Eine Kommentierung von Danielle Schneider / Carl Jauslin
Herausgegeben von Thomas Steiner / Anne-Sophie Morand / Daniel Hürlimann
Art. 47 Nebenbeschäftigung
1 Die oder der Beauftragte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben.
2 Die Gerichtskommission kann der oder dem Beauftragten gestatten, eine Nebenbeschäftigung auszuüben, wenn dadurch die Ausübung der Funktion sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen des EDÖB nicht beeinträchtigt werden. Der Entscheid wird veröffentlicht.
In Kürze
Grundsätzlich darf die oder der Beauftragte keine Nebenbeschäftigung ausüben (Art. 47 Abs. 1 DSG). Dieses Verbot trägt zur Stärkung der Unabhängigkeit bei. Damit eine Tätigkeit als Nebenbeschäftigung gilt, muss sie eine gewisse Qualität und Intensität aufweisen. Keine Rolle spielt dagegen, ob die Tätigkeit vergütet wird oder nicht. Ausnahmsweise kann die Gerichtskommission der oder dem Beauftragten die Ausübung einer Nebenbeschäftigung gestatten, sofern weder die Ausübung der Funktion, noch die Unabhängigkeit, noch das Ansehen des EDÖB beeinträchtigt werden (Art. 47 Abs. 2 DSG). Angesichts der hohen Anforderungen an die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten ist ein strenger Massstab angezeigt. Allfällige Nebenbeschäftigungen der oder des Beauftragten müssen veröffentlicht werden, um dem Transparenzbedürfnis Rechnung zu tragen.
I. Allgemeines
A. Normzweck
1 Art. 47 DSG sieht vor, dass die oder der Beauftragte grundsätzlich keine Nebenbeschäftigung ausüben darf (Art. 47 Abs. 1; N. 4 f.). Mit dieser spezialgesetzlichen Regelung, die strenger ist als das allgemeine Bundespersonalrecht (Art. 23 BPG i.V.m. Art. 91 BPV),
B. Entstehungsgeschichte
2 Das grundsätzliche Verbot der Nebenbeschäftigung für die Beauftragte oder den Beauftragten wurde bereits im Rahmen der ersten Etappe der Totalrevision des DSG in Art. 26b aDSG eingeführt (Datenschutzbestimmungen für die Schengener Zusammenarbeit in Strafsachen).
3 Inhaltlich hat sich Art. 47 DSG seither nicht geändert. Allerdings wurde die Zuständigkeit für die Bewilligung einer Nebenbeschäftigung der oder des Beauftragten zwei Mal angepasst: In der Fassung des totalrevidierten DSG vom 15. September 2020 wurde die Aufgabe der Vereinigten Bundesversammlung übertragen. In der Folge kam die Befürchtung auf, dass die Aufgabenzuteilung nicht stufengerecht sei und sich das Verfahren in der Praxis als zu schwerfällig erweisen könnte.
II. Grundsatz: Verbot der Nebenbeschäftigung (Abs. 1)
4 Art. 47 Abs. 1 DSG verbietet der oder dem Beauftragten die Ausübung einer Nebenbeschäftigung. Dies gilt unabhängig davon, ob eine solche Tätigkeit vergütet wird oder nicht.
5 Das DSG definiert den Begriff der Nebenbeschäftigung nicht. Aus den Materialien geht jedoch hervor, dass nicht jede Tätigkeit, welche die oder der Beauftragte neben ihrem bzw. seinem Amt wahrnimmt, als unzulässig betrachtet werden soll. Stattdessen muss die Nebenbeschäftigung eine gewisse Qualität und Intensität aufweisen.
III. Ausnahme: Bewilligung der Nebenbeschäftigung (Abs. 2)
6 Ausnahmen vom Verbot der Nebenbeschäftigung sind unter den Voraussetzungen von Art. 47 Abs. 2 DSG möglich: Die Gerichtskommission kann der oder dem Beauftragten die Ausübung einer Nebenbeschäftigung gestatten (vgl. N. 11 ff.), sofern weder die Ausübung der Funktion, noch die Unabhängigkeit, noch das Ansehen des EDÖB beeinträchtigt werden (vgl. N. 7 ff.). Die genannten Voraussetzungen sind kumulativ zu verstehen. Die Gerichtskommission berücksichtigt bei der Bewilligung insbesondere den Inhalt der Nebenbeschäftigung, den erforderlichen Zeitaufwand und die Höhe einer allfälligen Entschädigung.
A. Inhaltliche Voraussetzungen
7 Die Nebenbeschäftigung darf erstens die Ausübung der Funktion der oder des Beauftragten nicht beeinträchtigen. Die Aufgabenerfüllung soll nicht durch Abwesenheit oder Nicht-Verfügbarkeit der oder des Beauftragten eingeschränkt werden.
8 Zweitens darf die Nebenbeschäftigung die Unabhängigkeit des EDÖB nicht beeinträchtigen. Ein Interessenskonflikt bzw. der blosse Anschein eines Interessenkonflikts muss rechtlich und faktisch ausgeschlossen sein.
9 Drittens darf die Nebenbeschäftigung das Ansehen des EDÖB nicht beeinträchtigen. Dies gilt umso mehr, als die Funktion des EDÖB stark personifiziert ist und eine negative Wahrnehmung der oder des Beauftragten auch Auswirkungen auf die Autorität des EDÖB haben kann.
10 Beispiele:
Die Tätigkeit als Geschäftsleitungsmitglied, Verwaltungsrat oder in der Revisionsstelle eines Unternehmens dürfte die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten in der Regel beeinträchtigten (und je nach Umfang der Tätigkeit auch die Verfügbarkeit für das Amt einschränken).
Unzulässig wären des Weiteren Tätigkeiten für Vereinigungen, deren Zielsetzungen den Datenschutz oder die Aufsicht durch den EDÖB in Frage stellen, da damit das Ansehen des EDÖB gefährdet würde.
Ob eine Lehrtätigkeit (z.B. als Lektorin oder Lektor an einer Universität) bewilligt werden könnte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Auf jeden Fall wäre nur ein kleineres Pensum möglich.
B. Zuständigkeit
11 Zuständig für die Bewilligung der Nebenbeschäftigung ist die Gerichtskommission (zur Entstehungsgeschichte von Art. 47 Abs. 2 DSG vgl. N. 2 f.).
12 Die Gerichtskommission prüft aufgrund der von der oder dem Beauftragten eingereichten Informationen im Einzelfall, ob die Kriterien für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Nebenbeschäftigung erfüllt sind.
13 Der Entscheid der Gerichtskommission wird veröffentlicht (Art. 47 Abs. 2 zweiter Satz DSG). Dies trägt zur Transparenz über das Amt der oder des Beauftragten bei.
Die vertretene Auffassung widerspiegelt die persönliche Meinung der Autorenschaft und bindet nicht das Bundesamt für Justiz.
Literaturverzeichnis
Baeriswyl Bruno, Kommentierung zu Art. 47 DSG, in: Baeriswyl Bruno/Pärli Kurt/Blonski Dominika (Hrsg.), Datenschutzgesetz, Stämpflis Handkommentar, 2. Aufl., Bern 2023.
Huber René, Kommentierung zu Art. 47 DSG, in: Maurer-Lambrou Urs/Blechta Gabor-Paul (Hrsg.), Datenschutzgesetz/Öffentlichkeitsgesetz, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2014.
Petermann Büttler Judith, Kommentierung zu Art. 47 DSG, in: Bieri Adrian/Powell Julian (Hrsg.), Datenschutzgesetz, Orell Füssli Kommentar, Zürich 2023.
Materialienverzeichnis
Botschaft des Bundesrates vom 15.9.2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz (BBl 2017 S. 6941).
Bericht des Bundesamtes für Justiz von Oktober 2018 zum Bundesgesetz über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung.
Bericht der SPK-N vom 27.1.2022 zur parlamentarischen Initiative 21.443 «Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten» (BBl 2022 S. 345).
Fussnoten
- Nach Art. 91 BPV müssen die Angestellten ihren Vorgesetzten sämtliche öffentlichen Ämter oder gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten, die sie ausserhalb ihres Arbeitsverhältnisses ausüben, melden (Abs. 1). Unentgeltlich ausgeübte Tätigkeiten sind meldepflichtig, sofern Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden können (Abs. 1bis). Die Ausübung der Ämter und Tätigkeiten bedarf der Bewilligung, wenn sie die Angestellten in einem Umfang beanspruchen, der die Leistungsfähigkeit im Arbeitsverhältnis mit dem Bund vermindern kann oder wenn aufgrund der Art der Tätigkeit die Gefahr eines Konfliktes mit den dienstlichen Interessen besteht (Abs. 2). Wenn nicht im Einzelfall Interessenkonflikte ausgeschlossen werden können, wird die Bewilligung verweigert. Interessenkonflikte können insbesondere bei der Beratung oder Vertretung von Dritten in Angelegenheiten, die zu den Aufgaben der Verwaltungseinheit gehören, bei der die angestellte Person tätig ist, oder bei Tätigkeiten im Zusammenhang mit Aufträgen, die für den Bund ausgeführt werden oder die der Bund in absehbarer Zeit zu vergeben hat, bestehen (Abs. 3).
- Vgl. dazu die Voten der Departementsvorsteherin des EJPD im Ständerat am 11.9.2018 (AB 2018 SR S. 621) sowie des Kommissionssprechers NR Addor im Nationalrat am 17.09.2018 (AB 2018 NR S. 1391).
- Siehe das Bundesgesetz vom 28.9.2018 über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung (AS 2019 625).
- Botschaft 2017, S. 7089.
- Siehe dazu den Bericht der SPK-N, S. 7 f.
- Parlamentarische Initiative SPK-N 21.443 vom 15.4.2021 «Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten».
- Vgl. den Bericht des Bundesamtes für Justiz, S. 30 (Erläuterungen zu Art. 26b DSG).
- OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 3.
- Siehe das Votum der Kommissionssprecherin SR Bruderer Wyss im Ständerat am 11.9.2018 (AB 2018 SR S. 620).
- BSK-Huber, Art. 26b DSG N. 8 und N. 11; OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 3.
- OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4.
- SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 7.
- SR 235.171.1.
- Siehe dazu den Bericht der SPK-N, S. 18.
- SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 8 m.w.H.
- SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 9.
- Vgl. dazu Art. 41 Abs. 1 zweiter Satz des Entwurfs des Bundesrates vom 15.9.2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz (BBl 2017 7193, S. 7226) sowie OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4.
- SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 9.
- Vgl. OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4. SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 11 erachtet die Lehrtätigkeit als Nebenbeschäftigung für die Beauftragte oder den Beauftragten als grundsätzlich möglich.
- Vgl. OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4 sowie SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 5.
- SHK-Baeriswyl, Art. 47 DSG N. 5.
- OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4.
- OFK-Petermann Büttler, Art. 47 DSG N. 4.
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