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Kommentierung zu
Art. 28 CCC (Übereinkommen über die Cyberkriminalität [Cybercrime Convention])

Eine Kommentierung von Julian Mausbach

Herausgegeben von Damian K. Graf

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I. Ausrichtung

1 Art. 28 bezweckt die Sicherstellung der Rechtshilfe bei gleichzeitiger Gewährung von Beschränkungen für die Verwendung von Informationen oder Material. Auf diese Weise wird die ersuchte Partei in dies Lage versetzt, besonders sensible Informationen oder besonders sensibles Material nur geschützt zur Verfügung zu stellen. Dieser Schutz kann sich darin erstrecken, dass die Informationen nur für den Zweck verwendet werden dürfen, für den die Unterstützung gewährt wird, oder der Empfängerkreis definiert wird, indem die zur Verfügung gestellten Informationen oder Materialien nicht über die Strafverfolgungsbehörden der ersuchenden Partei hinaus verbreitet werden dürfen. In diesem Sinne ist Art. 28 von seiner Ausrichtung her als klassisch vermittelnde Norm zu verstehen, die zum einen dem Grundzweck der Rechtshilfe und zum anderem den berechtigten Interessen am (Daten-)Schutz der gegenständlichen Informationen und Materialien verpflichtet ist.

2 Der vermittelnde Ansatz wird dabei dadurch sichergestellt, dass in Art. 28 eine Vertraulichkeitspflicht zu lesen ist. Danach muss die empfangende Behörde Informationen, die sie von einem anderen Staat erhalten haben, vertraulich behandeln. Dies bedeutet, dass die Informationen nicht öffentlich gemacht oder an unbefugte Dritte weitergegeben werden dürfen.

3 Des Weiteren besteht der Grundsatz der zweckgebundenen Nutzung. Diesem folgend, darf der empfangende Staat die Informationen nur für die Zwecke verwenden, für die sie ursprünglich übermittelt wurden. Das bedeutet, dass Informationen nicht ohne Zustimmung des übermittelnden Staates für andere Zwecke oder in anderen Verfahren verwendet werden dürfen.

4 Ergänzt wird dies wiederum dadurch, dass Ausnahmen von der Zweckbindung ihrerseits wiederum der Zustimmung bedürfen. Beabsichtigt der empfangende Staat die Informationen für andere Zwecke als jene, die von der Zweckbindung erfasst sind, zu nutzen, ist er darauf angewiesen, dass der übermittelnde Staat dieser Zweckerweiterung zustimmt. Es kommt mithin zu einer Sicherstellung, dass die Kontrolle über die Verwendung der Informationen in der Hand des Staates verbleibt, der sie ursprünglich bereitgestellt hat.

5 Art. 28 kann damit als ein zentraler Bestandteil der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Cyberkriminalität verstanden werden. Er sichert, dass Informationen, die zwischen Staaten ausgetauscht werden, vertraulich behandelt und nur für den vorgesehenen Zweck genutzt werden. Art. 28 schafft mithin eine Basis für den vertrauensvollen internationalen Informationsaustausch und unterstützt die Einhaltung nationaler und internationaler Datenschutzrichtlinien.

II. Anwendungsbereich (Art. 28 Abs. 1)

6 Art. 28 findet nur Anwendung, wenn kein Rechtshilfevertrag oder eine Vereinbarung auf der Grundlage einheitlicher oder gegenseitiger Rechtsvorschriften zwischen der ersuchenden und der ersuchten Partei besteht. Die bestehenden Übereinkommen und Rechtshilfeverträgen, mit Blick auf die Beweiserhebung namentlich das Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen oder das Zweite Zusatzprotokolls vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachensind mit Blick auf Abs. 1 zu beachten und führen dazu, dass Art. 28 für nicht wenige Rechtshilfeverfahren von diesen verdrängt wird.

7 Sofern ein solcher Vertrag oder eine solche Vereinbarung in Kraft ist, so gelten deren Bestimmungen über Vertraulichkeit und Verwendungsbeschränkungen anstelle von Art. 28. Dies jedenfalls, sofern die Parteien nicht ausdrücklich die Anwendung von Art. 28 Abs. 2 bis 4 vereinbart haben. Für die Mehrzahl der Rechtshilfeverfahren mit Beteiligung der Schweizer Behörden ist dabei davon auszugehen, dass die Rechtshilfe im Sinne von Abs. 1 nach den entsprechenden Übereinkommen und Rechtshilfeverträgen abgewickelt wird.

8 Ob und in welcher Weise ansonsten eine Vereinbarung zwischen der Schweiz und anderen Staaten nicht an den genannten Rechtshilfevereinbarungen beteiligten Staaten gegeben ist, die die Anwendbarkeit von Art. 28 ausschliesst, eigene Vertraulichkeitsregelungen aufstellt oder doch auf Art. 28 Abs. 2 bis Abs. 4 rekurriert, ist ansonsten anhand jeweils länderspezifisch zu prüfen. Die seitens des Bundesamtes für Justiz vorgehaltenen Liste bilateraler und multilateraler Verträge im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen bietet sich hierzu an.

9 Sofern eine Regelung zwischen den Parteien vorhanden ist, gilt ausschliesslich diese. Überschneidungen mit anderen bestehenden bilateralen und multilateralen Rechtshilfeverträgen und ähnlichen Vereinbarungen werden auf diese Weise durch die klare Vorgabe des Abs. 1 vermieden, so dass sich die Zuständigen in der Praxis an die übliche Regelung halten können und es keiner Auseinandersetzung zum Verhältnis konkurrierender oder gar widersprüchliche Übereinkünfte bedarf.

III. Beschränkende Bedingungen (Art. 28 Abs. 2)

10 Abs. 2 gestattet der ersuchten Vertragspartei zwei Arten von Bedingungen zu stellen. Sie kann zunächst die Informationen oder Unterlagen unter der Bedingung zur Verfügung stellen, dass diese vertraulich bleiben, wenn und sofern dem Ersuchen ansonsten nicht entsprochen werden kann (lit. a; vergleichbar mit der vertraulich zu behandelnden Identität eines Informanten).

11 Des Weiteren kann die Bedingung aufgestellt werden, dass die übermittelten Informationen oder Unterlagen nicht für andere als die in dem Ersuchen genannten Ermittlungen oder Verfahren verwendet werden dürfen (lit. b).

12 Die Beschränkung der Verwendung der übermittelten Informationen und Unterlagen muss dabei von der ersuchten Vertragspartei ausdrücklich verlangt werden. Dies muss in gleicher Weise im Übrigen auch für die Bedingung des vertraulichen Behandelns gelten, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt, wenn dieser davon spricht, dass die Übersendung von einer Bedingung abhängig gemacht wird und damit eine Aktivität der ersuchten Partei erwartet wird.

13 Kommt es daher nicht zu einer ausdrücklichen Erklärung der Bedingung, besteht für die ersuchende Partei keine solche Beschränkung.

14 Insbesondere mit der zweiten Bedingung wird der in Artikel 67 IRSG verankerte Grundsatz der Spezialität, welcher in der Praxis von zentraler Bedeutung ist, auch in Art. 28 abgebildet. Nach diesem Grundsatz dürfen übermittelte Schriftstücke und Auskünfte im ersuchenden Staat in Verfahren wegen Taten, in denen Rechtshilfe nicht zulässig ist, weder für Ermittlungen benutzt noch als Beweismittel verwendet werden. Dieses Verbot erstreckt sich in der Schweiz auch und insbesondere auf Taten, die nach schweizerischer Auffassung politischen, militärischen oder fiskalischen Charakter haben.

15 Im Rahmen der Verhandlungen zur Cybercrime Convention wurden zwei Ausnahmen von der Möglichkeit, die Verwendung einzuschränken, anerkannt. Diese sind daher implizit in den Bestimmungen des Absatzes enthalten und in diesem Sinne ihrerseits beschränkend, als diese Ausnahmen eine Verwendungsbeschränkung nicht tragen.

16 Die erste Beschränkung ergibt sich aus den grundlegenden Rechtsprinzipien vieler Staaten, welche verlangen, dass Informationen und Material, bei denen es sich um Beweise handelt, die einen Angeklagten entlasten, der Verteidigung oder einer Justizbehörde offengelegt werden müssen. Handelt es sich daher bei den zur Verfügung gestellten Informationen oder dem zur Verfügung gestellten Material um solche Beweise, kann kein Verstoss gegen grundlegende Rechtsprinzipien erwartet oder verlangt werden.

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17 In vergleichbarer Weise erstreckt sich eine Begrenzung auch nicht auf öffentliche Gerichtsverfahren. Material, das im Rahmen von Rechtshilferegelungen übermittelt wird und für die Verwendung in einem Gerichtsverfahren bestimmt ist, das normalerweise öffentlich ist, kann nicht Gegenstand einer entsprechenden Verwendungsbeschränkung sein.

IV. Unmöglichkeit der Bedingungsentsprechung (Art. 28 Abs. 3)

18 Abs. 3 wiederum legt eine Pflicht der ersuchenden Partei fest, unmittelbar auf eine Bedingung zu reagieren, sofern sie dieser nicht entsprechen kann. Die ersuchende Partei hat diesen Umstand der ersuchten Partei umgehend mitzuteilen. Dieser wiederum steht es zu, zu prüfen und zu entscheiden, ob sie die Informationen dennoch und damit in Kenntnis der Unmöglichkeit der Bedingungseinhaltung, also letztlich bedingungslos zur Verfügung stellen will. Hierbei wird man ein Festhalten an den Grundsätzen der Rechtshilfe verlangen wie voraussetzen dürfen, was mit Blick auf die Entscheidung bedeutet, dass es unter dem Gedanken der Verdaulichkeit der ersuchten Partei zusteht, einen vorhandenen Ermessenspielraum auch in diesem Gedanken anzuwenden.

19 Sofern hinsichtlich einer Bedingung nicht umgehend mitgeteilt wird, dass dieser nicht entsprochen werden kann, ist diese Bedingung, wie auch im Fall einer ausdrücklichen Annahme der Bedingung, als verpflichtende Bedingung in Kraft.

V. Verwendungsinformation (Art. 28 Abs. 4)

20 Abs. 4 bildet eine Kontrollstufe ab. Es wird der informations- bzw. materialsendenden Partei ermöglicht, sich ein Bild davon zu verschaffen, wie die Informationen und Materialien verwendet wurden, die unter eine Bedingung des Abs. 2 zur Verfügung gestellt wurden. Um dies zu gewährleisten, kann seitens der ersuchten Partei von der ersuchenden Vertragspartei verlangt werden, dass Angaben zur Verwendung der Informationen oder Unterlagen gemacht werden. Diese müssen es hinsichtlich Dichte und Umfang dabei mindestens gestatten, die Einhaltung der Bedingungen überprüfen zu können.

21 Im Ergebnis dient dies nicht nur der Kontrolle der ersuchenden Partei, sondern gewährleistet auch, dass die ersuchte Partei ihr obliegenden Pflichten einhalten kann – hier insbesondere die Pflicht sicherzustellen, dass es nicht zu einem Verstoss gegen Art. 67 IRSG kommt.

Materialienverzeichnis

Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Cyberkriminalität, BBl 2010 4697 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2010/813/de, zuletzt besucht am 19.2.2025 (zit. Botschaft CCC).

Explanatory Report to the Convention on Cybercrime Budapest, 23.XI.2001, https://rm.coe.int/16800cce5b, zuletzt besucht am 19.2.2025 (zit. Explanatory Report).

Fussnoten

  • Abrufbar unter: https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/sicherheit/rechtshilfe/strafsachen/rechtsgrundlagen.html, zuletzt aufgerufen am 19.2.2025.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Ziff. 276.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Ziff. 277.
  • Vgl. Art. 3 Abs. 1 und 3 IRSG. Als Tat mit fiskalischem Charakter gilt dabei eine Tat, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt.
  • Botschaft CCC, S. 4731, und Explanatory Report, Ziff. 278.
  • Botschaft CCC, S. 4731.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Ziff. 279.
  • Siehe hierzu Explanatory Report, Ziff. 280.

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DOI (Digital Object Identifier)

10.17176/20250506-192535-0

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