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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Einleitung
- II. Der Wohnsitz (Abs. 1 lit. a)
- III. Der gewöhnliche Aufenthalt (Abs. 1 lit. b)
- IV. Die Niederlassung (Abs. 1 lit. c)
- Literaturverzeichnis
I. Einleitung
A. Allgemeines
1 Art. 20 IPRG regelt gleichermassen den Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt und die Niederlassung. Diese Begriffe sind für diverse Bestimmungen des IPRG von grosser Relevanz.
2 Den Anknüpfungsmerkmalen des Art. 20 IPRG haften verschiedene Gedanken an.
B. Anwendungsbereich und Einordnung in die Kollisionsrechtsdogmatik
3 Für das gesamte IPRG gelten die Begriffe des Art. 20 IPRG gleichermassen für Kollisionsrecht, Zuständigkeitsregelungen sowie Anerkennung und Vollstreckung.
4 Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist entweder der von der Kollisionsnorm fixierte Zeitpunkt oder (ohne normierte Fixierung) der Zeitpunkt der Urteilsfällung entscheidend.
1. Relevanz im Internationalen Zivilprozessrecht
5 Die Begriffe des Wohnsitzes, des gewöhnlichen Aufenthaltes und der Niederlassung nach dem IPRG beziehen sich lediglich auf einen bestimmten Staat als übergeordnete Gebietseinheit, nicht jedoch auf einen spezifischen Gliedstaat oder gar einen bestimmten Ort.
2. Relevanz im Kollisionsrecht
6 Der Grundsatz, dass die Begriffe des Art. 20 IPRG sich nur die übergeordnete Gebietseinheit des Staates beziehen, gilt im Kollisionsrecht prinzipiell ebenfalls. Verwirklichen sich der Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder die Niederlassung als Anknüpfungsmerkmal in der Schweiz, so ist Schweizer Recht anwendbar, weswegen eine nähere Lokalisierung zumeist überflüssig scheint. Auch wenn sich ein solches Anknüpfungsmerkmal im Ausland verwirklicht, wird im Normalfall schlicht dieser Staat relevant sein.
7 Von diesem Grundsatz ausgenommen sind Verweisungen auf Mehrrechtsstaaten. Dies sind Staaten, welche föderalistisch organisiert sind und über kein einheitliches Rechtssystem verfügen. Ein Exempel dafür sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit den unvereinheitlichten Rechtssystemen der einzelnen Bundesstaaten. Bei Mehrrechtsstaaten ist alleine der Verweis auf den gesamten Staat nicht zielführend. Vielmehr muss dies näher konkretisiert werden. Nach einer Lehrmeinung hat diese Konkretisierung auf dem Wege der «Verlängerung» der Anknüpfung zu erfolgen. Dieser zumindest für territoriale Anknüpfungsmerkmale zutreffenden Meinung müsste also insbesondere der Wohnsitz bei Mehrrechtsstaaten nicht bloss in einer Nation verortet werden, sondern darüber hinaus näher – beispielsweise in einem spezifischen Bundesstaat – angesiedelt werden.
8 Beispiel: Aus zuständigkeitsrechtlicher Sicht kann eine Person ihren Wohnsitz in den USA haben, da sie sich dort seit Jahren ununterbrochen aufhält. Lebt diese Person aber innerhalb der USA nomadenartig, so hat sie u.U. in keinem Bundesstaat einen Wohnsitz. Dennoch wird die Wohnsitzzuständigkeit in den USA zu verorten sein, da dafür nur der übergeordnete Staat (die USA) relevant ist. Für die Frage des anwendbaren Rechts am Wohnsitz muss hingegen der massgebliche Bundesstaat gefunden werden: bspw. durch Verlängerung der Anknüpfung des Art. 20 IPRG und somit durch Abstellen auf einen allfälligen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Art. 20 Abs. 2 IPRG). Demzufolge kann zuständigkeitsrechtlich ein Wohnsitz bestehen, der kollisionsrechtlich nicht besteht.
II. Der Wohnsitz (Abs. 1 lit. a)
9 Art. 20 Abs. 2 IPRG geht – ebenso wie das ZGB (Art. 23 Abs. 2 ZGB) – vom Grundsatz der Wohnsitzeinheit aus:
A. Elemente des Wohnsitzes
10 Der Wohnsitz im Sinne des IPR ist nicht ein rein tatsächlicher Begriff, sondern auch von rechtlichen Elementen und Würdigungen geprägt.
Ein objektives Element: Der physische Aufenthalt an einem bestimmten Ort bzw. in einem bestimmten Staat;
Ein subjektives Element: Die Absicht des dauernden Verbleibens an diesem Ort, was jedoch gegen aussen erkennbar sein muss (objektivierter Massstab).
11 Es ergibt sich daraus – so einhellig die Lehre
1. Das objektive Element: Physischer Aufenthalt
12 Als objektives Kriterium des Wohnsitzes ist die physische Anwesenheit an einem Ort bzw. in einem Staat gefordert.
13 Die Dauer des physischen Aufenthaltes ist grundsätzlich nicht relevant zur Wohnsitzbestimmung.
2. Das subjektive Element: Absicht dauernden Verbleibens
14 Die Absicht dauernden Verbleibens in einem bestimmten Staat bzw. an einem bestimmten Ort als subjektives Element muss gegen aussen erkennbar gemacht werden.
15 Der innere Wille zum Verbleib kann alleine noch nicht massgeblich sein,
16 Fraglich ist zudem, auf welche Zeitspanne sich die Absicht des Verbleibens beziehen muss. Wenn das Gesetz vom «dauernden» Verbleib spricht, meint es nichts anderes, als «nicht bloss vorübergehend».
3. Indizien zur Beurteilung des Wohnsitzes
17 Die Lehre sowie die Rechtsprechung enthält eine Vielzahl an Indizien, welche bei der Lokalisierung des Wohnsitzes mitentscheidend sein können. Die Ansätze aus der Rechtsprechung sollen lediglich als Leitlinie dienen. Es ist stets eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten, gegen aussen erkennbare Umstände vorzunehmen.
18 Bisweilen vorgebrachte Indizien sind unter anderem: Kommunikationsmittel wie der Telefonanschluss oder die Postadresse,
19 Öffentlich-rechtliche Aspekte (Ausweise, Wohnsitzbescheinigungen, Aufenthaltsberechtigungen, usw.) können zwar als Indizien verwendet werden, begründen indes noch keine Wohnsitzvermutung.
B. Schwierigkeiten bei der Bestimmung
20 Oftmals ist der Wohnsitz unschwer festzulegen. Problematisch werden kann die Bestimmung, wenn mehrere Domizile bestehen, bei denen keines eindeutig überwiegt. Ist die Bestimmung des Wohnsitzes unmöglich, so kann grundsätzlich nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 IPRG auf den gewöhnlichen Aufenthalt gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG abgestellt werden. Dieser Schluss sollte jedoch nicht bereits bei blossen Schwierigkeiten der Bestimmung gezogen werden.
1. Physischer Aufenthalt in mehreren Staaten
21 Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Wohnsitzes bestehen dann, wenn eine natürliche Person das objektive Element des Wohnsitzes in mehreren Staaten verwirklicht. Die Bestimmung muss dann primär anhand des subjektiven Elements vorgenommen werden. Ein Abstellen alleine auf den physischen Aufenthalt, beispielsweise anhand der Tage, welche in einem bestimmten Staat verbracht werden, ist nicht angezeigt. Bei mehreren möglichen Wohnsitzen muss umso mehr auf die Einzelfallumstände Rücksicht genommen werden,
22 Ein ansehnliches Beispiel für komplizierte Verhältnisse bieten aussergewöhnlich wohlhabende Personen, welche über mehrere Domizile verfügen.
23 Zeitweise entsandte Arbeiter werden – zumindest sofern ihre Familie nicht nachzieht – ihren Wohnsitz regelmässig nicht im neuen Staat begründen.
2. «Simulierter» Wohnsitz
24 Noch vor Erlass des IPRG wurde teilweise das sog. Prinzip der Echtheit des Wohnsitzes postuliert, welches einen simulierten, vorgeschobenen oder fiktiven Wohnsitz verhindern sollte.
3. Antizipierter Wohnsitz
25 Laut einer Stimme in der Literatur kann ein sog. antizipierter Wohnsitz begründet werden, also ein Wohnsitz, welcher erst künftig zustande kommen wird.
4. Der Aufenthalt zu Sonderzwecken
26 Den Bestimmungen des ZGB zum Wohnsitz wird zwar gemäss Art. 20 Abs. 2 IPRG die (direkte) Anwendung versagt, dennoch stellen sich auch im internationalen Verhältnis dieselben Fragen bei einem Aufenthalt zu Sonderzwecken. Ein solcher Sonderzweck liegt vornehmlich beim Aufenthalt zur Pflege oder in einer Anstalt vor. Das Bundesgericht hat die (negative) Vermutung, dass der Aufenthalt zu Sonderzwecken keinen Wohnsitz begründet, auch unter dem IPRG zur Anwendung gebracht.
27 Damit am Pflegeort überhaupt ein Wohnsitz entstehen kann, muss definitionsgemäss der vorherige Wohnsitz aufgegeben werden.
5. Handlungs- bzw. urteilsunfähige Personen
28 Das IPRG verlangt Urteilsfähigkeit als Voraussetzung zur Wohnsitzbegründung.
C. Verhältnis zu den Wohnsitzbestimmungen des ZGB
29 Der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG ist stark an jenen des Art. 23 Abs. 1 ZGB angelehnt.
III. Der gewöhnliche Aufenthalt (Abs. 1 lit. b)
30 Der gewöhnliche Aufenthalt kann in zweierlei Hinsicht relevant werden: Einerseits als Anknüpfungsmerkmal bei verschiedenen Normen des IPRG, andererseits als Ersatzanknüpfung, wenn kein Wohnsitz besteht. Direkte Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt finden sich grösstenteils in den Normen des Kindesrechts (vgl. Art. 66 ff. IPRG). Der Umstand, dass der gewöhnliche Aufenthalt als Ersatzanknüpfung fungiert (vgl. N 38 ff.), zieht auch nach sich, dass er nicht leichtfertig angenommen werden sollte.
31 Aus der historischen Entwicklung von Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG geht hervor, dass die Auslegung sich am in den verschiedenen Haager Übereinkommen verwendeten Begriff anlehnen darf.
32 Der gewöhnliche Aufenthalt kann an einem anderen Ort zu liegen kommen, als der Wohnsitz.
A. Voraussetzungen
1. «Leben»
33 Bei der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers stärker auf den «äusseren Anschein» an als beim Wohnsitz.
34 Auch der gewöhnliche Aufenthalt kann eine gewisse subjektive Komponente enthalten.
2. «Während längerer Zeit»
35 Der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG verlangt den Aufenthalt «während längerer Zeit». Durch dieses Element grenzt sich der gewöhnliche Aufenthalt vom blossen Aufenthaltsort ab.
B. Schwierigkeiten bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes
36 Die sog. Weltenbummler (vgl. N 23) bieten auch bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltes Probleme. Oftmals kann für Weltenbummler kein Wohnsitz festgestellt werden, da sie regelmässig keine Absicht haben, sich an einem Ort dauernd niederzulassen. Somit wird subsidiär auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen (Art. 20 Abs. 2 IPRG). Der gewöhnliche Aufenthalt kann für Weltenbummler jedoch ebenso schwierig zu finden sein, da auch dieser erfordert, dass die Person an einem Ort «während längerer Zeit lebt». Kehren sie wiederholt in denselben Staat zurück oder halten sie sich deutlich länger dort auf, wird der gewöhnliche Aufenthalt dort anzunehmen sein. Ansonsten ist auf den Rechtsschein abzustellen, wobei es durchaus möglich ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt sich oft und rasch verschiebt.
37 Für (allenfalls widerrechtlich) ins Ausland verbrachte Kinder sollte der gewöhnliche Aufenthalt dort angenommen werden, wo die engsten bzw. stabilsten familiären Beziehungen zu verorten sind.
C. Das Verhältnis des gewöhnlichen Aufenthalts zum Wohnsitz
38 Laut Art. 20 Abs. 2 IPRG ist in Fällen, in welchen eine Person nirgends Wohnsitz hat, der gewöhnliche Aufenthalt zu berücksichtigen. Diese subsidiäre Anwendung kommt jedoch gemäss dem expliziten Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 IPRG nur dann in Frage, wenn weder in der Schweiz noch im Ausland ein Wohnsitz lokalisiert werden kann. In Anbetracht der Subsidiarität erklärt sich auch, dass für jede Person ein gewöhnlicher Aufenthalt verortet werden muss – andernfalls liefen diverse Anknüpfungen in Ermangelung sowohl eines Wohnsitzes als auch eines gewöhnlichen Aufenthaltes ins Leere.
39 Der gewöhnliche Aufenthalt gelangt insbesondere dann zur Anwendung, wenn der bisherige Wohnsitz aufgegeben wird und kein neuer Wohnsitz begründet wird.
40 Die Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bezieht sich im Grunde sowohl auf Kollisions- wie auch auf Zuständigkeitsregeln. Vereinzelt kann ausschliesslich an den Wohnsitz angeknüpft werden, weswegen eine Berufung auf den gewöhnlichen Aufenthalt nicht zulässig ist. Dies wird im Erbrecht (Art. 86 ff. IPRG) der Fall sein, wo auf den «letzten Wohnsitz» abgestellt wird. Hat eine Person vor ihrem Tod den Wohnsitz aufgegeben und ist an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt gestorben, ist nichtsdestotrotz auf den letzten Wohnsitz abzustellen.
IV. Die Niederlassung (Abs. 1 lit. c)
41 Die Niederlassung befindet sich am Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit einer natürlichen Person. Es ist auf den Mittelpunkt der Aktivitäten abzustellen, welche auf die Erzielung eines Erwerbs gerichtet sind.
42 Als Niederlassung einer natürlichen Person gelten eine Werkstatt, ein Verkaufslokal, ein Atelier oder ein Büro.
Literaturverzeichnis
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