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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
BUNDESGESETZ ÜBER KARTELLE UND ANDERE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Entstehungsgeschichte
- II. Einordnung der Bestimmung im Kontext der international-strafrechtlichen Kooperation
- III. Regelungsgehalte von Art. 67a IRSG im Einzelnen
- Literaturverzeichnis
- Materialienverzeichnis
I. Entstehungsgeschichte
1 Vom damaligen Justizminister Koller als «wichtige Neuerung im Rechtshilfegesetz» bezeichnet,
2 Im Rahmen der parlamentarischen Debatten war Art. 67a IRSG nicht unumstritten. So wurde etwa fehlender Rechtsschutz im Zusammenhang mit der unaufgeforderten Übermittlung moniert: Effizienz müsse dort ihre Grenze finden, wo die Rechtsstaatlichkeit gefährdet ist.
3 Die Schaffung einer unaufgeforderten Übermittlungsmöglichkeit als Rechtshilfeinstrument ist im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Europaratsübereinkommens über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990 (GwÜ)
4 Um ein neues Phänomen handelte es sich bei der unaufgeforderten Unterstützung ausländischer Behörden indessen anlässlich der Schaffung von Art. 67a IRSG nicht: Zum einen waren entsprechende, auf Informationen bezogene Instrumente damals bereits im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit etabliert,
II. Einordnung der Bestimmung im Kontext der international-strafrechtlichen Kooperation
A. Charakteristikum: Ausnahme vom rechtshilferechtlichen Ersuchensprinzip
5 Die Zulassung schweizerischer Strafrechtshilfe an das Ausland ohne entsprechendes vorgängiges Ersuchen bildet die eigentliche raison d’être von Art. 67a IRSG:
6 Der Verzicht auf ein Rechtshilfeersuchen zeitigt gewichtige Konsequenzen:
So kann bei einer unaufgeforderten Übermittlung keine Beschränkung von deren Gegenstand auf die im Rechtshilfeersuchen gestellten Begehren erfolgen, was Zweifelsfragen mit Blick auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz aufwirft.
Zum Ganzen unten N. 9, N. 48. Ferner bildet gerade das Ersuchen, namentlich über die diesem beiliegende Sachverhaltsdarstellung (vgl. etwa Art. 28 Abs. 3 lit. a IRSG), den Ansatzpunkt der durch den ersuchten Staat vorzunehmenden Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Rechtshilfegewährung erfüllt sind resp. einer solchen keine Hindernisse entgegenstehen.
Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 100; Schaffner, Individuum, S. 91. Siehe dazu unten N. 37. Schliesslich ergeben sich einschneidende Folgen für den Rechtsschutz im Zusammenhang mit unaufgeforderten Übermittlungen: Es ist gerade die – bei Art. 67a IRSG nicht inexistente – Schlussverfügung, welche im System des IRSG den (präventiven) Rechtsweg öffnet.
Einlässlich unten N. 71 ff.
B. Systematische Verortung im Gesetz
7 Als Bestimmung des Dritten Teils des Gesetzes bezieht sich Art. 67a IRSG ausschliesslich auf die «andere» («kleine») Rechtshilfe.
C. Abgrenzungen
1. Innerhalb der internationalen Strafrechtshilfe
a. Ordentliche Rechtshilfe auf ausländisches Ersuchen hin
8 Leistet die Schweiz aus Anlass eines an sie gerichteten Ersuchens internationale Strafrechtshilfe, so handelt es sich, eben wegen des vorliegenden Ersuchens, begriffsnotwendig nicht um eine unaufgeforderte Übermittlung; ein Rückgriff auf Art. 67a IRSG scheidet aus.
9 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auslegung an die Schweiz gerichteter Rechtshilfeersuchen auf ihren Inhalt resp. Umfang hin als im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG zentral. Ausgangspunkt bildet dabei das aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz abgeleitete Übermassverbot, gemäss welchem nicht über die in einem Ersuchen gestellten Begehren hinausgegangen wird.
10 Im Zusammenhang mit der Abgrenzung der auf Ersuchen hin geleisteten Rechtshilfe von der unaufgeforderten Übermittlung sind zwei Spezialfälle zu beachten:
Keinen Akt unaufgeforderter Übermittlung stellt es dar, wenn die Schweiz ein an sie gerichtetes Ersuchen zur Verbesserung oder Ergänzung an den ersuchenden Staat zurücksendet (Art. 78 Abs. 3 IRSG, Art. 28 Abs. 6 IRSG) oder ihm Rückfragen stellt (Art. 80o IRSG): Es besteht wiederum ein Bezug zu einem Ersuchen, welcher die Anwendung von Art. 67a IRSG gerade ausschliesst.
Siehe auch BStGer RR.2017.88 vom 20.9.2017 E. 6. Unter der Marginalie «vorsorgliche Massnahmen» wird dem Bundesamt für Justiz gemäss Art. 18 Abs. 2 IRSG die Befugnis eingeräumt, bei Gefahr im Verzug den bestehenden Zustand zu erhalten (insbesondere Sicherung gefährdeter Beweismittel) oder bedrohte rechtliche Interessen zu wahren,
BSK-Aepli, Art. 18 IRSG N. 26. auch wenn noch kein Rechtshilfeersuchen vorliegt, sofern dieses bloss angekündigt ist. Diese Massnahmen werden wieder aufgehoben, wenn der andere Staat nicht innert Frist ein Ersuchen stellt. Bereits aus dieser letztlich unabänderlichen Koppelung an ein Ersuchen ergibt sich, dass es sich bei Art. 18 Abs. 2 IRSG nicht um einen Fall unaufgeforderter Übermittlung handelt.Vgl. im Übrigen auch Zimmermann, coopération, S. 448. Überdies vermittelt die Bestimmung ohnehin keine Kompetenz zur eigentlichen Leistung der Rechtshilfe, sondern zielt einzig auf die Sicherung von deren innerstaatlichen Bereitstellung.Für die Unterscheidung zwischen Vornahme- und Leistungsermächtigung vgl., m.w.H., Schaffner, Individuum, S. 26 ff.
b. Aktive Rechtshilfe seitens der Schweiz
11 Durch den Wegfall des an die Schweiz gerichteten Ersuchens wird die unaufgeforderte Übermittlung nicht zur aktiven Rechtshilfe, dergestalt dass die Schweiz das Ausland um Rechtshilfe ersuchen würde.
12 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst seitens der Schweiz nachgesuchte aktive Rechtshilfe (spätere) unaufgeforderte Übermittlungen aus.
2. Rechtshilfeexterner Kontext
a. Internationale Amtshilfe
13 Bei der Amtshilfe handelt es sich um eine von der Rechtshilfe zu unterscheidende, andere praxisrelevante Form der grenzüberschreitenden Behördenkooperation.
b. Internationale Polizeizusammenarbeit
14 Art. 67a IRSG regelt durch Strafverfolgungsbehörden vorgenommene unaufgeforderte Übermittlungen, zu welchen Polizeibehörden in diesem Zusammenhang gerade nicht gezählt werden.
D. Internationale Rechtsgrundlagen unaufgeforderter (Rechtshilfe-)Übermittlung
1. Übersicht
15 Abgesehen von der schweizerisch-landesrechtlichen Grundlage gemäss Art. 67a IRSG finden sich Regelungen betreffend eine Rechtshilfeleistung ohne vorgängiges Ersuchen auch in völkerrechtlichen Verträgen.
2. Verhältnis zu Art. 67a IRSG
16 Die Existenz auch völkervertraglicher Regelungen betreffend die unaufgeforderte Übermittlung erfordert eine Festlegung, wann die Schweizer Behörden im Einzelfall für eine beabsichtigte Rechtshilfeleistung ohne Ersuchen auf diese abstellen und wann dagegen gemäss Art. 67a IRSG vorzugehen ist. Ebenso ist fraglich, ob seitens der Schweiz im vertraglichen Rechtshilfeverkehr
17 Ausgangspunkt bildet Art. 1 Abs. 1 IRSG: Dem generell im Schweizer Recht geltenden Vorrang des Völkerrechts vor dem Landesrecht entsprechend,
Zum einen kennen völkervertragliche Regelungen betreffend die unaufgeforderte Übermittlung Rückverweise auf das Landesrecht, sodass wiederum Art. 67a IRSG beachtlich ist.
Vgl. etwa die Formulierung «[i]m Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften» gemäss Art. 29 Ziff. 1 des Rechtshilfevertrags mit Brasilien oder Art. 30 Ziff. 1 des Rechtshilfevertrags mit Mexiko; zudem Art. 46 Ziff. 4 UNCAC (dazu BGer 1C_126/2014 vom 16.5.2014 E. 5.2). Zu diesen Verträgen bereits oben N. 15. Ein solcher ausdrücklicher Vorbehalt ist dabei im Übrigen gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sogar entbehrlich: Enthalten die völkerrechtlichen Verträge blosse «kann»-Bestimmungen für unaufgeforderte Übermittlungen, so darf gestützt darauf keine über das Landesrecht hinausgehende (permissivere) Rechtshilfe erfolgen.BGE 129 II 544 E. 3.5 im Zusammenhang mit Art. 10 GWÜ. Insgesamt konkretisiert Art. 67a IRSG folglich, falls im Einzelfall restriktiver, die völkerrechtlichen Regelungen.Vgl. Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 30 f. Siehe auch Beglinger, S. 918; Bernasconi, Rz. 326. Im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 67a IRSG beruft sich die Rechtsprechung zum anderen auf das rechtshilferechtliche Günstigkeitsprinzip, wonach das IRSG auch bei vertraglich fundierter Rechtshilfe zur Anwendung gelangt, wenn «das schweizerische Landesrecht geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt.»
Anstelle vieler BStGer RR.2022.130-133 vom 3.8.2022 E. 1.2; vgl. zudem BGE 140 IV 123 E. 2. Konkret bedeutet dies insbesondere eine Erweiterung der im Einzelfall auf Vertragsbasis zur Verfügung stehenden Rechtshilfeinstrumente um die landesrechtlich vorgesehenen Möglichkeiten.Schaffner, Individuum, S. 123 ff. Vgl. diesbezüglich BGE 123 II 134 E. 5c. Gemäss bundesgerichtlicher Sichtweise schliessen völkerrechtliche Rechtshilfeverträge ein solches Vorgehen – auch ohne ausdrücklichen Verweis auf das Landesrecht – nicht grundsätzlich aus, da sie generell eine Kooperationsbegünstigung bezweckten; siehe BGer 1A.217/2002 vom 18.11.2002 E. 2.2. Die Abgrenzung zur in der Rechtsprechung formelhaft begegnenden Anwendung des Landesrechts, wenn die anwendbaren Staatsverträge «bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln» (vgl. z.B. BStGer RR.2023.182 vom 21.12.2023 E. 1.2), erscheint nicht durchwegs trennscharf möglich. Für den schweizerisch-ukrainischen Rechtshilfeverkehr verknüpfte das Bundesgericht Art. 67a IRSG ausdrücklich mit Günstigkeitserwägungen: So ziele Art. 67a IRSG – entsprechend eben dem Günstigkeitsprinzip – darauf ab, als gesetzliche Grundlage für die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an alle Staaten zu dienen, die nicht durch einen Vertrag mit einer gleichwertigen Norm mit der Schweiz verbunden sind.BGE 125 II 356 E. 12b; BGE 125 II 238 E. 5b. Vgl. auch BStGer RR.2012.311 vom 11.7.2013 E. 5.3.2. Ebenso CR-Moreillon, Art. 67a EIMP N. 19; Nicati, S. 18; Zimmermann, coopération, S. 450. Da der Rechtshilfeverkehr zwischen der Schweiz und der Ukraine damals einzig auf Basis des ERÜ erledigt wurde, welches selbst gerade keine Bestimmung hinsichtlich einer unaufgeforderten Übermittlung enthält, erachtete das Bundesgericht den ergänzenden Rückgriff auf Art. 67a IRSG als legitim. Gestützt auf das Günstigkeitsprinzip kommt Art. 67a IRSG somit zum Tragen, wenn der jeweils anwendbare Vertrag gar keine oder eine weniger weit gehende, d.h. betreffend die Zulässigkeit einer unaufgeforderten Übermittlung weniger permissive, Bestimmung enthält.Siehe auch Heimgartner/Schnebli, S. 1058.
Das rechtshilferechtliche Günstigkeitsprinzip stösst mittlerweile auf Kritik im Schrifttum.
E. Praktische Relevanz von Art. 67a IRSG
18 Zufolge der bundesgerichtlich statuierten Pflicht der unaufgefordert übermittelnden schweizerischen Behörden, das Bundesamt für Justiz – seinerseits Aufsichtsbehörde über die international-rechtshilfeweise Strafrechtskooperation (vgl. Art. 3 IRSV) – über sämtliche gestützt auf Art. 67a IRSG erfolgten Rechtshilfeleistungen zu orientieren,
19 Soweit aus der zugänglichen Judikatur ersichtlich, greift die Praxis ausschliesslich auf Art. 67a IRSG zurück, um unaufgefordert den Geheimbereich betreffende Informationen an das Ausland zu übermitteln (Abs. 5). Die in der Bestimmung ebenso enthaltene Möglichkeit einer Übermittlung von nicht den Geheimbereich betreffenden Beweismitteln (Abs. 1, 4) scheint hingegen nicht genutzt zu werden.
III. Regelungsgehalte von Art. 67a IRSG im Einzelnen
A. Überblick
20 Die Leistung internationaler Strafrechtshilfe durch die Schweiz bedarf einer gesetzlichen Grundlage, insbesondere in Anbetracht ihrer Individualrechtsrelevanz,
1. Die Formen unaufgeforderter Übermittlung gemäss Art. 67a IRSG
a. Auf den Übermittlungsgegenstand bezogen: Informationen oder (nicht den Geheimbereich betreffende) Beweismittel
21 Art. 67a IRSG inhärent ist die Differenzierung zwischen Beweismitteln und Informationen.
b. Auf das (Nicht)Vorliegen auch eines Rechtshilfeersuchens bezogen: «forme anticipée» und «forme complémentaire»
22 Je nachdem, ob die unaufgeforderte Übermittlung durch die Schweiz parallel zu einem Rechtshilfeersuchen erfolgt, welches der betreffende Staat an die Schweiz gerichtet hat, oder nicht (eigenständig),
Die «forme anticipée» meint gemäss bundesgerichtlicher Definition unaufgeforderte Übermittlungen, die unabhängig von einem Rechtshilfeverfahren («indépendamment de toute procédure d’entraide») stattfinden und geeignet sind, dass in der Folge ein Rechtshilfeersuchen gestellt wird (vgl. Art. 67a Abs. 5 IRSG).
Siehe auch BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 43, und Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 86. Die Literatur verwendet den Begriff teilweise weiter und spricht generell von «forme anticipée», wenn Art. 67a IRSG (ohne Zusammenhang zu einem bereits an die Schweiz gerichteten Ersuchen) zur Anwendung kommt, unabhängig davon, ob auf die Stellung eines späteren Ersuchens gezielt wird; vgl. Ludwiczak Glassey, précis, S. 63; PC-Ludwiczak Glassey, Art. 67a EIMP N. 9. Bei der «forme complémentaire» kann übermittelt werden, was – auch auf Basis einer praxisgemäss weiten Auslegung
Oben N. 9. – im Ersuchen nicht verlangt wird resp. einen Sachverhalt betrifft, den das Ersuchen nicht erfasst,BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 46; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 89 f. Dies impliziert einen materiellen (nicht einen formellen) Ersuchensbegriff (Abstellen auf den konkreten Inhalt des Ersuchens statt auf den blossen Umstand dessen Vorliegens); siehe BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 45 ff.; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 89 f. m.w.H. Im Zusammenhang mit nicht den Geheimbereich betreffenden Beweismitteln hat die Rechtsprechung indessen teilweise angedeutet, eine Anwendung von Art. 67a IRSG komme auch betreffend von einem hängigen Ersuchen erfasste Sachverhalte in Frage; vgl. etwa BGer 1A.69/2006 vom 28.7.2006 E. 2.1.3; zu Recht kritisch Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 92 f. m.w.H.; vgl. auch Beglinger, S. 919. jedoch aus Sicht der Schweizer Behörden geeignet sein dürfte, das Verfahren im ersuchenden Staat voranzutreiben.Dies kann auch die Ermöglichung eines (ergänzenden) Ersuchens an die Schweiz bedeuten. Dazu Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 87; vgl. BGE 125 II 356 E. 12c; BStGer RR.2009.2 vom 9.7.2009 E. 3.4 (Anregung einer Ausdehnung des Rechtshilfeersuchens). Siehe ferner Lubishtani/Monod/Gauderon, S. 29; Ludwiczak Glassey, AJP 2017, S. 609; Ludwiczak Glassey, in Garibian/Jeanneret, S. 122; Ludwiczak Glassey/Bonzanigo, ZStrR 2022, S. 405. In diesem Sinne schliesst das Vorliegen eines Rechtshilfeersuchens nicht ipso facto einen Rückgriff auf Art. 67a IRSG aus.BStGer RR.2010.252 vom 27.1.2011 E. 4.2.1; BStGer RR.2009.190 vom 26.8.2009 E. 2.2. Diese Ergänzung an die Schweiz gerichteter hängiger Rechtshilfeersuchen durch unaufgeforderte Übermittlungen mittels der «forme complémentaire»,Vgl. auch Unseld, Rechtshilfe, S. 193. relativiert, wie bereits die weite Ersuchensauslegung, die grundsätzliche Limitierung einer nachgesuchten Rechtshilfe auf die im Ersuchen gestellten Begehren (Übermassverbot).Ludwiczak Glassey, précis, Rz. 272; BStGer RR.2020.179 vom 1.7.2021 E. 2.3.3.3. Siehe bereits oben N. 9. Im Szenario des Nebeneinanders von ordentlichem Rechtshilfeverfahren auf Ersuchen hin und unaufgeforderter Übermittlung mittels der «forme complémentaire» bedarf es jeweils der Zuordnung, auf welcher Basis eine bestimmte Hilfeleistung erfolgt ist, da der Rechtsschutz spezifisch im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG eine spezielle Ausgestaltung erfahren hat.Vgl. für die Schwierigkeiten in praxi Bernasconi, Rz. 332. Zum Rechtsschutz unten N. 71 ff. Zu Recht wird jedoch auf die zufolge der praktizierten weiten Auslegung von an die Schweiz gerichteten Rechtshilfeersuchen auf die bloss marginale Bedeutung der «forme complémentaire» gemäss Art. 67a IRSG hingewiesen.BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 47; Ludwiczak Glassey, AJP 2017, S. 610; Villard/Bertossa, S. 177. Das Bundegericht hat es als zu vermeidenden Leerlauf bezeichnet, via eine unaufgeforderte Übermittlung ein (neues) Ersuchen zu provozieren, wenn das Vorgehen über eine weite Auslegung des Ersuchens offensteht; vgl. BGer 1A.7/2007 vom 3.7.2007 E. 7.3.1; BGer 1A.182/2001 vom 26.3.2002 E. 7.3. In Anbetracht des bloss limitierten Rechtsschutzes im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG (N. 71 ff.) ist die Beschränkung der «forme complémentaire» zu Gunsten des ordentlichen Rechtshilfewegs aus Sicht des betroffenen Individuums nicht zu beanstanden; vgl. zutreffend auch Eymann, S. 184; siehe jedoch auch Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 91 f. Ferner Zimmermann, coopération, S. 482, im Zusammenhang mit Zufallsfunden; dazu auch BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 36; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 111.
2. Involvierte Behörden
23 Zur unaufgeforderten Übermittlung gestützt auf Art. 67a IRSG berechtigt sind in erster Linie Staatsanwaltschaften resp. die Bundesanwaltschaft.
3. Allgemeiner Teil: Begrifflichkeiten
a. Informationen und Beweismittel
24 Über Art. 10 GWÜ hinausgehend, inkludiert Art. 67a IRSG nicht bloss Informationen als Gegenstand einer möglichen unaufgeforderten Übermittlung, sondern auch Beweismittel; es handelt sich dabei um ein schweizerisches Spezifikum.
25 Auch wenn die Praxis offenbar auf die unaufgeforderte Übermittlung von den Geheimbereich betreffenden Informationen fokussiert,
26 In der Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts begegnet zudem ein auf systematische Erwägungen rekurrierender Ansatz, dergestalt dass man sich für die Konkretisierung des Beweismittelbegriffs – hilfsweise
27 Gerade der Blick auf den Beweismittelbegriff des schweizerischen Strafprozessrechts birgt ein gewisses Potenzial für Missverständnisse: Die sich im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG stellende Frage geht dahin, ob ein Übermittlungsgegenstand im ausländischen Verfahren Beweismittel sein kann.
28 Beispiele ausdrücklicher Qualifikationen durch die Rechtsprechung:
«Documentation bancaire» unter dem Schutz von Art. 47 BankG (insbesondere Bankauszüge und Bankkorrespondenz): (Den Geheimbereich betreffendes) Beweismittel
BGE 139 IV 138 E. 4.6.1; BStGer RR.2020.89–90+RR.2020.143–144 vom 8.9.2020 E. 4.1; BStGer RR.2019.312 vom 28.4.2020 E. 5.1; BStGer RR.2019.200–204 vom 21.11.2019 E. 4.3; BStGer RR.2015.236, RP.2015.45 vom 20.1.2016 E. 4.2. Siehe als weiteres Beispiel für den Geheimbereich betreffende Beweismittel SK-Hansjakob/Pajarola, Art. 272 StPO N. 43: Protokolle überwachter Gespräche oder Tondaten der Gespräche. Hinweis auf die Existenz eines Bankkontos unter Angabe namentlich der Inhaberschaft sowie der wirtschaftlichen Berechtigung: (Den Geheimbereich betreffende) Informationen
BStGer RR.2020.89–90+RR.2020.143–144 vom 8.9.2020 E. 4.1; vgl. auch BGer 1A.105/2001 vom 8.8.2001 Sachverhaltsdarstellung A; BStGer RR.2016.4 vom 1.6.2016 E. 4.2; BStGer RR.2011.247+248 vom 1.2.2012 E. 3.1; BStGer RR.2011.176 vom 21.11.2011 E. 3.1; BStGer RR.2010.155–160 vom 20.12.2010 E. 3.1. Hinweis auf einen – im Zusammenhang mit einem mutmasslich strafbaren Verhalten stehenden – Vertrag, Rolle der in der Schweiz diesbezüglich beschuldigten Person, Existenz von Konten, auch ihrer Familienangehörigen, bei namentlich genannten Schweizer Banken: (Den Geheimbereich betreffende) Informationen
BGE 130 II 236 E. 6.2. Vgl. dazu Beglinger, S. 918: «Meldung eines Bankkontos ans Ausland, inklusive Inhaber, Saldo und wichtige Umstände im Überblick». Tabelle («résumé synoptique» mit den Namen der in einem Schweizer Strafverfahren beschuldigten Personen, den Verfahrensnummern sowie Angaben zu Geburtsdatum, beruflichen Aktivitäten, Zivilstand und Nummer der Identitätskarte, Nummer des Bankkontos, etwaigen bevollmächtigen Personen, auf den Konten befindlichen Beträgen sowie eventuelle Bemerkungen zur Sperrung der Guthaben: (Den Geheimbereich betreffende) Informationen
BGE 139 IV 137 E. 4.6.3 f., E. 4.6.8. Siehe zudem allgemein auch E. 4.6.2: Beim Hinweis, mittels interner Notizen, auf die Existenz verdächtiger Bankkonten sowie die Namen der Inhaber, Berechtigten oder eventuellen Bevollmächtigen (ohne Beilage dazugehöriger Bankdokumente und -korrespondenz, auch nicht in Kopie) handelt es sich um Informationen. Ebenso für eine ähnlich gehaltene Tabelle BStGer RR.2021.53–54 vom 20.5.2021 E. 6.2. Siehe jedoch BStGer RR.2019.200–204 vom 21.11.2019 E. 4.3: Tabellarischen Aufstellungen kann je nach Inhalt indessen auch mehr als blosser Informationscharakter zukommen, sowie BGE 129 II 544 E. 3.4: Qualifikation der Tabelle in casu offen gelassen, jedoch wohl obiter dictum-Einordnung als Beweismittel. Vgl. alsdann BGE 139 IV 137 E. 4.6.2 betreffend Tabellen mit amtlichem Siegel oder einer offiziellen Bescheinigung. Dazu auch Harari, in Gani, S. 106; Ludwiczak Glassey, in Garibian/Jeanneret, S. 121; Unseld, Rechtshilfe, S. 195. Zusammenfassung der Resultate einer schweizerischen Strafuntersuchung beinhaltend etwa die Angabe einer Person, welche die wirtschaftliche Berechtigung an Unternehmen hält und deren Konten im Zuge der Untersuchung gesperrt wurden, sowie den Belegenheitsort der Konten ohne exakte Abgabe: (Den Geheimbereich betreffende) Informationen
BGE 125 II 356 E. 12b f. Siehe auch BGE 139 IV 137 E. 4.6.8; BStGer RR.2013.129-135 vom 4.10.2013 E. 9. MROS-Meldung, die eine Bankbeziehung erwähnt: Information
BStGer RR.2021.104 vom 24.8.2021 E. 1.5.3. Orientierung über die Eröffnung eines Strafverfahrens in der Schweiz: Information
BStGer RR.2009.311–313 vom 17.2.2010 E. 6.3. Fotografien in der Schweiz aufgefundener archäologischer Objekte: (Mutmasslich) Informationen
Fall rapportiert bei Boillat, S. 222. Einvernahmeprotokolle: Beweismittel
So wohl (vgl. Beglinger, S. 919), ohne dass offenbar in casu der Geheimbereich betroffen gewesen wäre, BGer 1A.69/2006 vom 28.7.2006 E. 2.1.3; BGer 1A.89/2005 vom 15.7.2005 E. 4.3; zudem BGer 1A.243/2006 vom 4.1.2007 E. 4.2 (Polizeirapport).
29 Die dargestellte praktizierte herkömmliche Abgrenzung zwischen Beweismitteln und Informationen anhand der «nature des éléments à transmettre» mit Blick auf das ausländische Verfahren, aber unter Rückgriff auf schweizerische Konzepte
b. Geheimbereich
30 Den Begriff des Geheimbereichs referenziert Art. 67a IRSG in Abs. 4 und 5 und bestimmt damit den Gegenstand zulässiger unaufgeforderter Übermittlungen näher: Beweismittel, die den Geheimbereich betreffen, dürfen – im Gegensatz zu Informationen (Abs. 5) – nicht unaufgefordert übermittelt werden (Abs. 4).
31 Das Gesetz gibt nicht vor, was im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG unter dem Geheimbereich zu verstehen ist. Lediglich Art. 9 IRSG äussert sich in allgemeiner Weise zum «Schutz des Geheimbereichs»: Dieser richte sich der nach dem (strafprozessualen, vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 IRSG) Zeugnisverweigerungsrecht, wobei für die Durchsuchung von Aufzeichnungen und die Siegelung Art. 246 – 248 StPO sinngemäss gelten.
32 Diese Ansicht hat sich auch in der Rechtsprechung durchgesetzt, wobei das Bankgeheimnis im Vordergrund steht.
4. Art. 67a IRSG als «kann»-Bestimmung
33 Die unaufgeforderte Übermittlung bildet keinen Automatismus, sondern steht im (Entschliessungs)Ermessen der Schweizer Behörden («kann»-Bestimmung). Dieses ist den allgemeinen Grundsätzen entsprechend pflichtgemäss auszuüben.
B. Geltung der allgemeinen Rechtshilfevoraussetzungen und -schranken auch bei unaufgeforderter Übermittlung
34 Obschon ein Spezialfall, handelt es sich bei einer unaufgeforderten Übermittlung um seitens der Schweiz an das Ausland geleistete «kleine» Strafrechtshilfe.
35 Einschlägig sind die für die allgemeine Rechtshilfevoraussetzungen und -schranken etwaig anwendbare völkerrechtliche Verträge sowie je nachdem die Regeln des IRSG.
36 Speziell für Art. 67a IRSG geltende Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen bilden zum einen der für unaufgeforderte Übermittlungen wesenstypische Verzicht auf ein an die Schweiz gerichtetes Rechtshilfeersuchen
37 Insgesamt dürfte das Fehlen eines Ersuchens bei unaufgeforderten Übermittlungen die Überprüfung der allgemeinen Rechtshilfevoraussetzungen und -schranken faktisch erschweren, da die Schweizer Behörden, welchen diese obliegt, über weniger Anhaltspunkte – insbesondere betreffend das zu unterstützende Strafverfahren im die Unterstützung erhaltenden Staat – verfügen.
C. Die beiden Übermittlungsarten gemäss Art. 67a IRSG
38 Art. 67a IRSG enthält zwei grundsätzliche Arten einer unaufgeforderten Übermittlung, je nachdem ob der Geheimbereich betroffen ist oder nicht:
Nicht betroffener Geheimbereich: Sedes materiae bilden Abs. 1 und Abs. 4, ergänzt um Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 6. Übermittlungsgegenstand können einerseits – dem Wortlaut von Art. 67a Abs. 1 IRSG entsprechend – Beweismittel, zum anderen analogieweise Informationen sein.
Vgl. in diesem Sinne wohl PC-Ludwiczak Glassey, Art. 67a EIMP N. 14. Betroffener Geheimbereich: Ausgangspunkt bilden Abs. 5 und Abs. 4, ergänzt um Abs. 1 betreffend die Provenienz des Übermittlungsgegenstands
Unten N. 53. sowie Abs. 2 und Abs. 6. Übermittelt werden können a priori bloss Informationen, nicht aber Beweismittel.
1. Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln (und Informationen), die nicht den Geheimbereich betreffen
a. Übermittlungsgegenstand: Für eine eigene Strafuntersuchung erhobene Beweismittel (und Informationen), die nicht den Geheimbereich betreffen (Abs. 1)
39 Ist der Geheimbereich nicht betroffen, können sowohl Beweismittel als auch – praeter verba legis – Informationen unaufgefordert übermittelt werden.
40 Art. 67a Abs. 1 IRSG nimmt dabei eine Einschränkung mit Blick auf die rechtliche Provenienz des Übermittlungsgegenstands vor. In begriffsnotwendiger Ermangelung eines Rechtshilfeersuchens, kann dieser in der Schweiz gerade nicht gestützt auf rechtshilferechtliche Grundlagen bereitgestellt worden sein.
41 Im Hinblick auf die Anforderungen an dieses in der Schweiz vorausgesetzte Verfahren, aus welchem die nach Art. 67a IRSG zu übermittelnden Gegenstände hervorgehen, wird seit einer 2014 erfolgten Praxisänderung strafprozessual keine Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens im Sinne von Art. 309 StPO als unabdingbare Voraussetzung mehr verlangt:
42 Auch wenn eine Eröffnungsverfügung im technischen Sinne entbehrlich ist, hält das Bundesamt für Justiz daran fest, dass die Schweiz nur dann unaufgefordert übermitteln darf, wenn zumindest im Grundsatz schweizerische Strafhoheit, verstanden als räumliche Geltung des Schweizer Strafrechts, besteht.
43 Das Bundesgericht will es einer unaufgeforderten Übermittlung nicht entgegenstehen lassen, wenn die Erhebung des Übermittlungsgegenstands in der Schweiz rechtswidrig, mithin nicht entsprechend ihren eigenen Vorgaben, erfolgt ist:
b. Übermittlungszweck: Angenommene Eignung im Hinblick auf ein künftiges Strafverfahren oder eine hängige Strafuntersuchung im Ausland
44 Die unaufgeforderte Übermittlung von nicht den Geheimbereich betreffenden Umständen kann gemäss Art. 67a Abs. 1 IRSG erfolgen, wenn sie aus Sicht der aktiv werdenden Schweizer Behörde geeignet ist, im die Rechtshilfe erhaltenden Staat entweder ein Strafverfahren einzuleiten (lit. a) oder eine im Ausland hängige Strafuntersuchung zu erleichtern (lit. b).
45 Ob eine unaufgeforderte Übermittlung mit Blick auf die Zweckrichtung unter lit. a oder lit. b von Art. 67a Abs. 1 IRSG subsumiert wird, ist ohne Bewandtnis, da das Gesetz nicht zwischen den beiden Varianten differenziert. Ebenso wenig zeitigt die begriffliche Unterscheidung zwischen «Strafverfahren» (lit. a) und «Strafuntersuchung» (lit. b) Konsequenzen; entscheidend ist einzig, dass es sich beim unterstützten (anstehenden oder hängigen) ausländischen Verfahren um eine Strafsache gemäss Art. 1 Abs. 3 IRSG handelt.
46 Die anzuvisierende Einleitung eines Strafverfahrens im Ausland meint dabei auch die inhaltliche Ausdehnung eines bereits geführten Verfahrens.
47 Gegenstand einer unaufgeforderten Übermittlung können auch entlastende Umstände sein. Sie vermögen, entsprechend Art. 67a Abs. 1 lit. b IRSG, eine Strafuntersuchung im Ausland ebenso zu erleichtern.
48 Wie jede Rechtshilfemassnahme haben sich auch unaufgeforderte Übermittlungen – mit Blick auf den gesetzlich vorgegebenen Übermittlungszweck einer Verfahrenseinleitung oder Untersuchungserleichterung im Ausland – stets als insgesamt verhältnismässig zu erweisen, obschon Art. 67a Abs. 1 IRSG bloss das Eignungskriterium als ersten Teilgehalt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ausdrücklich erwähnt.
c. Negative Voraussetzung: Keine Einwirkung auf das schweizerische Strafverfahren (Abs. 2)
49 Art. 67a IRSG macht Vorgaben betreffend das Verhältnis einer unaufgeforderten Übermittlung und dem schweizerischen (Straf)Verfahren, in dessen Rahmen die Übermittlungsgegenstände erhoben wurden, indem statuiert wird, dass erstere keinen Einfluss auf zweiteres habe. Die Hauptaussage dieser nicht leicht verständlichen Formulierung
Einerseits wird zum Ausdruck gebracht, dass aus einer unaufgeforderten Übermittlung an das Ausland nicht eo ipso Konsequenzen für ein hiesiges Strafverfahren – wie insbesondere eine Sistierung, der Verzicht auf die Ausübung des eigenen Strafanspruchs oder ein Richter/innen-Wechsel – folgen resp. folgen sollen.
Vgl. Zimmermann, coopération, S. 446. Es existieren keine entsprechenden spezifischen Bestimmungen. Art. 67a Abs. 2 IRSG stellt zudem klar, dass keine Pflicht der Strafbehörden besteht, ihnen in allgemeiner Form eingeräumtes Ermessen (z.B. Art. 312 StPO betreffend Verfahrenssistierungen) auf eine unaufgeforderte Übermittlung ausgerichtet zu handhaben. Andererseits leitet die Literatur aus Art. 67a Abs. 2 eine Vorgabe für die Handhabung des Art. 67a IRSG inhärenten Entschliessungsermessens («kann […] übermitteln»)
Oben N. 33. , ob eine unaufgeforderte Übermittlung an das Ausland vorzunehmen ist oder nicht, ab: Unterbleiben soll eine solche, wenn durch sie der Ermittlungserfolg im Inland gefährdet würde.Zum Ganzen BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a N. 49 f.; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 84 f. Inwiefern ein durch das Tätigwerden der ausländischen Strafjustiz drohender transnationaler Strafklageverbrauch nach Art. 54 SDÜ zum Nachteil des Schweizer Strafanspruchs einer unaufgeforderten Übermittlung durch die Schweiz mit Blick auf Art. 67a Abs. 2 IRSG entgegenstehen kann, erscheint bisher offen. Zumindest aus Art. 8 Abs. 3 StPO (Verfolgungsverzicht durch die Schweiz zufolge ausländischer Aufarbeitung) dürfte dies indessen nicht folgen. Siehe in diesem Zusammenhang auch Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 115 f. Gemeint ist damit insbesondere die Konstellation, dass in der Schweiz noch geheime Überwachungsmassnahmen (Art. 269 ff. StPO) andauern. Dass schweizerische Strafbehörden ihre eigenen Verfahren nicht durch freiwillige Rechtshilfeleistungen konterkarieren, liegt strafprozessual grundsätzlich auf der Hand, steht die Wahl der sachlich gebotenen Untersuchungsführung doch im pflichtgemäss zu handhabenden Ermessen der Staatsanwaltschaft (Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 StPO).Allgemein etwa BGE 144 IV 254 E. 1.4.1. Art. 67a Abs. 2 IRSG statuiert diese Priorität des eigenen (Straf)Verfahrens auch für das Rechtshilferecht. Für das betroffene Individuum ist eine so verstandene, auf das Schweizer (Straf)Verfahren bezogene, Handhabungsvorgabe von Art. 67a IRSG indessen insofern nachteilig, als sie die Gefahr birgt, dass unaufgeforderte Übermittlungen entlastender Umstände an das Ausland je nachdem – zumindest während einer gewissen Zeit – am Schweizer Strafanspruch scheitern können. Zwecks Vermeidung einseitiger Ergebnisse bedarf es hier einer offenen Abwägung der Interessen unter Einbezug der Bedeutung des schweizerischen Verfahrens.
50 Art. 67a Abs. 2 schliesst indessen nicht aus, dass die Schweiz aufgrund des mittels einer unaufgeforderten Übermittlung unterstützten ausländischen Verfahrens zu einem späteren Zeitpunkt entscheidet, den anderen Staat um stellvertretende Strafverfolgung zu ersuchen und auf das eigene Verfahren im Inland verzichtet.
d. Grundlage: Staatsvertrag oder Zustimmung des Bundesamts für Justiz
51 Von der Botschaft des Bundesrats als Einschränkung bezeichnet,
2. Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen, die den Geheimbereich betreffen
a. Übermittlungsgegenstand: Informationen, die den Geheimbereich betreffen
52 Art. 67a Abs. 5 IRSG regelt die unaufgeforderte Übermittlung innerhalb des Geheimbereichs. Zulässig ist eine solche einzig für Informationen: Art. 67a Abs. 4 IRSG nimmt den Geheimbereich betreffende Beweismittel zwar bloss von der unaufgeforderten Übermittlung gemäss Abs. 1 und 2 von Art. 67a IRSG aus, da Art. 67a Abs. 5 IRSG solche Beweismittel indessen ebenso nicht erwähnt, fehlt es e contrario an einer Rechtsgrundlage für deren unaufgeforderte Übermittlung. Sie können somit einzig im Rahmen eines auf entsprechendes Ersuchen hin eingeleiteten, ordentlichen Rechtshilfeverfahrens an das Ausland übermittelt werden.
53 Auch im Zusammenhang mit der unaufgeforderten Übermittlung von den Geheimbereich betreffenden Informationen nach Art. 67a Abs. 5 IRSG thematisiert die Praxis Abs. 1 von Art. 67a IRSG insofern, als es um die Provenienz des Übermittlungsgegenstands geht:
b. Übermittlungszweck: Angenommene Eignung, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen
54 Anders als bei nicht den Geheimbereich betreffenden Beweismitteln (und Informationen) gemäss Art. 67a IRSG darf der mit einer unaufgeforderten Übermittlung von Informationen innerhalb des Geheimbereichs verbundene Nutzen für das ausländische Strafverfahren (einzig)
55 Dass der die unaufgeforderte Übermittlung empfangende Staat ein späteres an die Schweiz gerichtetes Rechtshilfeersuchen wiederum auf die Umstände stützt, welche ihm zuvor seitens der schweizerischen Behören ohne Ersuchen mitgeteilt worden sind, entspricht nach der Sichtweise des Bundesstrafgerichts dem Ziel unaufgeforderter Übermittlungen und stellt keinen Mangel dar.
56 Zur Anwendung gelangt eine Informationsübermittlung gemäss Art. 67a Abs. 5 IRSG schwerpunktmässig im Zusammenhang mit in der Schweiz gelegenen Bankkonten: Da es sich um den Geheimbereich betreffende Beweismittel handelt,
57 Art. 67a Abs. 5 IRSG verlangt hinsichtlich der unaufgefordert übermittelten, den Geheimbereich betreffenden Informationen einzig Eignung, die Stellung eines Rechtshilfeersuchens zu ermöglichen, sodass es nicht etwa bereits eine Verletzung der Bestimmung darstellt, falls der andere Staat grundsätzlich entsprechend geeignete Informationen nicht dafür nutzt, um ersuchensweise an die Schweiz zu gelangen.
58 Es versteht sich von selbst, dass die Art. 67a Abs. 5 IRSG zugrundeliegende Zweckvorstellung mit Blick auf die unaufgeforderte Übermittlung (blosse Ermöglichung eines Rechtshilfeersuchens) gegenüber dem Staat, an welchen übermittelt wird, mittels eines Spezialitätsvorbehalts in hinreichender Manier abzusichern ist.
59 Gerade aus dem bei Art. 67a Abs. 5 IRSG vorausgesetzten Übermittlungszweck der Ermöglichung eines Rechtshilfeersuchens folgt im Übrigen wiederum die grundsätzliche Geltung der allgemeinen Voraussetzungen für durch die Schweiz zu leistende internationale Strafrechtshilfe auch hinsichtlich unaufgeforderter Übermittlungen:
c. Weitere Voraussetzungen
60 Was die übrigen Absätze von Art. 67a IRSG anbelangt,
61 Den Geltungsbereich von Art. 67a Abs. 3 IRSG erstreckt das Bundesgericht hingegen ausdrücklich, dem Wortlaut entsprechend im Sinne eines Umkehrschlusses, nicht auf die praxisrelevante unaufgeforderte Übermittlung von den Geheimbereich betreffenden Informationen.
3. Ablauf der unaufgeforderten Übermittlung
a. Im Allgemeinen
62 Art. 67a IRSG äussert sich nicht zur Form, welcher sich die Schweizer Behörden für die eigentliche Vornahme, verstanden als der Weitergabe an das Ausland, einer unaufgeforderten Übermittlung zu bedienen haben. Gemäss der Praxis kann diese zwischen Behörden informell (insbesondere «communications […] téléphoniques ou verbales») erfolgen,
63 Eine Beschwerdeerhebung in der Schweiz gegen das Übermittlungsdokument schliesst das Bundesgericht aus, sodass auch – als nicht im Hinblick auf ihren Schutz notwendig – eine Pflicht der unaufgefordert übermittelnden Schweizer Behörden, die betroffenen Personen mit einer Kopie der an das Ausland gerichteten Schriftlichkeit zu bedienen, verneint wird.
b. Nachachtung des Spezialitätsprinzips im Besonderen
64 Auch wenn sie unaufgefordert übermitteln, haben Schweizer Behörden grundsätzlich dafür zu sorgen, dass der Übermittlungsgegenstand im Ausland nicht entgegen der Intention, weshalb sie die Rechtshilfe geleistet haben, verwendet wird. Sichergestellt wird dies – entsprechend dem eine Rechtshilfebeschränkung bildenden Spezialitätsprinzip – durch die Statuierung von sog. Spezialitätsvorbehalten.
Erstens müsse sichergestellt werden, dass die Informationen nicht im Hinblick auf einen strafrechtlichen Vorwurf übermittelt werden, welcher a priori nicht rechtshilfefähig wäre (vgl. Art. 3 IRSG), wenn der die Rechtshilfe unaufgefordert empfangende Staat in der Folge mit einem (ordentlichen) Ersuchen an die Schweiz herantritt.
Zweitens sei in Ermangelung eines völkerrechtlichen Vertrags,
Siehe zudem Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 173: Auch ansonsten zumindest gleichzeitig mit der Übermittlung erfolgender schriftlicher Spezialitätsvorbehalt; für Formulierungsvorschläge vgl. BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 20; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 175. welcher die – in der Ermöglichung, der Schweiz ein Rechtshilfeersuchen zu unterbreiten, bestehende – Tragweite der unaufgeforderten Übermittlung regelt, der ausländischen Behörde diese ZweckbestimmungSiehe zudem wiederum BGE 139 IV 137 E. 5.2.3: «[C]es informations ne peuvent ni ne doivent être utilisées par l’Etat étranger dans le but d’accuser pénalement une personne, ce encore moins dans un domaine, notamment fiscal, dans lequel une demande d’entraide serait a priori déclarée irrecevable par la Suisse (cf. art. 3 al. 3 EIMP)». ausdrücklich in Erinnerung zu rufen. Dies habe (schriftlich) spätestens mit der Übermittlung der Informationen zu geschehen, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben zwischen Staaten zur Anwendung gelange.Im Schrifttum wird hier überzeugend eine analoge Anwendung von Art. 80p IRSG (Anbringung vorab annahmebedürftiger Auflagen) postuliert; vgl. BSK-Glutz von Blotzheim, Art. 67a IRSG N. 59 ff.; Glutz von Blotzheim, Übermittlung, S. 25 ff., 149 ff.; Ludwiczak Glassey/Bonzanigo, ZStrR 2022, S. 419 ff.
65 Die Verwendung von im Rahmen «kleiner» Rechtshilfe erhaltener schweizerischer Unterstützung durch den betreffenden ausländischen Staat unter Verletzung des Spezialitätsprinzips
c. Protokollierungspflicht gemäss Art. 67a Abs. 6 IRSG
66 Gemäss Art. 67a Abs. 6 IRSG ist jede unaufgeforderte Übermittlung in einem Protokoll festzuhalten. Bereits aus dem Wortlaut folgt, dass die Protokollierungspflicht umfassend Geltung beansprucht, d.h. sowohl im Zusammenhang mit der unaufgeforderten Übermittlung von nicht den Geheimbereich betreffenden Beweismitteln und Informationen als mit auch geheimen Informationen. Die Platzierung von Abs. 6 als letzten Absatz von Art. 67a IRSG bestätigt dies in systematischer Hinsicht.
67 Während der parlamentarischen Debatten wurde Art. 67a Abs. 6 IRSG als unverzichtbar bezeichnet:
68 Gerichtlich vorgebrachten Rügen im Zusammenhang mit dem Protokoll gemäss Art. 67a Abs. 6 IRSG war bisher soweit ersichtlich kein Erfolg beschieden: Zwar hat das Bundesstrafgericht im Grundsatz das Fehlen eines Protokolls als mögliche Verletzung von Art. 67a IRSG qualifiziert, deren Konsequenz darin bestehen kann, dass die schweizerische Behörde im Hinblick auf eine Rückgabe oder Nichtverwendung an das Ausland zu gelangen hat.
d. Rechtliches Gehör?
69 Das Bestehen eines vorgängigen Äusserungsrechts zu intendierten unaufgeforderten Übermittlungen wird im Schrifttum überwiegend unter Hinweis auf BGE 125 II 238 verneint.
70 Hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts sind die rechtshilferechtlichen Normen beachtlich, wenn eine unaufgeforderte Übermittlung ein an die Schweiz gerichtetes Rechtshilfeersuchen provoziert hat und die Unterlagen im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG zu den Akten des (passiven) schweizerischen Rechtshilfeverfahrens genommen werden:
D. Rechtsschutz im Zusammenhang mit unaufgeforderten Übermittlungen gemäss Art. 67a IRSG
1. (Limitierter) Rechtsschutz in der Schweiz
71 Es entspricht konstanter, unmittelbar nach Schaffung von Art. 67a IRSG etablierter Praxis,
72 Indessen wurde seitens der Rechtsprechung von Anfang an ebenso anerkannt, dass Verletzungen von Art. 67a IRSG grundsätzlich geltend gemacht werden können, wenn die unaufgeforderte Übermittlung dazu führt, dass der Staat, welcher die Unterstützung erhalten hat, mit einem Rechtshilfeersuchen an die Schweiz herantritt oder ein bereits vorliegendes ergänzt.
73 Kommt es im Nachgang der unaufgeforderten Übermittlung zu keinem an die Schweiz gerichteten Rechtshilfeersuchen des zuvor gemäss Art. 67a IRSG unterstützten Staats, so fehlt es nach dem ständigen modus operandi der Rechtsprechung an einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG, welches eine Intervention der Schweizer Justiz rechtfertigen würde.
74 Das Bundesgericht hat diese ständige Praxis bildenden Rechtsschutzmodalitäten im Zusammenhang mit Art. 67a IRSG (keine «possibilité d’un contrôle judiciaire direct de la transmission spontanée d’informations») ausdrücklich für EMRK-konform, insbesondere mit Blick auf Art. 13 EMRK, befunden.
2. Sonstige rechtliche Konsequenzen rechtswidriger unaufgeforderter Übermittlungen
75 Zusätzlich oder, gerade wenn kein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gerichtet wird und diese mithin keine Schlussverfügung erlässt, als alleinige Massnahme kann ein Vorgehen gegen die Verwertung des Übermittlungsgegenstands in demjenigen Staat (und nach dessen prozessualen Regeln) in Frage kommen, welcher seitens der Schweiz gestützt auf Art. 67a IRSG unterstützt worden ist.
76 Als (rechtliche) Reaktionsmöglichkeiten auf rechtswidrige unaufgeforderte Übermittlungen kommen ferner etwa die Geltendmachung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche,
Herzlicher Dank gilt Herrn BLaw Eric Chevrolet für die tatkräftige Unterstützung im Hinblick auf die Fertigstellung der Kommentierung.
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Materialienverzeichnis
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Rundschreiben Nr. 4 vom 20.3.2015: Weiterleitung von Anzeigen zum Zwecke der Strafverfolgung an das Ausland bei fehlender schweizerischer Strafhoheit, Bundesamt für Justiz, Direktionsbereich Internationale Rechtshilfe, abrufbar unter https://www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/strafrecht/wegleitungen.html (zit. Rundschreiben Bundesamt für Justiz 2015).
Wortprotokoll der Sitzung des Nationalrats vom 20.12.1995, AB 1995 V.
Wortprotokoll der Sitzung des Ständerats vom 21.3.1996, AB 1996 I.