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Kommentierung zu
Art. 39 DSG

Eine Kommentierung von Philipp do Canto

Herausgegeben von Thomas Steiner / Anne-Sophie Morand / Daniel Hürlimann

defriten

In Kürze

Art. 39 DSG erlaubt Bundesorganen, Daten unter bestimmten Voraussetzungen zu nicht personenbezogenen Zwecken zu bearbeiten. Die Regel gewährt Erleichterungen im Sinne des «Forschungsprivilegs» für die Forschung, Statistik, Planung und weitere Bereiche. Der Sinn dahinter ist das grosse öffentliche Interesse an den betreffenden Tätigkeiten. Das Privileg gilt nur unter Einhaltung der Rahmenbedingungen. Erstens verlangt Art. 39 Abs. 1 DSG die frühestmögliche Anonymisierung im Rahmen der Bearbeitung der Personendaten. Zweitens ist für die Bekanntgabe von Daten von der Empfängerin an Dritte die Zustimmung des Bundesorgans erforderlich. Drittens dürfen, wie bei der privaten Datenbearbeitung nach Art. 31 Abs. 2 lit. e DSG, auch Bundestellen Forschungs- oder sonstige Ergebnisse nur so veröffentlichen, dass betroffene Personen nicht bestimmbar sind.

Da es bei nicht personenbezogener Datenbearbeitung nicht um die Identität der Betroffenen geht, erklärt Art. 39 Abs. 2 DSG wichtige Grundsätze für nicht anwendbar. So entfallen das Gebot der Zweckbindung und das Erfordernis der Gesetzesgrundlage in bestimmten Konstellationen wie z.B. für die Bekanntgabe von Personendaten. Zu beachten sind demgegenüber zahlreiche spezialgesetzliche Vorschriften, namentlich im Bereich der Statistik und der Forschung, die die praktische Bedeutung von Art. 39 DSG relativieren.

I. Allgemeines

1 Art. 39 DSG über die Bearbeitung von Daten für nicht personenbezogene Zwecke durch Bundesorgane greift weitgehend die Vorgängerbestimmung von Art. 22 aDSG mit dem sog. «Forschungsprivileg» auf.

Neu ist eine Präzisierung über besonders schützenswerte Personendaten. Nach Art. 39 DSG sollen Bundesorgane bei Bearbeitungen zu nicht personenbezogenen Zwecken (weiterhin) von Erleichterungen profitieren, wenn sie die Rahmenbedingungen beachten. Die Privilegierung wird mit dem öffentlichen Interesse an den betreffenden Tätigkeiten des Staates begründet.
Forschung und Statistik liefern Grundlagen zu sämtlichen Aspekten des öffentlichen Lebens.

2 Zu den Voraussetzungen für die Erleichterungen gehören zum einen die Pflicht zur Anonymisierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Abs. 1 lit. a). Zum andern sind Auflagen hinsichtlich der Bekanntgabe besonders schützenswerter Personendaten an Dritte zu beachten (Abs. 1 lit. b). Sodann gelten ein Zustimmungserfordernis bei Weitergabe durch die Empfängerin oder den Empfänger (Abs. 1 lit. c) und schliesslich das Gebot der Nichtbestimmbarkeit bei der Veröffentlichung der Ergebnisse (Abs. 1 lit. d). Art. 39 Abs. 2 erklärt aufgrund der verminderten Risiken bei nicht personenbezogenen Bearbeitungen bestimmte Grundsätze des DSG für nicht anwendbar (Abs. 2).

3 Die Bestimmung bezieht sich nur auf Datenbearbeitung durch Bundesorgane. Die Vorschrift nennt die Forschung, Statistik und Planung

als privilegierte Bereiche, wobei die Aufzählung nicht abschliessend ist. Erfasst werden neben der Statistik des Bundes demnach u.a. die Forschung durch Institutionen des Bundes oder in dessen Auftrag, die nationale Raum- und Verkehrsplanung, die Nationalbank
, die Migrationsverwaltung oder die öffentliche Gesundheit. Anders als im Privatbereich steht die im Humanforschungsrecht geregelte medizinische Forschung eher im Hintergrund der Bestimmung, da der Bereich hauptsächlich durch die kantonalen Universitätskliniken und die private Pharmaforschung getragen wird. Erfasst wird dagegen die Forschung der ETH-Domain als dezentrale Bundeseinheit.

4 Aufgrund des Erfordernisses der gesetzlichen Grundlage für staatliche Datenbearbeitungen besteht heute eine weit gehende spezialgesetzliche Regelung der verschiedenen Tätigkeiten (unten, IV). Art. 39 DSG verliert daher in zahlreichen Konstellationen eine eigenständige Bedeutung bzw. muss im Zusammenhang mit den sachspezifischen Vorschriften gelesen werden.

II. Abs. 1, Voraussetzungen im Einzelnen

A. Grundtatbestand: nicht personenbezogener Zweck

5 Das zentrale Tatbestandselement der Bestimmung ist die Bearbeitung für nicht personenbezogene Zwecke. Als nicht personenbezogen werden Zwecke bezeichnet, bei denen die Identität der betroffenen Person irrelevant ist. M.a.W. wird der Zweck der Tätigkeit auch erfüllt, wenn anonymisierte oder verschlüsselte Daten bearbeitet würden.

Erfasst wird sowohl die Bearbeitung von Daten grosser Bevölkerungsteile als auch einzelner Gruppen, soweit es einzig um die Merkmale und nicht um die Identität der erfassten Personen geht.
Wenn lediglich Sachdaten oder vorab anonymisierte Daten bearbeitet werden, ist die Bestimmung nicht anwendbar.

6 Die ausdrückliche Erwähnung der Bereiche bedeutet nicht, dass die Datenbearbeitung in den Bereichen Forschung, Statistik und Planung jeweils nicht personenbezogenen Zwecken dient. So kommen insbesondere Bearbeitungen vor, die gleichzeitig auch personenbezogenen Zwecken dienen. Für solche Tätigkeiten hält Art. 35 DSV fest, dass die Ausnahmen nach Artikel 39 Absatz 2 DSG nur für die Bearbeitung zu den nicht personenbezogenen Zwecken anwendbar sind.

7 Der Einleitungssatz zu Abs. 1 enthält die Rechtsfolge, nämlich die erleichterte Erlaubnis der Datenbearbeitung, wenn die nachfolgend zu erläuternden Voraussetzungen der Vorschrift eingehalten werden.

B. Lit. a, Frühestmögliche Anonymisierung

8 Bundesorgane müssen die Daten (grundsätzlich) anonymisieren, sobald es der Bearbeitungszweck erlaubt. Damit greift die Vorschrift den Grundsatz von Art. 6 Abs. 4 DSG auf.

Eine Frist bis zur Anonymisierung wird nicht genannt. Eine generell-abstrakte Regelung würde den jeweiligen Bedürfnissen in Statistik, Forschung und Planung nicht gerecht.

9 Anders als in Art. 31 Abs. 2 lit. e DSG wurde keine Ausnahmeregelung aufgenommen, die anderweitige Massnahmen zur Verhinderung der Bestimmbarkeit der Person erlaubt, falls eine Anonymisierung unmöglich oder unverhältnismässig ist. Es bestehen unterschiedliche Meinungen zur Frage, ob auch die Pseudonymisierung oder Verschlüsselung von Personendaten genügt. Liegt ein Code oder Schlüssel vor, mit der (teil-)anonymisierte Personendaten re-identifiziert werden können, spricht man von Pseudonymisierung. Ein Teil der Lehre will die Verschlüsselung nur zulassen, wenn die Bearbeitung letztlich zur Anonymisierung führt.

Die Gegenmeinung stützt sich auf das in der Praxis verbreitete Bedürfnis nach der Möglichkeit, auf die Identität der betroffenen Person zurückzukommen, was einer Anonymisierung entgegensteht, insbesondere der geforderten frühzeitigen Anonymisierung.
Die generelle Anonymisierung deckt sich zudem nicht mit lit. b, wonach es für besonders schützenswerte Personendaten bereits genügt, wenn diese bei Bekanntgabe an Private nicht bestimmbar sind, was auch eine Verschlüsselung erlaubt. Wenn für die Bekanntgabe besonders schützenswerter Daten die Verschlüsselung oder «faktische Anonymisierung»
reicht, müsste dies a maiore minus auch für weniger sensitive Daten gelten. Die Botschaft zum aDSG erwähnt einen Bedarf für die Pseudonymisierung.
Ein Entscheid des Bundesgerichts beantwortet sodann die Frage nicht abschliessend, sieht aber die Lösung im Zweck des jeweiligen Verfahrens: «Der Verschleierung sind freilich Grenzen gesetzt. Sie darf nicht dazu führen, dass das Urteil nicht mehr verständlich ist. Es kann deshalb nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Personen, die mit den Einzelheiten des Falles vertraut sind, gegebenenfalls trotz Verschleierung erkennen können, um wen es geht.»
Entzieht die Anonymisierung mithin den Zweck der Bearbeitung (der aber stets nicht personenbezogen sein muss), müssten demzufolge auch angemessene anderweitige Massnahmen zur Verhinderung der Bestimmbarkeit der Person zulässig sein.

C. Lit. b, Besonders schützenswerte Daten

10 Die zweite Voraussetzung betrifft die Bekanntgabe besonders schützenswerter Daten an Private. Die Bestimmung tritt als spezifische Regelung neben die allgemeinen Vorschriften über die Datenbekanntgabe in Art. 36 DSG.

Handelt es sich um besonders schützenswerte Daten, so gilt der Grundsatz, dass diese nur so an Dritte weitergegeben werden dürfen, dass die betroffene Person nicht bestimmbar ist. Im Gegensatz zum Wortlaut von lit. a wird hier keine Anonymisierung verlangt, sondern für den verstärkten Schutz der Daten genügt auch die vorgängige Verschlüsselung.

11 Im Zusammenhang mit Massnahmen zur Verhinderung der Bestimmbarkeit ist auf den umfangreichen Auflagenkatalog technischer und organisatorischer Massnahmen in Art. 3 DSV hinzuweisen, namentlich die Regeln betreffend Vertraulichkeit und Integrität. Es liegen zudem verschiedene Richtlinien über die Verschlüsselung vor, etwa die verbindlichen wissenschaftlichen Verknüpfungsrichtlinien des Bundesamts für Statistik oder die Guidelines der europäischen Agentur für Cybersicherheit (Enisa). Die Richtlinien enthalten u.a. Voraussetzungen über die Handhabung der Codes und für die De-Pseudonymisierung.

12 Ins Gewicht fallen zudem gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften. Wo die Spezialgesetzgebung eine Weitergabe von besonders schützenswerten Daten (an Private) integral nicht gestattet, gehen sie als Spezialregelung vor.

Lit. b kann deshalb nicht als Rechtfertigungsgrund für die Bekanntgabe von Daten herangezogen werden, die unter Geheimnisschutz stehen.

D. Lit. c, Zustimmungserfordernis bei Weitergabe

13 Drittens können Daten für das Bearbeiten zu nicht personenbezogenen Zwecken weitergegeben werden.

Für die Weitergabe der Daten ist laut lit. c indessen die Zustimmung des Bundesorgans erforderlich. Mit der Zustimmung des Bundesorgans muss die Auflage einhergehen, dass die Verpflichtungen betreffend die Anonymisierung und die Publikation an den Dritten weitergegeben werden.

14 Für die Nationalbank gilt die Sondervorschrift von Art. 16 Abs. 4bis NBG, wonach die Nationalbank befugt ist, Daten für statistische Zwecke in nicht aggregierter Form dem BFS bekannt zu geben. Das BFS darf Daten der Nationalbank ungeachtet von Artikel 39 DSG ohne deren Zustimmung nicht weitergeben.

15 Art. 39 Abs. 1 lit. c lässt die Form der Zustimmung offen. Gemäss Botschaft zum aDSG kann bzw. muss die Zustimmung auf dem Vertrags- oder Verfügungswege erfolgen.

E. Lit. d, Veröffentlichung von Ergebnissen

16 Lit. d nimmt die bisherige Vorschrift auf, wonach betroffene Personen bei Veröffentlichung der Ergebnisse nicht bestimmbar sein dürfen (Art. 22 Abs. 1 lit. c aDSG). Trotz dem gleichen Wortlaut wie Art. 31 Abs. 2 lit. e Ziff. 3 DSG wird hier bei der Publikation eine (vollständige) Anonymisierung verlangt.

Eine Teilanonymisierung oder Pseudonymisierung, wie sie etwa in der medizinischen Humanforschung verbreitet ist, reicht demnach nicht aus. Ausnahmen sind indes denkbar, wenn es um Daten von Personen der Zeitgeschichte geht oder überwiegende Interessen an transparenten Verhältnissen eine Akteneinsicht gebieten.

17 In der Lehre wird vermerkt, dass bei der Publikation von Studien mit wenigen Betroffenen ein Risiko von Rückschlüssen auf die Person entstehen kann, denkbar etwa bei Statistiken für geografisch kleinräumige Gebiete. Bei Publikationen von Ergebnissen auf der Datengrundlage zahlreicher Betroffener erscheint dies indes insofern weniger problematisch,

als die Identifizierung der Person durch einen Menschen erschwert ist. Technologische Systeme funktionieren hingegen unabhängig von geografischen oder zahlenmässigen Beschränkungen, so dass letztlich der technische Fortschritt die Anforderungen an die Publikation der Ergebnisse stetig erhöht.

III. Abs. 2, Ausnahmen

18 Art. 39 Abs. 2 DSG erklärt drei Bestimmungen des DSG für unanwendbar.

19 Zunächst ist das Gebot der Zweckbindung oder Zweckänderungsverbot nach Art. 6 Abs. 3 DSG nicht anwendbar. Weil Forschungs-, Planungs- und Statistikarbeiten gemäss Art. 39 DSG keine direkten Auswirkungen auf die Betroffenen haben, dürfen Daten auch in einem anderen Sachzusammenhang verwendet werden als wofür sie erhoben wurden.

Die Grenze der Verwendung wird allerdings durch Art. 39 Abs. 1 gesetzt, wonach es sich stets nur um nicht personenbezogene Zwecke handeln darf. In diesem Rahmen dürfen Daten zu beliebigen rechtmässigen Zwecken bearbeitet werden.
Die Ausnahmebestimmung gestattet m.a.W. nicht die Bearbeitung zu anderen, personenbezogenen Zwecken.

20 Die zweite Ausnahme bildet Art. 34 Abs. 2 DSG. Demnach entfällt das Erfordernis der formell-gesetzlichen Grundlage bei der Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und Profilen sowie hinsichtlich Tätigkeiten mit dem Risiko eines schwerwiegenden Eingriffs in die Grundrechte. Das Legalitätsprinzip entfällt damit nicht vollständig. Art. 34 Abs. 1 DSG bleibt anwendbar. Erwartet wird für entsprechende Bearbeitungen damit immerhin noch eine Rechtsgrundlage auf der Verordnungsstufe.

21 Die dritte Ausnahme betrifft Art. 36. Abs. 1 DSG über die Bekanntgabe von Personendaten. Folglich ist für die Bekanntgabe von Personendaten keine spezifische Gesetzesgrundlage erforderlich. Abgesehen davon, dass Art. 39 Abs. 1 DSG Voraussetzungen über die Bekanntgabe von Personendaten enthält, werden auch nach der Spezialgesetzgebung regelmässig Vorgaben einzuhalten sein. Bestehen keine Vorschriften, kann sich ein Bundesorgan auf diese Ausnahme stützen.

Das Legalitätsprinzip wird für die Bekanntgabe durch die Bestimmung indes ebenfalls nicht aufgehoben.

IV. Spezialgesetzgebung

22 Aufgrund des oben erwähnten Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage für staatliche Datenbearbeitungen besteht heute eine weit gehende spezialgesetzliche Regelung für Tätigkeiten von Bundesorganen.

Je nach Detaillierungsgrad können diese weitgehend an die Stelle von Art. 39 DSG treten, darauf verweisen oder die Vorschrift ergänzen.

A. Bundesstatistikgesetz

23 Art. 19 Abs. 2 BStatG enthält eine im Wortlaut fast identische Vorschrift an die Adresse von Statistikproduzenten des Bundes über die Bekanntgabe von Daten zu nicht personenbezogenen Zwecken. Die Bestimmung beschränkt sich auf die Bekanntgabe, weil das BStatG massgebliche Vorschriften über die Erhebung und Bearbeitung enthält (Art. 4 ff. BStatG). Über die Voraussetzungen in Art. 39 Abs. 1 DSG hinaus verlangt Art. 19 Abs. 2 lit. d BStatG die Einhaltung des Statistikgeheimnisses sowie der übrigen Datenschutzbestimmungen.

Dabei stellt Art. 16 Abs. 1 BStatG klar, dass für Personendaten «ausserdem», d.h. subsidiär, die Vorschriften über Forschung, Statistik und Planung des DSG gelten.

B. Registerharmonisierungsgesetz

24 Im Bereich der Bevölkerungsstatistik ist sodann das Registerharmonisierungsgesetz (RHG) massgeblich. Die Registerharmonisierung dient der Vereinheitlichung und Vereinfachung der kommunalen und kantonalen Register, um deren statistischen Nutzen zu erhöhen und den administrativen Aufwand zu verringern.

Daneben bringt die Registerharmonisierung Erleichterungen für die betroffenen Register. Sie ermöglicht den gesetzlich geregelten elektronischen Datenaustausch zwischen verschiedenen amtlichen Registern (vgl. Art. 1 RHG).

C. Polizeiliche Informationssysteme

25 Die Polizei- und Justizbehörden betreiben zahlreiche Register und Informationssysteme.

Geregelt werden die Systeme durch das Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI).
Art. 6 Abs. 4 BPI gestattet es den Verantwortlichen, an sich zur Löschung bestimmte Daten anonymisiert aufzubewahren, soweit dies für Statistik- oder Kriminalanalysezwecke erforderlich ist. Forschung mit den entsprechend anonymisierten Daten fällt indes nicht mehr unter Art. 39 DSG, da es keine Personendaten mehr sind.

D. Humanforschungsrecht und Forschung der ETH

26 Ins Gewicht fällt sodann das (in Revision stehende)

Humanforschungsrecht mit dem HFG und verwandten Erlassen wie z.B. das Krebsregistrierungsgesetz, die eigene Vorschriften über die Pseudonomysierung sowie Triagebestimmungen betreffend der Anwendung von HFG und DSG enthalten (z.B. Art. 28 KRG).
Von Bedeutung ist im Forschungsbereich insbesondere die Entwicklung der elektronischen Einwilligung (sog. E-Consent, Art. 8b E-HFV
), mit der unter bestimmten Voraussetzung auf die Schriftlichkeit verzichtet werden kann. Die elektronische Einwilligung spielt eine besondere Rolle für die künftige Weiterverwendung in der Forschung, wo Projekte oftmals keine personenbezogenen Zwecke (mehr) aufweisen (Art. 17 HFG).

27 Für die ETH-Domain hält schliesslich der revidierte Art. 36c Abs. 1 ETHG fest, dass im Rahmen von Forschungsprojekten Personendaten, einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten, bearbeitet werden können, soweit dies für das entsprechende Projekt erforderlich ist. Dabei ist laut Abs. 2 das DSG zu beachten.

E. Archive des Bundes

28 Zu nennen ist schliesslich das Bundesgesetz über die Archivierung (BGA), das den Regelungsrahmen für die Archive des Bundes enthält, namentlich für die Bundesverwaltung, das Parlament und die Gerichte des Bundes. Mit Blick auf besonders schützenswerte Personendaten in nicht anonymisierten Archiven sieht Art. 11 Abs. 1 BGA eine verlängerte Schutzfrist von 50 Jahren vor.

Literaturverzeichnis

Baeriswyl Bruno, Die Einwilligung hilft (nicht) weiter, digma 2020 S. 62 ff. (zit. Baeriswyl).

Baeriswyl Bruno/Pärli Kurt (Hrsg.), Datenschutzgesetz (DSG), Stämpflis Handkommentar, Bern 2015 (zit. SHK aDSG-Bearbeiter/-in).

Kley Andreas/Zihler Florian, Geschichtswissenschaftliches Arbeiten im Rahmen der Kommunikationsgrundrechte, Medialex 2003 S. 85 ff.

Maurer-Lambrou, Urs/Blechta, Gabor-Paul (Hrsg.), Datenschutzgesetz/Öffentlichkeitsgesetz, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2014 (zit. BSK-Bearbeiterin).

Perucchi Stefano/Bernasconi Jonathan/Ceroni Davide, in: Kellerhals Carrard/Bürgschaftsgenossenschaften Schweiz (Hrsg.), Corona-Kredite für KMU, Umsetzung des Massnahmenpakets und Kommentierung des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes (Covid-19-SBüG), Zürich 2021 (zit. Perucchi/Bernasconi/Ceroni).

Reudt-Demont Janine, Digitalisierung des Gesundheitswesens 2023, LSR 2023 S. 39 ff. (zit. Reudt-Demont).

Rosenthal David/Jöhri Yvonne, Handkommentar zum Datenschutzgesetz sowie weiteren, ausgewählten Bestimmungen, Zürich 2008 (zit. Rosenthal/Jöhri (2008)).

Belser Eva Maria/Noureddine Houssein, Die Datenschutzgesetzgebung des Bundes, Das Zusammenwirken datenschutzrechtlicher Normen, in: Belser Eva Maria/Epiney Astrid/Waldmann Bernhard (Hrsg.), Datenschutzrecht, Grundlagen und öffentliches Recht, Bern 2011, S. 412-460 und S. 461-509 (zit. Belser/Houssein).

Materialienverzeichnis

Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15.9.2017, BBl 2017 6941 ff., abrufbar https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2017/2057/de (zit. Botschaft 2017).

Botschaft zum Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) vom 23.3.1988, BBl 1988 II 413 ff., abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/1988/2_413_421_353/ de (zit. Botschaft 1988).

Erläuterungsbericht Totalrevision der Verordnung zum Bundesgesetz über den Datenschutz, BJ, 23.6.2021; Entwürfe zur Revision der Verordnungen in der Humanforschung, abrufbar unter https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/medizin-und-forschung/forschung-am-menschen/revision-verordnungen-hfg.html (zit. Erläuterungsbericht).

Fussnoten

  • Botschaft 2017, S. 7083.
  • Botschaft 1988, S. 473; Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 1.
  • Die Bereiche werden in Art. 22 aDSG noch in der Marginalie erwähnt; in der Marginalie zur aktuellen Bestimmung sind sie richtigerweise ersetzt durch die funktionale Bezeichnung. Zum Begriff des Bundesorgans vgl. Kommentierung zu Art. 5 lit. i DSG.
  • Botschaft 2017, S. 7148.
  • Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 13 aDSG N. 60.
  • BSK-Rampini, Art. 13 aDSG N. 42; Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 13 aDSG N. 60 mit Bezug auf Bearbeitung durch Private, was ohne weiteres auf die Bearbeitung durch Bundesorgane übertragbar ist.
  • SHK DSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 11.
  • Erläuterungsbericht S. 44.
  • Dazu eingehend die Kommentierung zu Art. 6 Abs. 4.
  • SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 18; BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 24 verlangen einen Anonymisierungsgrad, der auch die Identifikation durch Strafverfolgungsbehörden verhindert.
  • Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 10; relativierend auch Perucchi/Bernasconi/Ceroni, Art. 12 Covid-19-SBüG, N. 18.
  • Die Botschaft 2017, S. 7083 spricht bei Pseudonymisierung von «faktischer Anonymisierung».
  • Botschaft 1988, S. 473.
  • BGer. 1A.228/2003 vom 10.3.2004 E. 4.3; VPB 70.73.
  • Laut Art. 39 Abs. 2 ist Art. 36 Abs. 1 nicht anwendbar, s. unten III. Zum Begriff der besonders schützenswerten Personendaten vgl. Kommentierung zu Art. 5 lit. c DSG.
  • Botschaft 2017, S. 7083.
  • Botschaft 1988, S. 463 zur Datenbekanntgabe durch private Bearbeitende.
  • Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 13.
  • SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 22.
  • Botschaft 1988, S. 474.
  • BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 29, verweisen auf Art. 18 Abs. 3 BStatG; Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 16.
  • BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 29 m.H. auf die Behördenpraxis.
  • BSK-Rampini, Art. 13 aDSG N. 43.
  • Zur Problematik der Anonymisierung vgl. BVGer A-7040/2009 vom 30.3.2011, E. 10 (Google Streetview) sowie BGE 138 II 346 E. 14 (Google Streetview); BGer 6B_388/2015 vom 22.6.2015 E. 5.5.
  • Botschaft 1988, S. 474.
  • SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 32.
  • BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 32; Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 18.
  • Botschaft 1988, S. 2474; Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 19; BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 33; SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 35.
  • Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 22; BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 34.
  • SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 37.
  • Namentlich die Bearbeitung zu eigenen Zwecken muss im betreffenden Erlass geregelt sein, SHK aDSG-Baeriswyl, Art. 22 aDSG N. 4.
  • Eingehend zum Statistikgesetz BSK-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 22 aDSG N. 5 ff.
  • Rosenthal/Jöhri (2008), Art. 22 aDSG N. 6.
  • Überblick (teilweise veraltet) bei Belser/Houssein, S. 450.
  • SR 361.
  • Eine im Dezember 2019 durch den Bundesrat veranlasste Gesetzesrevision wurde nach offiziellen Angaben durch die Pandemie zu Fall gebracht. Im Mai 2023 lancierte der Bundesrat eine entsprechende Revision des Humanforschungs-Verordnungsrechts, vgl. Aktuelles Rechtsetzungsprojekt: Revision des Verordnungsrechts, besucht am 6.9.2024.
  • Zur Verwendung von Gesundheitsdaten in der Humanforschung vgl. Reudt-Demont, S. 42; Baeriswyl, S. 65.
  • Vgl. Fn. 36.
  • Kley/Zihler, S. 86 f.

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