auf eine Teilklage erhoben wird (Art. 86 ZPO); in diesem Fall kann es zu einem Wechsel vom vereinfachten zum ordentlichen Verfahren kommen.
3 Da das Zivilverfahren dem öffentlichen Recht unterliegt, sind die Bestimmungen der ZPO zwingender Natur. Folglich ist die Wahl der Verfahrensart für den einen oder anderen Anspruch nicht der freien Wahl der Parteien überlassen. Vorbehalten bleibt die Situation, in der sich der Kläger für den Weg des Schutzes in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) und damit für das summarische Verfahren (Art. 248 Bst. b ZPO) entscheidet. Die Parteien können jedoch aufgrund des Dispositionsprinzips (Art. 58 Abs. 1 ZPO) und der Streitwertregeln (Art. 91 ff. und 243 Abs. 1 ZPO) indirekt Einfluss auf das anwendbare Verfahren nehmen. So kann der Kläger beispielsweise nur einen Teil seines Anspruchs, der weniger als CHF 30'000 beträgt, mit einer Teilklage geltend machen (Art. 86 ZPO). Es steht ihm auch frei, mehrere Ansprüche zu kumulieren (Art. 90 ZPO) oder darauf zu verzichten, was sich in der Regel auf den Streitwert auswirkt (Art. 93 Abs. 2 ZPO). Schließlich erlauben bestimmte Vorschriften über den Streitwert den Parteien, sich auf den Streitwert zu einigen (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Manchmal ist es allein die klagende Partei, die den Streitwert vorläufig bestimmen kann, um das anwendbare Verfahren festzulegen (Art. 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Parteien dürfen jedoch keine offensichtlichen Übertreibungen vornehmen, da ihnen sonst Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden kann (Art. 52 ZPO) .
B. Merkmale
4 Das ordentliche Verfahren entspricht dem Ausdruck des klassischen Zivilprozesses. Dieser wird im Wesentlichen der Initiative der Parteien überlassen. Die zivilprozessualen Kardinalprinzipien der Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO) und der Dispositionsmaxime (Art. 58 Abs. 1 ZPO) gelten hier weitgehend, oder genauer gesagt, in weniger abgeschwächter Form als im summarischen oder vereinfachten Verfahren. Die Tätigkeit des Gerichts beschränkt sich auf die formelle Durchführung des Verfahrens. Hierbei hat es einen großen Ermessensspielraum. So kann es einen zweiten Schriftenwechsel (Art. 225 ZPO), eine oder mehrere Instruktionsverhandlungen (Art. 226 ZPO) anordnen oder die Parteien direkt zur Hauptverhandlung vorladen (Art. 228 ff. ZPO).
5 Im Gegensatz zum vereinfachten Verfahren oder zum summarischen Verfahren findet das ordentliche Verfahren überwiegend schriftlich statt. Die Mündlichkeit spielt hier eine untergeordnete Rolle, ist aber dennoch vorhanden. So kann das Gericht eine Beweisaufnahme anordnen (Art. 226 ZPO) oder zu Beginn der Hauptverhandlung eine zweite Runde durchführen (Art. 229 Abs. 1 ZPO), in der die Parteien in der Regel zweimal plädieren (Art. 228 und 232 ZPO). Zudem sind die Anforderungen an Form und Inhalt von Parteivorträgen strenger. Insbesondere ist es nicht möglich, einen Antrag zu Protokoll zu diktieren, wie es im vereinfachten und summarischen Verfahren der Fall ist (vgl. Art. 244 und 252 ZPO). Schliesslich ist die Interpellationsbefugnis des Gerichts im ordentlichen Verfahren (Art. 56 ZPO) stärker eingeschränkt als im vereinfachten Verfahren (Art. 247 Abs. 1 ZPO).
6 Das ordentliche Verfahren wird zu Recht als anspruchsvoll bezeichnet. Dies gilt umso mehr, als eine mögliche Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen kann. So wird nach der strikten Anwendung der Verhandlungsmaxime eine nicht, falsch oder verspätet vorgebrachte Tatsache in der Regel nicht berücksichtigt, was zur Abweisung des Antrags in der Sache führen kann. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist das ordentliche Verfahren für privatrechtliche Handelsprozesse mit einem hohen Streitwert konzipiert. Aus diesem Grund werden die Parteien in der Regel von einem professionellen Vertreter unterstützt, ohne dass sie dazu verpflichtet sind.
II. Anwendungsbereich
A. Negativer Anwendungsbereich
7 Der Anwendungsbereich des ordentlichen Verfahrens wird hauptsächlich negativ definiert. Denn dieses hat gegenüber dem vereinfachten und dem summarischen Verfahren subsidiären Charakter. Folglich ist das ordentliche Verfahren auf Ansprüche anwendbar, auf die das vereinfachte Verfahren (Art. 243 ff. ZPO), das summarische Verfahren (Art. 248 ff. ZPO) und das Scheidungsverfahren (Art. 274 ff. ZPO) nicht anwendbar sind.
8 Das ordentliche Verfahren gilt somit für Ansprüche, die aufgrund ihrer Natur nicht dem vereinfachten Verfahren unterliegen. Diese sind in Art. 243 Abs. 2 ZPO abschliessend aufgezählt. Hinzu kommen Verfahren in Bezug auf Kinder in familienrechtlichen Angelegenheiten (Art. 295 ff. und 307a ZPO). Im Übrigen betrifft das ordentliche Verfahren nach Art. 243 Abs. 1 ZPO nur Ansprüche mit einem Streitwert von über CHF 30'0000. Der Streitwert wird nach Art. 91 ff. ZPO bestimmt. In dieser Hinsicht geht die Berechnung des Streitwerts der Bestimmung des anwendbaren Verfahrens voraus. So ist bei einer objektiven Klagenhäufung zunächst der Wert der einzelnen Ansprüche gemäss Art. 93 Abs. 2 ZPO zu addieren und anschliessend das auf das Ergebnis anwendbare Verfahren gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO zu bestimmen.
9 Das ordentliche Verfahren findet keine Anwendung auf Fälle, die dem summarischen Verfahren unterliegen. Dazu gehören die klaren Fälle (Art. 257 ZPO), deren Anwendung jedoch vom Willen der gesuchstellenden Partei abhängt, die Verbannung (Art. 258 ff. ZPO), die vorsorglichen Massnahmen (Art. 261 ff. ZPO) sowie die freiwillige Gerichtsbarkeit (Art. 248 lit. e ZPO). Hinzu kommen die Fälle, in denen das Gesetz die Anwendung des summarischen Verfahrens vorschreibt (Art. 248 lit. a ZPO). Das Gesetz stellt in Art. 249-251a ZPO einen Katalog dieser Fälle auf. Dieser ist jedoch nicht abschliessend, da das Bundesgericht ihn bereits in der einen oder anderen Wiederaufnahme erweitert hat.
10 Es obliegt dem Gericht, das anwendbare Verfahren zu bestimmen, da der Kläger nicht verpflichtet ist, das anwendbare Verfahren in der Klage anzugeben. Die Einhaltung des anwendbaren Verfahrens bleibt dennoch eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die das Gericht von Amts wegen prüft (Art. 60 ZPO). Dabei prüft es, ob die Voraussetzungen bezüglich der Form (Art. 130 ZPO) und des Inhalts (Art. 221, 244 und 252 ZPO) der Klageschrift erfüllt sind oder ob die Klageschrift nicht zur gleichzeitigen Anwendung mehrerer Verfahrensarten führt (vgl. notabene Art. 90 lit. b oder 224 Abs. 1 ZPO). Bei Zweifeln oder Streitigkeiten über das anwendbare Verfahren kann das Gericht eine Entscheidung über diese Frage treffen. Ein solcher Entscheid wird in der Regel als weiterer Entscheid im Sinne von Art. 319 lit. b ZPO oder sogar als Endentscheid (Art. 236 ZPO) oder Zwischenentscheid (Art. 237 ZPO) bezeichnet, wenn der behauptete Mangel zur Unzulässigkeit der Klage führen könnte. Wird die Klage für unzulässig erklärt, weil sie nicht in dem vorgeschriebenen Verfahren eingereicht wurde, bietet Art. 63 ZPO der klagenden Partei eine zweite Chance, indem sie innerhalb eines Monats eine neue Klage einreichen kann.
B. Positiver Anwendungsbereich
11 In bestimmten Situationen bestimmt sich der Anwendungsbereich des ordentlichen Verfahrens jedoch positiv. Dies gilt erstens für Streitigkeiten, die nicht vermögensrechtlicher Natur sind. Ein Anspruch wird als nicht vermögensrechtlicher Anspruch bezeichnet, wenn er ideeller Natur ist und nicht zum Vermögen einer Person gehört oder eng mit diesem verbunden ist. Solche Streitigkeiten ohne Streitwert unterliegen grundsätzlich dem ordentlichen Verfahren, sofern nicht aufgrund der Art des Anspruchs das summarische oder das vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommt (vgl. Art. 243 Abs. 2 und 295 ZPO). Zu beachten ist, dass viele nicht vermögensrechtliche Fälle aufgrund ihrer Natur im summarischen oder vereinfachten Verfahren entschieden werden, was die Tragweite dieser Rechtsprechung einschränkt. Zu denken ist hier beispielsweise an Streitigkeiten, die auf die Beendigung von Gewalt, Drohungen oder Belästigung abzielen (Art. 243 Abs. 2 Bst. b ZPO) oder die Ausübung eines Gegendarstellungsrechts betreffen (Art. 249 Bst. a Ziff. 2 ZPO).
12 Der zweite Fall, in dem der Anwendungsbereich des ordentlichen Verfahrens positiv definiert wird, betrifft Streitigkeiten, die der Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Instanz unterliegen (Art. 5 f. und 8 ZPO). In diesen Fällen findet das ordentliche Verfahren unabhängig vom Streitwert Anwendung und die Anwendung des vereinfachten Verfahrens ist grundsätzlich ausgeschlossen (Art. 243 Abs. 3 ZPO). Das System weist jedoch einige Abschwächungen auf. Zunächst ist es nicht ausgeschlossen, dass das summarische Verfahren vor einer einzigen kantonalen Instanz anwendbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Handelsgericht vorsorgliche Massnahmen anordnen muss (Art. 6 Abs. 5 und 248 Bst. d ZPO) oder wenn es in klaren Fällen über einen Anspruch im Rahmen des Schutzes zu entscheiden hat (Art. 257 ZPO). Darüber hinaus ist das Handelsgericht niemals für einen Fall zuständig, für den das vereinfachte Verfahren nach Art. 243 Abs. 2 ZPO gilt. Schliesslich sei daran erinnert, dass bei Streitigkeiten über die Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung (Art. 7 ZPO) das vereinfachte Verfahren unabhängig vom Streitwert zur Anwendung kommt (Art. 243 Abs. 2 Bst. f ZPO).
III. Anwendung auf andere Verfahren
A. Anwendung auf andere Verfahrensarten
13 Art. 219 ZPO sieht vor, dass die Bestimmungen über das ordentliche Verfahren analog auf die anderen Verfahrensarten anzuwenden sind, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Die Tragweite von Art. 219 ZPO hängt somit von der normativen Dichte ab, mit der der Gesetzgeber die verschiedenen Verfahrensarten geregelt hat. Die Argumentation besteht darin, zunächst zu prüfen, ob die Bestimmungen für die jeweilige Verfahrensart etwas vorsehen, und andernfalls die entsprechende Bestimmung für das ordentliche Verfahren anzuwenden. Es ist zu beachten, dass diese auch durch Kaskadendenken Anwendung finden kann. So können in einem Eheschutzverfahren die Bestimmungen über das ordentliche Verfahren nur dann greifen, wenn zuerst die Art. 272 ff. ZPO und danach die Bestimmungen über das summarische Verfahren das betreffende Problem nicht regeln.
14 Die Anwendung der Bestimmungen über das ordentliche Verfahren auf andere Verfahrensarten ist jedoch nicht grenzenlos. Art. 219 ZPO besagt zunächst, dass diese gelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Dies betrifft vor allem die Bestimmungen über die anderen Verfahrensarten. Auch andere Gesetze, insbesondere das SchKG (z.B. Art. 84 Abs. 2 SchKG), aber auch das materielle Privatrecht, können Ausnahmen von den Vorschriften über das ordentliche Verfahren vorsehen.
15 Zweitens darf eine analoge Anwendung der Vorschriften über das ordentliche Verfahren nur dann erfolgen, wenn sie sich in die Natur des betreffenden Verfahrens einfügt. Das Bundesgericht ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass Art. 223 Abs. 1 ZPO, der die Ansetzung einer Nachfrist bei fehlender Einreichung der Klageantwort verlangt, nicht anwendbar ist, wenn die ersuchte Partei in einem Rechtsöffnungsverfahren keine Feststellungen trifft. Die Frage, welche Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens mit dem summarischen oder vereinfachten Verfahren vereinbar sind, ist nicht immer einfach zu beantworten und lässt viel Raum für die richterliche Auslegung. Diese ist jedoch nicht grenzenlos. Im Zweifelsfall ist es unserer Ansicht nach angebracht, zur Regel zurückzukehren und die Bestimmungen über das ordentliche Verfahren analog anzuwenden.
16 Die analoge Anwendung der Bestimmungen über das ordentliche Verfahren kann durch eine direkte Übernahme der betreffenden Bestimmung erfolgen. So werden beispielsweise die Bestimmungen über die Protokollierungspflicht (Art. 235 ZPO), die Zustellung von Entscheiden (Art. 236 ff. ZPO) oder die Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid (Art. 241 f. ZPO) analog auf das vereinfachte und das summarische Verfahren angewendet. A maiore minus kann das Gericht zudem einige Abschwächungen oder Anpassungen der übernommenen Regel vornehmen, insbesondere um sie mit der Natur des anwendbaren Verfahrens in Einklang zu bringen. Das Bundesgericht hat beispielsweise entschieden, dass die Parteien im summarischen Verfahren nicht davon ausgehen können, dass ihnen ein zweiter Schriftenwechsel garantiert wird, sondern dass sie unbeschränkt neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen können, wenn das Gericht einen zweiten Schriftenwechsel oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung anordnet.
B. Andere besondere Verfahren
17 Neben den verschiedenen Verfahrensarten stellt sich die Frage, inwieweit Art. 219 ZPO auf Verfahrensschritte anwendbar ist, die der Anwendung des ordentlichen Verfahrens vorausgehen oder folgen, sowie auf Zivilprozesse, in denen die ZPO nicht oder nur als ergänzendes Recht anwendbar ist.
18 Die Rechtsbehelfe der ZPO bestehen aus der Berufung (Art. 308 ff. ZPO), der Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO), der Revision (Art. 328 ff. ZPO) sowie der Auslegung und Berichtigung (Art. 334 ZPO). Diese Verfahren unterliegen einer eigenen Regelung. Der Gesetzgeber hat im Übrigen die Idee eines Verweises auf die Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren aufgegeben. Für das Bundesgericht deutet dies darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Anwendung der Regeln des erstinstanzlichen Verfahrens auf Rechtsbehelfe nicht wollte. Nur wenn die Vorschriften über den Rechtsschutz nichts vorsehen, kann daher eine analoge Anwendung der Vorschriften über das erstinstanzliche Verfahren in Betracht kommen. So wandte das Bundesgericht die Art. 221 und 244 ZPO analog an, um den Inhalt der Berufungsbegründung zu bestimmen, da Art. 311 ZPO zu diesem Thema schweigt. Eine extensive Auslegung der Rechtsmittelbestimmungen durch Anwendung von Art. 219 ZPO ist hingegen aus unserer Sicht nicht möglich.
19 Das Schlichtungsverfahren ist, auch wenn es eine zwingende Voraussetzung dafür darstellt (Art. 197 ZPO), nicht Teil des ordentlichen Verfahrens, das mit der Einreichung der Klage beginnt (Art. 220 ZPO). Wie die Rechtswege ist auch das Schlichtungsverfahren im Gesetz detailliert geregelt. Dieses verfolgt zudem andere Ziele als ein erstinstanzliches Verfahren, nämlich eine gütliche Beilegung des Streits in einem weniger formellen Rahmen als im ordentlichen Verfahren (Art. 201 Abs. 1 ZPO). Folglich finden die Regeln über das ordentliche Verfahren vor allem dann Anwendung, wenn die Art. 197 ff ZPO lückenhaft sind. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Schlichtungsbehörde "wie ein Gericht" handelt, indem sie eine Unzulässigkeitserklärung oder eine Verfügung erlässt (Art. 212 ZPO). Im letzteren Fall ist die Schlichtungsbehörde jedoch verpflichtet, zunächst die Regeln des vereinfachten Verfahrens und dann subsidiär die Regeln des ordentlichen Verfahrens anzuwenden (Art. 219 ZPO).
20 Schliesslich ergibt sich die Anwendung des ordentlichen Verfahrens nicht zwingend aus der ZPO. Diese findet grundsätzlich vor dem Bundespatentgericht Anwendung (Art. 27 BGFA). Schliesslich kann sie als ergänzendes kantonales Recht im Beschwerdeverfahren gegen Entscheide der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zur Anwendung kommen (Art. 450f ZGB). Hingegen ist die BZP - und nicht die ZPO - in den wenigen Fällen anwendbar, in denen das Bundesgericht als einzige Instanz entscheidet (Art. 120 Abs. 3 BGG). Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Bestimmungen der ZPO dort subsidiär zum Tragen kommen.
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