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Kommentierung zu
Art. 32 IRSG

Eine Kommentierung von Andrés Payer

Herausgegeben von Maria Ludwiczak Glassey / Lukas Staffler

defriten

I. Entstehungsgeschichte

1 Art. 32 IRSG trat mit dem Rechtshilfegesetz am 31. Dezember 1982 in Kraft.

Seither ist er unverändert in Kraft geblieben.

2 Die Auslieferung mutmasslicher oder verurteilter Delinquenten von einem Souverän (heute: Staat) an einen anderen, die Gegenstand der Art. 32 ff. IRSG bildet, hat eine lange Geschichte,

von der hier allein der neuzeitliche Teil grob zu umreissen ist. Besonders bekannt, wenngleich nicht erstmalig, ist der Grundsatz «aut dedere aut punire» (entweder ausliefern oder bestrafen) von Grotius im 17. Jahrhundert postuliert worden.
Ab dem 18. Jahrhundert begannen europäische Länder untereinander Auslieferungsverträge zu schliessen, welche als rechtliche Grundlage für solche Auslieferungen dienten.
Im 19. Jahrhundert wurden die ersten Auslieferungsgesetze eingeführt, um zu verhindern, dass Staaten Zufluchtsorte für Straftäter werden.
Die Schweiz verabschiedete im Jahr 1892 ein solches Gesetz, das bis zum Inkrafttreten des IRSG in Kraft blieb.

3 Art. 1 des Auslieferungsgesetzes von 1892 kann als Vorgängerbestimmung des Art. 32 IRSG angesehen werden. Der Bundesrat scheint in seiner Botschaft von 1976 davon ausgegangen zu sein, dass Art. 28 E-IRSG (später Art. 32 IRSG) im Vergleich zum früheren Recht keine Änderung bewirkt.

II. Kontext der Bestimmung

4 Mit Art. 32 IRSG beginnt der Zweite Teil des Rechtshilfegesetzes, der die Auslieferung regelt. Noch 1976 hielt der Bundesrat fest, dass sie «als die wichtigste Form der internationalen Zusammenarbeit zu betrachten» sei.

So erklärt sich auch ihre Spitzenstellung unter den Rechtshilfeformen in der Systematik des IRSG. Die Auslieferung spielt in der schweizerischen Rechtshilfepraxis nach wie vor eine wichtige Rolle.
Sie ist auch die für die betroffene Person einschneidendste Massnahme im Bereich der Rechtshilfe.

5 Innerhalb des Zweiten Teils des IRSG steht Art. 32 am Anfang des 1. Kapitels, das die Voraussetzungen der Auslieferung regelt. Dabei greift Art. 32 IRSG das auslieferungsrechtliche Inländerprivileg des Art. 7 Abs. 1 IRSG wieder auf, indem seinem Wortlaut nach nur «Ausländer» ausgeliefert werden können (dazu N. 12 ff.), und zeichnet den durch Art. 35 IRSG konkretisierten Auslieferungsgrund einer bestimmten Straftat (Auslieferungsdelikt) vor (dazu N. 21 ff.).

6 Wie alle anderen Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen untersteht die Auslieferung den Allgemeinen Bestimmungen des Rechtshilfegesetzes (Art. 1 ff. IRSG).

7 Zu beachten ist das Verhältnis des Art. 32 IRSG zu international-vertraglichen und kantonalrechtlichen Bestimmungen. Nach Art. 1 Abs. 1 IRSG gehen Bestimmungen in Auslieferungsverträgen dem IRSG und damit auch dessen Art. 32 vor.

Die Art. 32 ff. IRSG gehen wiederum dem kantonalen Recht vor (Art. 49 Abs. 1 BV).

III. Normgehalt im Einzelnen

8 Art. 32 IRSG können zwei Funktionen zugeschrieben werden: Zum einen trägt die Norm dazu bei, die Definition der Auslieferung im geltenden Recht zu klären (A.), zum anderen stellt sie erste Voraussetzungen für die Auslieferung auf (B.), die durch die darauffolgenden Artikel des Rechtshilfegesetzes ergänzt werden.

9 Art. 32 IRSG ist als «Kann-Vorschrift» formuliert; eine Pflicht zur Auslieferung begründet er nicht. Damit spiegelt Art. 32 IRSG den in Art. 1 Abs. 4 IRSG enthaltenen Grundsatz wider, wonach auf dem Rechtshilfegesetz kein Anspruch auf Zusammenarbeit abgeleitet werden kann.

A. Konkretisierung des Auslieferungsbegriffs

10 Art. 32 IRSG lässt Rückschlüsse auf den Begriff der Auslieferung zu, den das Rechtshilfegesetz zugrunde legt. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft von 1976 zu diesem Gesetz ausführte, bedeutete «ausliefern» unter dem Regime des Auslieferungsgesetzes von 1892 «die Überantwortung des Verfolgten an den ersuchenden Staat zur Strafverfolgung oder -vollstreckung wegen Taten, die der (originären) Gerichtsbarkeit dieses Staates unterliegen».

Weiterhin geht es zwar um die Übergabe eines Menschen an einen anderen Staat zur Strafverfolgung oder -vollstreckung wegen Handlungen, die dieser ahnden kann. Im Einklang mit europäischen Übereinkommen ist die Auslieferung nun aber auch ein Instrument für die (zwangsweise)
Überführung des Verfolgten in den um Übernahme der Strafverfolgung oder -vollstreckung ersuchten Staat. Dies geht aus dem Text des Art. 32 in fine IRSG wie auch den zugehörigen Materialien hervor.
Die Initiative für eine Auslieferung an das Ausland braucht somit nicht vom Ausland auszugehen.

B. Formulierung erster Voraussetzungen für die Auslieferung

11 Dem Wortlaut des Art. 32 IRSG können folgende erste, von den anschliessenden Gesetzesbestimmungen zu ergänzende Voraussetzungen für die Auslieferung entnommen werden:

1. Ausländer

12 Erstens muss es sich bei der betroffenen Person grundsätzlich um einen Ausländer handeln. Dies folgt sowohl aus der Sachüberschrift als auch aus dem Wortlaut des Art. 32 IRSG in allen drei Amtssprachen. Dass prinzipiell nur Ausländer ausgeliefert werden können (Inländerprivileg), ergibt sich zudem aus Art. 25 Abs. 1 zweiter Teilsatz BV und Art. 7 Abs. 1 IRSG.

13 Den beiden letztgenannten Vorschriften ist zu entnehmen, dass für die Möglichkeit der Auslieferung nicht der Besitz einer ausländischen Staatsbürgerschaft (des ersuchenden

oder eines anderen Staates), sondern der mangelnde Besitz der schweizerischen Staatsbürgerschaft entscheidend ist. Ausländer im Sinne des Art. 32 IRSG ist somit jeder, der keine schweizerische Staatsbürgerschaft (im Sinne des BüG) besitzt.
Schweizerisch-ausländische Doppel- bzw. Mehrfachbürger sind daher keine Ausländer im Sinne dieser Bestimmung, wohl aber Staatenlose und Personen mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der Schweiz oder Flüchtlingsstatus.

14 Massgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Auslieferungsvoraussetzungen beurteilt werden bzw. die Vollstreckung der Auslieferung stattfindet (und nicht etwa der Zeitpunkt der Tat).

Wer somit das Schweizer Bürgerrecht vor dem Auslieferungsentscheid verloren hat, kann ausgeliefert werden,
nicht aber, wer es (sei es auch unmittelbar) vor dem Entscheid
oder der geplanten Auslieferung erworben hat.

15 Entgegen dem, was der Wortlaut des Art. 32 IRSG vermuten lassen könnte, ist eine Auslieferung von Schweizer Staatsangehörigen nicht per se ausgeschlossen, sondern möglich, wenn diese in die Auslieferung einwilligen (Art. 25 Abs. 1 zweiter Teilsatz BV; Art. 7 Abs. 1 IRSG; s.a. Art. 54 IRSG).

Diesfalls gelten im Übrigen die gleichen Voraussetzungen für die Auslieferung.

16 Weitere Fälle, in denen Schweizer Staatsangehörige nach aussen übergeben werden können, sind die Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof (vgl. Art. 16 Abs. 3 ZISG), die Durchlieferung (Art. 7 Abs. 2, Art. 20a IRSG),

die Rücklieferung (Art. 7 Abs. 2 IRSG) und die – temporär begrenzte – Zuführung (Art. 70 Abs. 2 IRSG), wobei in letztem Fall freies Geleit zu gewähren ist (Art. 70 Abs. 1 IRSG). Während Durch- und Rücklieferung traditionell als Sonderarten der Auslieferung verstanden werden,
wollen Gesetzgeber und überwiegende Literatur die Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof von der Auslieferung begrifflich und konzeptionell klar trennen. Dies offenbar vor allem, um der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass Schweizer Staatsangehörige ohne ihr Einverständnis nicht ausgeliefert werden können (Art. 25 Abs. 1 BV), auszuweichen.

2. Übergabe an einen anderen Staat

17 Zweitens muss die Übergabe an einen anderen Staat erfolgen. Dem Gesetzeswortlaut nach ist somit keine «Auslieferung» im Sinne des IRSG möglich an schweizerisch-innerstaatliche Behörden – wie schon der Titel und Kontext des IRSG nahelegen –, an nicht als Staaten konstituierte Gemeinschaften oder an inter- oder supranationale Organisationen (s. zu solchen Organisationen aber N. 19). Allerdings billigte das Bundesstrafgericht in BStGer 2008 61 die Auslieferung an die United Nations Interim Administration Mission in Kosovo.

Dies war insofern ein Sonderfall, als besagte Behörde die Verwaltungsgewalt über den Kosovo (einschliesslich Justiz) innehatte.

18 Die Konstitution als Staat setzt nach der völkerrechtlich anerkannten Drei-Elemente-Lehre ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und die Staatsgewalt voraus.

Nach der schweizerischen Praxis ist es nicht erforderlich, dass der ersuchende Staat international als Staat anerkannt ist; nicht einmal muss ihn die Schweiz als solchen anerkennen,
denn die Anerkennung hat bloss deklaratorische Wirkung.

19 Die am 1. Juni 2021 in Kraft getretene Änderung des Art. 1 IRSG

wirft die Frage auf, ob Art. 32 IRSG sinngemäss auch in Bezug auf internationale Gerichte oder andere zwischen- oder überstaatliche Einrichtungen anwendbar ist (vgl. Art. 1 Abs. 3bis und 3ter IRSG). Die Botschaft zu dieser Änderung spricht dafür: «Die Öffnung von Artikel 1 IRSG hat […] zur Folge, dass nicht nur die andere Rechtshilfe flexibilisiert wird, sondern auch die Zusammenarbeit im Bereich der ‹Auslieferung› […].»
In Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof ist jedoch das ZISG als lex specialis zu beachten.
Die Übergabe einer Person durch die Schweiz an den Internationalen Strafgerichtshof richtet sich ausschliesslich nach diesem spezielleren Gesetz
und stellt dementsprechend auch keine Auslieferung, sondern eine Überstellung dar (s. N. 16).

20 Indem Art. 32 IRSG von «übergeben» spricht, wird implizit vorausgesetzt, dass sich die betroffene Person im Inland befindet.

3. Anlasstat

21 Drittens muss die Übergabe aufgrund einer Handlung, die der andere Staat ahnden kann, erfolgen. Während der italienische Gesetzeswortlaut mit «atti» wie der deutsche von Handlungen spricht, schliesst der französische mit «infraction» bereits den Rechtsbruch ein, ist dafür aber bezüglich der Art desselben offener, da er auch die Unterlassung auf Anhieb einzuschliessen vermag. Doch sind auch die «Handlungen» bzw. «atti» in Art. 32 IRSG in einem weiten, sowohl Tun als auch Unterlassen umfassenden Sinn zu verstehen. Diese Auslegung steht im Einklang mit Art. 35 IRSG, der festlegt, welche Eigenschaften die Anlasstat überdies aufzuweisen braucht, und von «[D]elikte[n]» und «Tat» («infractions»/«reati») spricht, ohne eine Beschränkung auf Begehungsdelikte vorzusehen.

22 Soweit Art. 32 IRSG verlangt, dass der andere Staat die fragliche Handlung «ahnden kann» («a le droit de connaître de»/«può reprimere»), ist damit gemeint, dass er Strafhoheit (Strafgewalt) über sie besitzen muss,

und zwar in beiden Sinnen des Wortes:
Einmal muss er die völkerrechtliche Berechtigung besitzen, die Handlung strafrechtlich zu erfassen (ius puniendi), d.h. sich dafür auf ein völkerrechtlich anerkanntes Anknüpfungsprinzip
oder eine andere völkerrechtlich anerkannte Grundlage
stützen können.
Ausserdem muss er diese Handlung tatsächlich strafrechtlich erfassen (gemäss seinem Strafanwendungsrecht).

23 Grundsätzlich ist unerheblich, auf welche völkerrechtliche Grundlage sich der andere Staat zur Begründung seiner Strafhoheit beruft, z.B. ob auf das Territorialitätsprinzip oder das Schutzprinzip (s. zum Universalitätsprinzip N. 27 ff.). Allerdings folgt aus dem Reziprozitätsgrundsatz, dass es eine solche sein muss, auf Grund derer die Schweiz von ihm die Auslieferung verlangen könnte.

24 Fiolka verlangt ausserdem, dass die Tat im anderen Staat strafbar und dass dessen Recht auf sie anwendbar sei sowie dass die ausländischen Behörden für die «Ahndung» der Tat zuständig seien.

Diese zusätzlichen Voraussetzungen können Art. 32 IRSG nicht entnommen werden und sind im Kontext des Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG zu behandeln. Die interne Zuständigkeit der ausländischen Behörde ist ohnehin nicht zu prüfen.

25 Die Rechtsprechung legt einen zurückhaltenden Beurteilungsmassstab an. Danach ist die Rechtshilfe bzw. Auslieferung (nur) dann zu verweigern, wenn das Fehlen der Strafhoheit des anderen Staates derart offensichtlich ist, dass dessen Ersuchen als missbräuchlich bzw. dessen Bejahung der eigenen Zuständigkeit als willkürlich erscheint.

Soweit diese Zurückhaltung allerdings damit begründet wird, es handele sich um eine Frage der «Auslegung des Rechts des ersuchenden Staates», die «in erster Linie Sache seiner Behörden» sei,
greift dies zu kurz, da sich die ausländische Strafhoheit auch auf geltendes Völkerrecht stützen können muss (s. N. 22).

26 Der erwähnte von der Rechtsprechung angewandte sehr rechtshilfefreundliche Massstab

hat zur Konsequenz, dass nur in Fällen, in denen keinerlei Bezug des ersuchenden Staates zur Tat bzw. keinerlei völkerrechtliche Grundlage für dessen Strafhoheit über die Tat ersichtlich ist, die Auslieferung mangels tauglicher Anlasstat im Sinne des Art. 32 IRSG zu verweigern ist. Internationale Abkommen können freilich einen anderen Massstab vorsehen.

27 Wie ist mit einem Auslieferungsgesuch umzugehen, bei dem sich der ersuchende Staat zur Begründung seiner Strafhoheit auf das Universalitätsprinzip (Weltrechtsprinzip) beruft? Es sind zwei Konstellationen zu unterscheiden.

28 Befand sich der mutmassliche Täter zuvor nicht im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates, so handelt es sich eindeutig um einen Fall des sog. uneingeschränkten Universalitätsprinzips (auch absolutes, reines oder echtes Universalitätsprinzip genannt), wonach die Anwesenheit des Täters im Hoheitsgebiet der Strafverfolgungsbehörde nicht erforderlich ist.

Dieses Prinzip kann derzeit nicht als völkerrechtlich anerkannt gelten. Es wurde zwar von einzelnen Rechtsordnungen übernommen (z.B. Deutschland,
Neuseeland
),
ist aber nach wie vor sehr umstritten,
und die Schwelle zu seiner völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung erscheint nicht überschritten.
Speziell an der hier interessierenden Konstellation ist noch, dass sich der ersuchende Staat im Falle einer Auslieferung nicht mehr auf das uneingeschränkte Universalitätsprinzip berufen müsste, sondern den Ausgelieferten auf der Grundlage des – völkerrechtlich anerkannten – eingeschränkten Universalitätsprinzips verfolgen könnte. Allerdings setzt Art. 32 IRSG voraus, dass der andere Staat die völkerrechtlich fundierte Strafhoheit bereits besitzt und nicht erst durch die Auslieferung erlangt.
Eine hypothetische bzw. suspensiv bedingte Strafhoheit genügt nicht.

29 Freilich: Auch wenn – wie in der hier diskutierten Konstellation – der ersuchende Staat seine Strafhoheit letztlich nicht auf bestehendes Völkerrecht stützen kann, wird sein Ersuchen umso weniger als missbräuchlich erscheinen, je mehr dies (hier: die Tragweite des Universalitätsprinzips) umstritten ist. In Anwendung des – nicht überzeugend begründeten (s. N. 25) – sehr rechtshilfefreundlichen Massstabs des Bundesgerichts könnte daher einem auf das uneingeschränkte Universalitätsprinzip gestützten Ersuchen vielleicht dennoch entsprochen werden.

30 Befand sich der präsumierte Täter zunächst auf dem Territorium des ersuchenden Staates, der eine Untersuchung gegen ihn einleitete, und verliess er anschliessend dieses Staatsgebiet, so kann argumentiert werden, dass ein Fall des eingeschränkten Universalitätsprinzips vorliegt. Ob dieses Prinzip im Völkerrecht diesen Fall tatsächlich abdeckt oder ob die Strafhoheit mit dem Verlassen des Staatsgebietes erlischt, bedarf einer völkergewohnheitsrechtlichen Untersuchung, die hier nicht zu leisten ist. Das Auslieferungsersuchen erscheint in dieser Konstellation jedenfalls noch weniger missbräuchlich und wird – vorbehältlich anderer Ablehnungsgründe – schon deshalb zu bewilligen sein, weil die Schweiz in der gleichen Konstellation selber die Strafhoheit in Anspruch nimmt und Auslieferungsersuchen an das Ausland stellt.

31 Schliesslich sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass die in Frage stehende Handlung von der betroffenen Person selbst getätigt worden sein muss. Hierauf ist sogleich zurückzukommen (N. 32).

4. Zweck der Übergabe: Strafverfolgung oder Vollzug einer freiheitsbeschränkenden Sanktion

32 Viertens muss die Übergabe zur Strafverfolgung oder zum Vollzug einer freiheitsbeschränkenden Sanktion erfolgen. Damit wird Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG wieder aufgegriffen. Ein anderer Zweck, etwa die Durchführung von Zivil- oder Verwaltungsverfahren oder die Einvernahme in einem anderen Strafverfahren (gegen Dritte) im betreffenden Ausland, fällt ausser Betracht.

Die Strafverfolgung bzw. zu vollziehende Sanktion muss somit auf die durch die betroffene Person ausgeführte (bzw. ihr zurechenbare) Handlung gerichtet sein.

33 Die Auslieferung zur Strafverfolgung dient der Festnahme und Übergabe einer in einem ausländischen Strafverfahren beschuldigten Person, damit die ausländischen Justizbehörden ein Strafverfahren gegen sie durchführen können.

34 Aus Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG folgt, dass es auch in der Variante des Zwecks der Strafverfolgung (und nicht nur in derjenigen des Zwecks der Strafvollstreckung) um ein Delikt gehen muss, das eine gewisse Schwere aufweist. Die Bestimmung setzt nämlich ein Delikt voraus, das nach dem Recht sowohl der Schweiz als auch des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht ist.

35 Die Auslieferung zum Vollzug einer freiheitsbeschränkenden Sanktion bezweckt die Festnahme und Übergabe einer Person an den anderen Staat, gegen die eine ausländische rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidung zum Vollzug einer freiheitsbeschränkenden Sanktion vorliegt.

Als freiheitsbeschränkende Sanktionen (vgl. Art. 11 Abs. 2 IRSG) sind Freiheitsstrafen und stationäre Massnahmen zu verstehen.
«Freiheitsbeschränkend» ist hier somit mit «freiheitsentziehend» gleichzusetzen, wie aus der französischen Sprachversion («sanction privative de liberté») am klarsten hervorgeht.

36 Eine Mindestdauer der zu vollstreckenden Strafe ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Gemäss Botschaft zum IRSG ist es «selbstverständlich, dass eine Auslieferung nicht mehr als verhältnismässig erscheint, wenn der noch zu vollziehende Freiheitsentzug weniger als etwa drei Monate beträgt.»
Solche Fälle dürften unter Art. 4 IRSG zu subsumieren sein.

37 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Kontext des EAÜ ist die Auslieferung zur Vollstreckung einer bedingten Freiheitsstrafe nur dann möglich, wenn der bedingte Strafvollzug widerrufen wird (Suspensivbedingung).

Es besteht kein Zwang, diese Rechtsprechung auf den Kontext des IRSG zu übertragen, zumal hier – anders als beim EAÜ – keine Auslieferungspflicht besteht. Vielmehr drängt sich eine Verhältnismässigkeitsprüfung im Einzelfall auf, wobei klar ist, dass sowohl die verbleibende Strafe als auch die verbleibende Probezeit nicht unter dem Minimum liegen dürfen, das bezüglich unbedingter Strafen gilt (vgl. N. 36).

5. Ersuchen

38 Fünftens muss entweder der andere Staat um Auslieferung ersuchen (vgl. Art. 27 ff. IRSG) oder auf Ersuchen der Schweiz die Strafverfolgung oder die Vollstreckung des Strafentscheides übernehmen. Die beiden letztgenannten Varianten setzen auch die ausdrückliche Einwilligung des anderen Staates in die Auslieferung voraus.

Sie dürften praktisch selten zum Zug kommen.

Der Autor dankt den Herausgebern des Onlinekommentars und einem anonymen Gutachter.

In diesem Kommentar wird das generische Maskulinum verwendet.

Literaturverzeichnis

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Fussnoten

  • Er entspricht wortgleich Art. 28 des IRSG-Entwurfs von 1976 (Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG), Entwurf, BBl 1976 II 491 ff.) und war in derselben Form im am 20.3.1981 beschlossenen Rechtshilfegesetz enthalten (AS 1982 846).
  • Vgl. schon, die Auslieferung von politischen Flüchtlingen betreffend, Ziff. 11 f. des Friedensvertrages zwischen dem ägyptischen Pharao Ramses II. und dem hethitischen Grosskönig Ḫattušili III. (vermutlich 1259 v. Chr.); später z.B. den Vertrag von Falaise zwischen England und Schottland von 1174.
  • Grotius, l. 2 c. 21 §§ 4 ff.
  • Vgl. z.B. den Vertrag von Quiévrain zwischen Frankreich und den Niederlanden von 1718 und den Vertrag zwischen Frankreich und Württemberg von 1759; vgl. auch den Jay-Vertrag zwischen dem Königreich Grossbritannien und den USA von 1794. Von besonderer Bedeutung ist heute das EAÜ von 1957.
  • Vgl. z.B. das belgische Auslieferungsgesetz vom 15.3.1874.
  • Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22.1.1892, SR 353.0 (s. BBl 1892 I 402 ff.); vgl. zum Ganzen auch Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 11.
  • Vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen und einem Bundesbeschluss über Vorbehalte zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 8.3.1976, BBl 1976 II 444 ff., S. 481 e contrario.
  • BBl 1976 II 444 ff., S. 447.
  • Im Jahr 2022 sind 314 Auslieferungsgesuche an die Schweiz und 174 von der Schweiz an das Ausland gestellt worden, vgl. Internationale Rechtshilfe – Statistik 2022, https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/sicherheit/rechtshilfe/strafsachen.html, besucht am 22.8.2023.
  • Markees, Nr. 422, Ziff. 2.10.
  • S. dazu BGE 120 Ib 120 E. 1a; hierzu wiederum Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 18 ff.; Gless, N. 341 f.; Heimgartner, S. 39 ff.
  • BGer 8G.115/2003 vom 14.11.2003 E. 2.3.
  • BBl 1976 II 444 ff., S. 460.
  • Zwang dürfte bei der Auslieferung die Regel sein, ist aber nicht begriffsnotwendig (man denke z.B. an die Einwilligung des Auszuliefernden, vgl. Art. 54 IRSG).
  • Vgl. BBl 1976 II 444 ff., S. 460; s.a. Markees, Nr. 422, Ziff. 2.04.
  • Vgl. auch Art. 44 IRSG («Ausländer können zur Auslieferung festgenommen werden […]»). Zur Geschichte des auslieferungsrechtlichen Inländerprivilegs vgl. Macaluso/Rodriguez-Vigouroux, S. 991 ff.
  • Vgl. bereits Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zum Entwurf des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom 9.6.1890, BBl 1890 III 316 ff., S. 330.
  • So auch CR Entraide, Art. 32 EIMP N. 1; BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 2; vgl. auch Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 30; Ludwiczak Glassey, N. 866.
  • Vgl. CR Entraide, Art. 32 EIMP N. 2; Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 30; BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 2; Ludwiczak Glassey, N. 866 f.; Markees, Nr. 421a, Ziff. 1.131.2. Zum Begriff «Staatenloser» s. Art. 1 Ziff. 1 Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954, SR 0.142.40; s.a. Art. 7 Ziff. 1 dieses Übereinkommens. Bezüglich Flüchtlinge ist das Non-Refoulement-Prinzip zu beachten, wonach eine Auslieferung, Ausweisung oder Rückschiebung einer Person in ein Land verboten ist, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie dort einem ernsthaften Risiko von Folter bzw. unmenschlicher Behandlung oder einer anderen sehr schweren Menschenrechtsverletzung ausgesetzt wäre (vgl. Art. 25 Abs. 2 BV, Art. 3 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984, SR 0.105, Art. 33 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, SR 0.142.30).
  • Für den Zeitpunkt des Auslieferungsentscheids auch BSK-Fiolka, Art. 7 IRSG N. 15; Ludwiczak Glassey, N. 867 (m.H. auf Art. 6 Ziff. 1 lit. c EAÜ); Markees, Nr. 421a, Ziff. 1.131.2; zur Unwesentlichkeit des Tatzeitpunkts bereits BBl 1890 III 316 ff., S. 333. Macaluso/Rodriguez-Vigouroux, S. 993, wollen auf den Zeitpunkt des Auslieferungsgesuchs abstellen (ebenso Zimmermann, N. 701) und berufen sich dabei auf diese bundesrätliche Botschaft. Diese hält jedoch fest, dass im (kaum annehmbaren) Fall einer Naturalisation zwischen der Stellung des Auslieferungsbegehrens und dem Zeitpunkt der Entscheidung über dieses Begehren die Auslieferung abzulehnen wäre.
  • Vgl. BGE 57 I 12 (Auslieferung nach Verlust der Schweizer Staatsbürgerschaft unter dem Regime des Auslieferungsgesetzes).
  • In diesem Sinne auch BSK-Fiolka, Art. 7 IRSG N. 15; Markees, Nr. 421a, Ziff. 1.131.2.
  • Zur Auslieferungsmöglichkeit von Schweizern in Befolgung von Art. 8 Auslieferungsvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 14.11.1990, SR 0.353.933.6, s. Macaluso/Rodriguez-Vigouroux, S. 997 ff.
  • Markees, Nr. 422, Ziff. 2.11.
  • Soweit sie überhaupt eine Übergabe bzw. aktive Mitwirkung schweizerischer Behörden umfasst.
  • Vgl. z.B. BBl 1976 II 444 ff., S. 459 f. (Durchlieferung); BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 3.
  • S. dazu Botschaft über das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und eine Revision des Strafrechts, BBl 2001 391 ff., S. 435, 485 f.; BSK-Achermann, Art. 25 BV N. 13 f. m.H. auch zu kritischen Stimmen; Gless, N. 356; Ludwiczak Glassey, N. 737 viertes Lemma, N. 1092, N. 1112; Macaluso/Rodriguez-Vigouroux, S. 993 f. Prima facie ist dies ein problematischer Ansatz, der jedoch nicht hier, sondern im Zusammenhang mit Art. 25 Abs. 1 BV und Art. 7 Abs. 1 IRSG zu diskutieren ist. Immerhin dürfte eine Überstellung von Schweizern an den IStGH aufgrund der in den betreffenden Fällen bestehenden schweizerischen Strafhoheit (vgl. Art. 264m StGB) und des Komplementaritätsprinzips (Art. 17 und 53 Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17.7.1998, SR 0.312.1) auf absehbare Zeit kaum vorkommen.
  • Vgl. auch zuvor BStGer BH.2005.39 vom 25.11.2005 (betreffend Auslieferungshaft im Hinblick auf eine Auslieferung an den Kosovo); kritisch aus menschenrechtlicher Perspektive Henzelin, S. 201 ff. Derselbe stellt auch weiterführende Überlegungen dazu an, inwieweit die neuere Bundesgerichtspraxis eine Relativierung des Erfordernisses eines staatlichen Gegenübers impliziert (199 f.).
  • Vgl. Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats; Gutachten der Direktion für Völkerrecht (EDA) vom 18.11.2003, wiedergegeben in: SZIER 2004, S. 679 f.
  • BGE 130 II 217 E. 5 (betreffend Taiwan); BStGer 2008 61 E. 1.2 m.H. (bezüglich Kosovo); s.a. Urteil des Verwaltungsgerichts Köln 9 K 2565/77 vom 3.5.1978 (bezüglich Sealand), abgedruckt in: DVBl 1978, S. 510 ff. Grundlegend für die Drei-Elemente-Lehre Jellinek, S. 394 ff.; ähnlich Art. 1 Konvention von Montevideo vom 26.12.1933.
  • Vgl. BGE 130 II 217 E. 5 (betreffend Taiwan); Ludwiczak Glassey, N. 21.
  • S. BGE 130 II 217 E. 5.3; Henzelin, S. 196.
  • Zeitgleich wurde das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts vom 21.12.1995, SR 351.20, aufgehoben.
  • Botschaft zur Änderung von Artikel 1 des Rechtshilfegesetzes vom 6.11.2019, BBl 2019 7413 ff., S. 7420. Die Anführungs- und Schlusszeichen um den Begriff der Auslieferung können entweder so gedeutet werden, dass damit nur dem Umstand Rechnung getragen werden sollte, dass die Auslieferung damals als ein rein zwischenstaatliches Institut verstanden wurde, oder aber als Zeichen dafür, dass auch in Zukunft in diesem Zusammenhang nicht von «Auslieferung» (sondern, wie im Kontext des IRSG und des aufgehobenen Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten von 1995, von «Überstellung») gesprochen werden soll.
  • Anders als das IRSG sieht das ZISG eine verpflichtende Form der Zusammenarbeit vor, vgl. z.B. Art. 16 Abs. 1 ZISG.
  • Vgl. Art. 2 ZISG.
  • Insoweit wie hier BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 7; s. ferner Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 33; Markees, Nr. 422, Ziff. 2.10 und 2.11. Heimgartner, S. 74 a.E., führt aus, dass es bei Fehlen der Strafgewalt an einer effektiven Strafverfolgung und demzufolge auch am Auslieferungsobjekt des Verfolgten mangelt.
  • Vgl. Payer, S. 1 Fn. 2 m.H.
  • Vgl. Payer, S. 22 f. m.H.: Territorialitätsprinzip, Flaggenprinzip, aktives und passives Personalitätsprinzip, Schutzprinzip, Universalitätsprinzip.
  • Z.B. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege, vgl. Payer, S. 23 m.H. Art. 32 IRSG kann keine Beschränkung auf die originäre Strafhoheit des anderen Staates entnommen werden.
  • Dies kommt im französischen Wortlaut des Art. 32 IRSG, der ausdrücklich auf die Berechtigung statt bloss auf das Können abstellt, am besten zum Ausdruck und entspricht dem tradierten und geltenden Auslieferungsbegriff (s. N. 10). S. allgemein zu den völkerrechtlichen Grundlagen und Begrenzungen der staatlichen Strafgewalt Payer, S. 17 ff.
  • Vgl. Heimgartner, S. 77; Ludwiczak Glassey, N. 870 a.E.
  • BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 7; teilweise in diese Richtung auch Markees, Nr. 422, Ziff. 2.1.11. Das zweite bezeichnet Fiolka als «Strafgewalt». Doch bedeutet Strafgewalt nicht die Anwendbarkeit nationaler Strafgesetze. Ein Staat besitzt auch dann die Strafgewalt, wenn er einen Sachverhalt strafrechtlich erfasst, dabei jedoch das ausländische Recht für anwendbar erklärt (vgl. z.B. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 BetmG). S. Payer, S. 1 Fn. 2, S. 8.
  • Ludwiczak Glassey, N. 873; Zimmermann, N. 558 und 658 m.H.
  • Vgl. BGE 142 IV 250 E. 6.2; BGE 126 II 212 E. 6c; BGE 116 Ib 89 E. 2c/aa; BGer 1C_143/2016 vom 2.5.2016 E. 6.2; BGer 1A.205/2006 vom 7.12.2006 E. 3.2; BGer 1A.35/2002 vom 18.6.2002 E. 5.2; BStGer RR.2019.163 vom 21.8.2019 E. 3.1; BStGer 2019 109 E. 5.5.4; BStGer RR.2015.305 vom 6.4.2016 E. 6.5; BStGer RR.2015.280 vom 27.1.2016 E. 7.5; BStGer RR.2015.129 vom 3.11.2015 E. 5.1 f.; vgl. auch BGer 1A.165/2004 vom 27.7.2004 E. 2.1.
  • Vgl. die in der vorangehenden Fn. genannten Judikate.
  • Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 34, führen ihn auf das Vertrauensprinzip zurück. Vgl. auch Ludwiczak Glassey, N. 872.
  • Vgl. 126 II 212 E. 6c; Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 34.
  • Rienzo, S. 26.
  • Vgl. Art. 1 Völkerstrafgesetzbuch vom 26.6.2002.
  • Vgl. Sec. 8(1)(c)(iii) International Crimes and International Criminal Court Act 2000.
  • Belgien und Spanien sind zurückgekrebst. Die Schweiz hat bekanntlich das eingeschränkte Universalitätsprinzip verankert, vgl. Art. 264m Abs. 1 StGB.
  • Vgl. z.B. Cryer/Robinson/Vasiliev, S. 57 ff.
  • Dazu, dass Strafhoheit eine positive völkerrechtliche Grundlage (Erlaubnisnorm) bedingt, s. Payer, S. 17 ff. Zu den Voraussetzungen für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht s. die Hinweise bei dems., S. 30 Fn. 123.
  • Art. 32 IRSG verlangt nicht, dass der andere Staat die Tat ahnden könnte, sondern dass er sie ahnden kann.
  • Vgl. BStGer RR.2021.299 vom 19.6.2022, Bespr. Ludwiczak Glassey/Bonzanigo; BStGer BB.2011.140 vom 25.7.2012 E. 3.
  • Vgl. auch BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 5 f., wo darauf hingewiesen wird, dass nach der Auslieferung ohne Weiteres Zivil- oder Verwaltungsverfahren eröffnet werden können (keine Verletzung des Spezialitätsprinzips).
  • Vgl. Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 27; Heimgartner, S. 14.
  • Vgl. Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, S. 27; Heimgartner, S. 15.
  • BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 14; vgl. auch Ludwiczak Glassey, N. 863; Markees, Nr. 422, Ziff. 2.1.11.
  • Zu Recht kritisch BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 16; Heimgartner, S. 83; vgl. allerdings Markees, Nr. 422, Ziff. 2.1.11. Nach Art. 2 Ziff. 1 i.V.m. Art. 1 EAÜ besteht eine Auslieferungsverpflichtung nur für Freiheitsstrafen und sichernde Massnahmen im Mass von mindestens vier Monaten.
  • BBl 1976 II 444 ff., S. 461.
  • BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 16; Ludwiczak Glassey, N. 944; vgl. auch Heimgartner, S. 83.
  • BGE 115 Ib 378 E. 3a/bb; zweifelnd BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 19.
  • Vgl. BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 19.
  • Ludwiczak Glassey, N. 864.
  • Vgl. BSK-Fiolka, Art. 32 IRSG N. 23.

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