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Kommentierung zu
Art. 7a GwG

Eine Kommentierung von Eliane Gmünder / Raoul Breuleux

Herausgegeben von Damian K. Graf / Doris Hutzler

defriten

I. Normzweck und Systematik

1 Die Norm bezweckt eine konkretisierende Anwendung des risikobasierten Ansatzes. Sie soll eine Hilfestellung bieten und Umstände bezeichnen, bei denen die Geldwäschereigefahr derart vermindert ist, dass sich die Einhaltung der vollständigen Sorgfaltspflichten (Art. 3–7 GwG) nicht rechtfertigen würde. Die Regelung soll als eine Bagatellklausel dienen, welche für Dauerbeziehungen anwendbar ist, dies in Ergänzung zu derjenigen für Kassageschäfte (Art. 3 Abs. 2 GwG).

Dabei ist festzuhalten, dass diese Bagatellklausel nicht auf die Unterstellung eines Finanzintermediärs
als solche abzielt, sondern lediglich auf den Verzicht der Einhaltung einzelner Sorgfaltspflichten.

2 Die Konkretisierung der Voraussetzungen der Norm mittels der Begriffe der «Vermögenswerte von geringem Wert» sowie «keine Verdachtsmomente für mögliche Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung» wurde in Art. 11 GwV-FINMA vorgenommen. Diese Regelung auf Verordnungsstufe hat zur Folge, dass eine Anpassung der Definitionen und der Anwendungsfälle schneller und einfacher zu bewerkstelligen ist

, was ein wichtiger Aspekt der Innovationsförderung auf dem Finanzplatz Schweiz darstellt. Gerade Produkte in den Bereichen der Zahlungssysteme, -plattformen, E-Money und Virtual Assets Service Provider («VASPs») sind schnelllebig, was nach Flexibilität und Dynamik des Regulators und der Aufsichtsinstrumente verlangt. Die FINMA prüft konkrete Anträge von Finanzintermediären in Bezug auf ein spezifisches Geschäftsmodell und das mit diesem einhergehende Risikoprofil, ob dieses einen Verzicht auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten im Sinne von Art. 7a GwG rechtfertigt (Art. 11 Abs. 5 GwV-FINMA). Ist der Finanzintermediär nicht der FINMA, sondern einer Selbstregulierungsorganisation («SRO») unterstellt, gelangt der Antrag zur Prüfung einer potenziellen Befreiung von der Erfüllung der Sorgfaltspflichten über die zuständige SRO zur abschliessenden Prüfung an die FINMA.

3 Während Art. 11 GwV-FINMA, der seine Grundlage in Art. 7a des Gesetzes hat, den Verzicht auf die Erfüllung einzelner Sorgfaltspflichten regelt, existiert mit Art. 12 GwV-FINMA eine verwandte Norm. Diese regelt einen Spezialfall der vereinfachten Sorgfaltspflichten, der seinen Ursprung in einem Schreiben der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei vom 9.10.2003 hat, mit welchem die Kontrollstelle solche Ausnahmen gewährt hatte. Der Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute beantragte bei der FINMA, dass diese Erleichterungen auch für den Bereich der Konsumkredite anwendbar sein sollen, was diese mit einem Schreiben vom 15.6.2011 bestätigt hat. Diese Praxis wurde sodann in Art. 12 GwV-FINMA überführt.

II. Entstehungsgeschichte

4 Die Norm wurde mit dem Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der FATF vom 3.10.2008 eingeführt und ist am 1.2.2009 in Kraft getreten. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es, «administrative Erleichterungen»

zu gewähren, dies als Ausgleich zu den zeitgleich eingeführten verschärften Sorgfaltspflichten.

III. Internationales Recht

A. Empfehlungen der FATF

5 Die FATF-Empfehlungen, auf deren Grundlage die Bestimmung von Art. 7a GwG erlassen worden ist, erlauben es Ländern, gewisse Pflichten auf spezifische Institute bzw. eng beschränkte Formen der Geschäftstätigkeit nicht anzuwenden, wenn bei diesen ein nachweisbar geringes Risiko der Geldwäscherei besteht.

Für die Identifizierung des Vertragspartners wird in den FATF-Empfehlungen der risikobasierte Ansatz konkretisiert, indem dort risikoerhöhende bzw. -senkende Umstände bezeichnet sind.
Weiter stellt die FATF in ihrer Guidance
konkrete Hinweise und eine Risiko-Matrix zur Verfügung, die aufzeigen wie sich der risikobasierte Ansatz im Bereich der elektronischen Karten-, Mobil- und Internetzahlungen umsetzen lässt. Einzelne der darin erwähnten Kriterien finden sich in Art. 11 GwV-FINMA wieder.

B. Geldwäschereirichtlinie der Europäischen Union

6 In der EU existiert eine analoge Ausnahmebestimmung. Richtlinie 2015/849/EU, geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/843, sieht in Art. 15 vor, dass in bestimmten Bereichen, in welchen nur ein geringes Risiko besteht, ein Mitgliedstaat vereinfachte Sorgfaltspflichten vorsehen darf. Gleichzeitig stellt Abs. 3 dieser Bestimmung klar, dass auch bei der Anwendung der vereinfachten Sorgfaltspflichten Transaktionen und die Geschäftsbeziehungen in ausreichendem Umfang überwacht werden müssen, um die Aufdeckung ungewöhnlicher oder verdächtiger Transaktionen zu ermöglichen. Nach dem Vorschlag zur neuen Verordnung zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung soll künftig eine Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung («AMLA») sog. «Technische Regulierungsstandards» erlassen, welche die Pflichten für die Durchführung von Sorgfaltsprüfungen in Bezug auf den Kunden beschreiben. Diese Regulierungsstandards sollen auch spezifische vereinfachte Sorgfaltspflichten umfassen, die zur Anwendung kommen können, wenn ein geringes Risiko besteht.

IV. Grunddefinition

A. Allgemeine Voraussetzungen

7 Art. 7a GwG bezeichnet die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Geschäftsbeziehung als unkritisch betrachtet werden kann, mit der Konsequenz, dass auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten (Art. 3–7 GwG) verzichtet werden darf. Dazu müssen die beiden nachfolgend ausgeführten Voraussetzung kumulativ vorliegen.

B. Vermögenswerte von geringem Wert

8 Das Gesetz gibt keine Anhaltspunkte, bis zu welchem Betrag Vermögenswerte als «Vermögenswerte mit geringem Wert» einzustufen sind. Dies ist vielmehr im Zusammenhang mit dem angedachten Geschäftsmodell zu prüfen und insbesondere im Hinblick darauf, wie exponiert ein solches Geschäftsmodell für mögliche Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ist. Um trotzdem gewisse Leitplanken zu setzen, wurde die FINMA beauftragt, im Rahmen der GwV-FINMA verschiedene Fallgruppen von Finanzintermediären bzw. Finanzprodukten resp. -dienstleistungen zu bilden und für diese Fallgruppen unter Berücksichtigung der antizipierten Geldwäschereirisiken Schwellenwerte festzulegen (vgl. nachstehend, Ziff. V.).

C. Nichtvorliegen von Verdachtsmomenten für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung

9 Die kumulative Voraussetzung des Ausschlusses von Verdachtsmomenten für mögliche Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ist insofern paradox, als es gerade das Ziel der Sorgfaltspflichten – von welchen entbunden wird – ist, Verdachtsmomente identifizieren zu können. Bereits im Erläuterungsbericht

wird dieser Widerspruch aufgegriffen und richtiggestellt, dass der Verzicht auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nur für Produkte und Dienstleistungen gelten soll, welche ein geringes bis sehr geringes Geldwäschereirisiko mit sich bringen. In der Lehre wird diese Konkretisierung einheitlich gestützt.
Mit dem Fallgruppenkatalog benennt die FINMA in Art. 11 GwV-FINMA konkret Produkte und Dienstleistungen, welche ein geringes oder sehr geringes Geldwäschereirisiko aufweisen, weshalb bei diesen davon ausgegangen werden darf, dass keine Verdachtsmomente bestehen, ohne dass für diese Feststellung weitergehende Prüfhandlungen erforderlich wären.

V. Art. 11 GwV-FINMA

10 Der Verordnungsgeber (FINMA) hat vom Bundesrat den Auftrag erhalten

, selektiv Bereiche zu bezeichnen, die er von der Einhaltung der Sorgfaltspflichten entbindet, sofern diese, in Verbindung mit einem spezifischen Schwellenwert, ein geringes oder sehr geringes Geldwäschereirisiko aufweisen. Mit diesem Vorgehen der Herausarbeitung und Definition von Fallgruppen folgt die Schweiz dem Ansatz der FATF.

11 Die Autorenschaft ist der Ansicht, dass der seit 2008 bestehende und seitdem nahezu unveränderte Fallgruppenkatalog in Art. 11 GwV-FINMA aktualisiert bzw. erweitert werden sollte, haben sich doch in der Zwischenzeit nicht nur die Bedürfnisse der Finanzintermediäre und deren Kunden und damit die Geschäftsmodelle verändert, sondern auch die Rechtsprechung

hat sich weiterentwickelt. Die wichtigsten Treiber für eine Überarbeitung dürften aber die neuen technologischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten sein, die sich durch den Digitalisierungsschub im Finanzdienstleistungsbereich ergeben haben. Zuletzt sollen die Fallgruppen auch deshalb an die veränderten Gegebenheiten angepasst werden, weil es sicherzustellen gilt, dass diese Konstellationen tatsächlich ein tiefes Risiko für Geldwäscherei aufweisen. So kann dieses Risiko bei Zahlungssystemen oder der Übertragung von Kryptowährungen, die einen Werttransfer ins Ausland erlauben, durchaus sehr erheblich sein, während solche mit Einschränkungen auf lokale Transfers (z.B. Gutscheine für Warenhäuser; Zahlungssystem in einem Skigebiet etc.) ein tieferes Risiko aufweisen.

A. Zahlungsmittel für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, die ausschliesslich dem Bezahlen von Waren und Dienstleistungen dienen (Art. 11 Abs. 1 GwV-FINMA)

12 Die Einschränkung auf das «Bezahlen von Waren und Dienstleistungen» ist restriktiv auszulegen, da der Verordnungsgeber damit ausschliesslich Waren und Dienstleistungen von kommerziellen Händlern und Dienstleistungserbringern meint. Nicht unter Abs. 1 fallen Zahlungen zwischen Privatpersonen, selbst wenn der Grund für die Zahlung im Erwerb von Waren und Dienstleistungen liegt (z.B. über Internetauktionshäuser).

13 Ausserdem sollen Systeme, welche Wertübertragungen ohne den Kauf von Waren erlauben, nicht von der Einhaltung der Sorgfaltspflichten befreit werden, da die FINMA in diesen Konstellationen ein immanentes Geldwäschereirisiko sieht.

Ferner ist festzuhalten, dass sämtliche in Abs. 1 definierten Beträge explizit als sog. «spending limits» zu verstehen sind.
Dies bedeutet, dass nicht der verfügbar gemachte Betrag (z.B. Kartenlimite) für den Schwellenwert ausschlaggebend ist, sondern der Betrag, welchen der Nutzer des Zahlungsmittels tatsächlich ausgeben resp. bezahlen kann. Erlaubt das Zahlungsmittel ein «overpayment», dann ist dieser Betrag somit dem Schwellenwert anzurechnen. Dies bedingt, dass der Finanzintermediär über die technischen Einrichtungen verfügen muss, um die Überschreitung der Schwellenwerte zu erkennen (Art. 11 Abs. 4 GwV-FINMA).

14 Der Gesetzgeber hat folgende Unterkategorien gebildet, die zum bargeldlosen Zahlungsverkehr für das ausschliessliche Bezahlen von Waren und Dienstleistungen gehören:

1. E-Money (lit. a)

15 Eine genau Definition für die Begriffe E-Money oder E-Commerce fehlt; in der Regel werden darunter jedoch elektronische Zahlungsmittel für den Alltag und insbesondere für die Nutzung im Internet verstanden.

Dabei spielt es aus Sicht des Verordnungsgebers keine Rolle, ob das elektronisch verfügbare Geld auf einem Server gespeichert ist und der Kunde mittels virtuellem Zugriff (z.B. auf ein Wallet) zugreift und darüber verfügt oder ob der Betrag von einem lokalen Chip-System abgebucht wird.
Traditionellerweise handelt es sich um sog. Prepaid Systeme.

16 Zusätzlich zu den Kriterien in Abs. 1 sind folgende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen (lit. a):

  • Es können nicht mehr als CHF 1'000 pro Transaktion und CHF 5'000 pro Kalenderjahr und Vertragspartei bezahlt werden;

  • allfällige Rückzahlungen des Zahlungsmittels finden nur zugunsten von Konten bei in der Schweiz bewilligten oder im Ausland gleichwertig beaufsichtigten Banken und lautend auf den Namen der Vertragspartei statt; und

  • pro Rückzahlung darf der Betrag von CHF 1'000 nicht überschritten werden.

17 Mit der Möglichkeit der Rückzahlung wollte der Verordnungsgeber verhindern, dass unlautere Geschäftsmodelle begünstigt und Kunden einem Kaufzwang unterworfen werden. Um das Geldwäschereirisiko dennoch tief halten zu können, müssen die Rückzahlungen an das gleiche Bankkonto transferiert werden, von welchem ursprünglich die Überweisungen stammen. Ist dies im Einzelfall nicht möglich (z.B. aufgrund einer zwischenzeitlichen Saldierung eben dieses Kontos), dann muss der Finanzintermediär sicherstellen, dass der Betrag zumindest auf ein Konto lautend auf den gleichen Vertragspartner transferiert wird.

Muss der Betrag im Einzelfall auf ein anderes Konto zurücküberwiesen werden, dann ist dieser Umstand für die Limitenberechnung unerheblich, schliesslich handelt es sich um den gleichen Vertragspartner.

2. Zahlung ausschliesslich an Schweizer Händler (lit. b)

18 Zusätzlich zu den Kriterien in Abs. 1 sind folgende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen (lit. b):

  • Es können nicht mehr als CHF 5’000 pro Monat und CHF 25’000 pro Kalenderjahr und Vertragspartei;

  • an Händler in der Schweiz bezahlt werden;

  • wobei Ladungen ausschliesslich zulasten und allfällige Rückzahlungen des Zahlungsmittels ausschliesslich zugunsten eines auf den Namen der Vertragspartei lautenden Kontos bei einer in der Schweiz bewilligten Bank erfolgen.

19 Die höheren Schwellenwerte scheinen insofern gerechtfertigt, als dass in dieser Konstellation Zahlungen lediglich an Schweizer Händler getätigt werden können.

Da dies in der Praxis nicht umsetzbar ist (ein real-time monitoring der Händler in Bezug auf deren Schweizer Sitz wäre nötig), führt die Lehre richtigerweise aus, dass sich dieser Anwendungsfall nur realisieren lässt, wenn der Kreis von Anbietern und Dienstleistern beschränkt ist (sog. «Closed-Loop-Systeme» i.S.v. lit. c unten).

3. Closed-Loop-Systeme (lit. c)

20 Es geht hierbei vor allem um Warenhauskarten

bzw. die Herausgabe von Karten, welche innerhalb eines klar definierten Kreises von Abnehmern (z.B. Händlern, die derselben Konzerngruppe angehören) akzeptiert werden.

21 Zusätzlich zu den Kriterien in Abs. 1 sind folgende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen (lit. c):

  • Die Zahlungsmittel können nur innerhalb eines bestimmten Netzes von Dienstleistern oder Warenanbietern verwendet werden; aus dem Begriff des «Dienstleisters» lässt sich sinngemäss ableiten, dass dieser eine gewerbliche Tätigkeit verfolgt, dies in Abgrenzung zum nachfolgenden Absatz 2, der Zahlungen zwischen Privaten regeln soll;

    und

  • der Umsatz beträgt nicht mehr als CHF 5’000 pro Monat und CHF 25’000 pro Kalenderjahr und Vertragspartei.

B. Zahlungsmittel für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, die nicht ausschliesslich dem Bezahlen von Waren und Dienstleistungen dienen (Art. 11 Abs. 2 GwV-FINMA)

22 Unter Absatz 2 ist es keine Voraussetzung, dass das Zahlungsmittel ausschliesslich dem bargeldlosen Bezahlen von Waren und Dienstleistungen dient. Dafür wurden die Schwellenwerte herabgesetzt auf maximal CHF 250 pro Datenträger bzw. pro Geschäft und CHF 1'500 pro Vertragspartei. Dies soll es erlauben, sehr geringe Beträge zwischen Privatpersonen (P2P) zu überweisen, ohne hierfür die Sorgfaltspflichten beachten zu müssen.

Die Bestimmungen zu Ladungen bzw. Rückzahlungen an ein auf den Namen der Vertragspartei lautendes Konto bei einer Schweizer Bank gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. b GwV-FINMA gelten auch hier (s. N. 18).

C. Nicht wiederaufladbare Zahlungsmittel (Art. 11 Abs. 3 GwV-FINMA)

23 In Absatz 3 wurde das Kriterium der dauernden Geschäftsbeziehung bewusst weggelassen. Stattdessen gelten hier die folgenden Voraussetzungen, welche einen Verzicht auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten rechtfertigen:

  • Das Zahlungsmittel kann nicht wiederaufgeladen werden;

  • das Guthaben dient ausschliesslich dazu, von der Vertragspartei erworbene Waren und Dienstleistungen elektronisch zu bezahlen;

  • pro Datenträger werden nicht mehr als CHF 250 verfügbar gemacht; und

  • pro Geschäft und pro Vertragspartei werden nicht mehr als CHF 1'500 verfügbar gemacht.

24 Die FINMA wendet hierbei die Kriterien zur Beurteilung von zusammenhängenden Transaktionen entsprechend denjenigen des Kassageschäfts an.

D. Überwachung der Schwellenwerte (Art. 11 Abs. 4 GwV-FINMA)

25 Der Finanzintermediär kann auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten unter folgenden kumulativen Voraussetzungen verzichten:

  • Er muss über technische Einrichtungen verfügen, die ausreichen, um ein Überschreiten der jeweiligen Schwellenwerte zu erkennen.

  • Er muss Vorkehrungen treffen, um eine allfällige Kumulierung der Betragslimite sowie Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen in Art. 11 GwV-FINMA zu verhindern.

  • Vorbehalten bleiben Art. 14 und 20 GwV-FINMA in Bezug auf die Überwachung von Transaktionen. Vorbehalten bleibt ebenfalls Art. 10 GwV-FINMA, soweit anwendbar. Die in den vorbehaltenen Bestimmungen genannten Pflichten müssen damit trotz des Verzichts auf die Sorgfaltspflichten weiter eingehalten werden.

26 Zunächst ist festzuhalten, dass der Verordnungsgeber entgegen dem Wortlaut der Bestimmung nicht nur verlangt, dass das Überschreiten der jeweiligen Schwellenwerte erkannt wird, sondern der Finanzintermediär soll zudem sicherstellen, dass das Überschreiten der Schwellenwerte technisch unterbunden wird.

«So sollte technisch ausgeschlossen sein, mehr als den festgesetzten Betrag auf einmal zu bezahlen. Ebenso soll eine mögliche Kumulierung der Betragslimite verhindert werden (Smurfingverbot).»
Genau diese technische Überwachung und damit die automatische Sperre im Falle des Erreichens eines Schwellenwerts mit oder ohne Kumulierung der Betragslimiten sind in der Praxis nicht einfach, zumal die Vertragsparteien gerade nicht im Sinne von Art. 3–7 GwG identifiziert werden. Insofern ist es den Finanzintermediären anzuraten, dass sie anderweitig eine Identifikation der Vertragsparteien vornehmen; eine Zurechnung der Beträge und damit Überwachung der Schwellenwerte würde sonst verunmöglicht. Dazu zählen insbesondere die Registrierung der Personalien wie Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, E-Mail-Adresse, Mobiltelefonnummer sowie IBAN (lautend auf den Namen des Vertragspartners).
Auch wenn diese Informationen keine absolute Garantie bieten, erlauben sie es dem Finanzintermediär, bestimmte automatisierte Überprüfungen wie z.B. den Abgleich mit Adressdatenbanken
und spezifisch für die Zwecke eines «Name Check» unterhaltenen Datenbanken
vorzunehmen und so die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen.

27 Kunden-identifizierende Informationen sind zudem notwendig, um ein sinnvolles Transaktionsmonitoring i.S.v. Art. 14 i.V.m. Art. 20 GwV-FINMA zu bewerkstelligen und entsprechend Transaktionen mit erhöhten Risiken zu erkennen, denn diese Pflichten sind aufgrund der Klarstellung in Art. 11 Abs. 4 GwV-FINMA auch bei Anwendung der Ausnahmebestimmung von Art. 7a GwG einzuhalten.

Auch das Feststellen von Kunden mit erhöhten Risiken, insbesondere von PEPs, ist eine Pflicht, deren Einhaltung ohne «Name Check»-Abgleich und folglich ohne die nötigen Kunden-identifizierenden Angaben nicht möglich ist.

28 Abschliessend ist festzuhalten, dass es nicht das Ansinnen des Verordnungsgebers war, mit diesem Abs. 4 die Erleichterungen nach Art. 11 GwV-FINMA gleich wieder auszuhebeln. Stattdessen wird von den Finanzintermediären verlangt, dass sie eine angemessene und risikobasierte Überwachung sicherstellen. Empfehlenswert ist, dass die Finanzintermediäre im Rahmen ihrer GwG-Risikoanalysen nach Art. 25 Abs. 2 GwV-FINMA die Risiken regelmässig validieren und gegebenenfalls die Massnahmen anpassen.

E. Finanzierungsleasing (Art. 11 Abs. 4bis GwV-FINMA)

29 Beim Finanzierungsleasing handelt es sich um ein sog. Dreiparteiensystem, wobei die Leasinggeberin als vorfinanzierende und damit kreditgebende Partei auftritt, was schliesslich zu ihrer Unterstellungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 lit. a GwG führt.

Die Leasinggeberin erwirbt zwar vom Hersteller resp. Händler das Leasingobjekt auf eigene Rechnung und im eigenen Namen, wohl aber auf Anweisung des Leasingnehmers (z.B. Spezifikation des Fahrzeugs). Im Rahmen des Leasingvertrages überlässt dann die Leasinggeberin dem Leasingnehmer während einer vereinbarten (typischerweise unkündbaren) Vertragsdauer das Leasingobjekt, wofür der Leasingnehmer eine sog. Leasingrate bezahlt. Mit Beendigung des Leasingvertrages wird das Leasingobjekt entweder an die Leasinggesellschaft zurückgegeben, der Vertrag verlängert, ein neuer Vertrag abgeschlossen oder das Leasingobjekt vom Leasingnehmer ausgekauft.

30 Aufgrund der langen oder sogar unkündbaren Vertragslaufzeiten weist das Leasinggeschäft per se nur ein geringes Geldwäschereirisiko auf.

Diese Risikoeinschätzung wurde auch im National Risk Assessment Bericht der interdepartementalen Koordinationsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (KGGT) vom 2015 bestätigt.

31 Der Finanzintermediär kann gemäss Art. 11 Abs. 4bis GwV-FINMA auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten verzichten,

  • wenn es sich um ein Finanzierungsleasing handelt; und

  • die jährlich zu bezahlenden Leasingraten inklusive Mehrwertsteuer nicht mehr als CHF 5’000 betragen.

32 Obwohl sich die Verordnung sowie die Materialen darüber ausschweigen, ob sich der Betrag von CHF 5'000 für mehrere Leasingverträge vom jeweils gleichen Leasingnehmer kumulieren lassen, ist dies aufgrund der sinngemässen Anwendung von Art. 11 Abs. 4 GwV-FINMA in der Praxis klar zu verneinen. Auch die systematische Auslegung von Art. 11 GwV-FINMA und seiner Materialien führt zum gleichen Schluss, denn der Verordnungsgeber spricht sich bereits in seinen Erläuterungen zu E-Money gegen die Erhöhung des Schwellenwerts aufgrund der Kumulation einzelner Limiten aus.

33 Die Anwendungsfälle von Art. 11 Abs. 4bis GwV-FINMA sind in der Praxis von untergeordneter Bedeutung, weil die Leasingraten i.d.R. den Betrag von CHF 5'000 ohnehin übersteigen, und, sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, die Aufwände zur Implementierung eines separaten Prozesses für die Leasinggesellschaften grösser wären als die Einsparungen durch die Erleichterungen. Insofern dürfte die Erleichterung nur für diejenigen Leasinggesellschaften relevant sein, welche sich mehrheitlich auf kleine Verträge mit Raten von unter CHF 5'000 konzentrieren.

F. Weitere Ausnahmen (Art. 11 Abs. 5 GwV-FINMA)

34 Diese Bestimmung erlaubt es der FINMA, im Einzelfall bedarfsgerecht und unter Berücksichtigung von im Laufe der Zeit veränderten Verhältnissen weitere Geschäftsbereiche oder Produkte auf Gesuch hin von den Sorgfaltspflichten zu befreien.

Voraussetzung hierfür ist, dass der gesuchstellende Finanzintermediär bzw. die SRO darzutun vermag, dass es sich um eine dauernde Geschäftsbeziehung handelt und das Geldwäschereirisiko im Sinne von Art. 7a GwG tief bis sehr tief ist.

VI. Rechtliche Wirkung der Ausnahmen

35 Ein Finanzintermediär, der im Bereich der Ausnahmen tätig ist, kann auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten (Art. 3–7 GwG) verzichten. Gleichwohl bleibt der Finanzintermediär dem Gesetz unterstellt.

Das zeigt sich z.B. in der Pflicht zur Einhaltung organisatorischer Massnahmen (Art. 8 GwG) sowie der Meldepflicht (Art. 9 GwG). Zu beachten ist, dass auch die Dokumentationspflicht fortbesteht, selbst wenn der die Dokumentationspflicht regelnde Art. 7 GwG eigentlich mit im Kreis der ausgenommenen Pflichten wäre.
Ein darüberhinausgehender vollständiger Verzicht auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten wäre aufgrund der Vorgabe der FATF-Empfehlungen nicht zulässig.
Weiter stellt Art. 11 Abs. 4 GwV-FINMA klar, dass Art. 14 und Art. 20 GwV-FINMA zur Überwachung von Transaktionen und, soweit anwendbar, Art. 10 GwV-FINMA auch bei Anwendung der vereinfachten Sorgfaltsmassnahmen i.S.v. Art. 7a GwG eingehalten werden müssen.

Literaturverzeichnis

Jutzi, Thomas, in: Kunz, Peter V./Jutzi, Thomas/Schären, Simon (Hrsg.), Geldwäschereigesetz, Stämpflis Handkommentar, Bern 2017.

Müller, Thomas/Nagel, Thomas, in: Hsu, Peter Ch./Flühmann, Daniel (Hrsg.), Basler Kommentar zum Geldwäschereigesetz, Basel 2021.

Wyss, Ralph, in: Thelesklaf, Daniel/Wyss, Ralph/Zollinger, Dave/van Thiel, Mark (Hrsg.), GwG Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2019.

Materialienverzeichnis

Anhörungsbericht zur Geldwäschereiverordnung-FINMA vom 3.6.2015, abrufbar unter https://www.finma.ch/de/~/media/finma/dokumente/dokumentencenter/anhoerungen/abgeschlossene-anhoerungen/gwv-finma-revision/ab_gwv_finma_20150603_de.pdf?sc_lang=de&hash=D5FF3F2FA92310BDB3F0CEA40B231191, zuletzt besucht am 20.1.2025 (zit. Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015).

Bericht über die nationale Beurteilung der Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken in der Schweiz, Juni 2015, abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/42572.pdf, zuletzt besucht am 25.1.2025.

Botschaft zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) vom 15.6.2007, BBl 2007 6269, abrufbar unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2007/938/de, zuletzt besucht am 20.1.2025 (zit. Botschaft GAFI 2007).

Erläuterungsbericht zur Geldwäschereiverordnung-FINMA (GwV-FINMA) vom 8.6.2010, abrufbar unter https://www.finma.ch/de/~/media/finma/importiertedokumente/regulierung/anhoerungen/25-zusammenfuerung-gwv/erlaeuterungsbericht-geldwaeschereiverordnung-finma-20100611-de.pdf?sc_lang=de&hash=33AB93C142CA19582D12724D253BF229, zuletzt besucht am 20.1.2025 (zit. Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010).

FATF-Empfehlungen 2012 (updated November 2023), abrufbar unter: https://www.fatf-gafi.org/content/dam/fatfgafi/recommendations/FATF%20Recommendations%202012.pdf.coredownload.inline.pdf, zuletzt besucht am 20.1.2025.

FATF Guidance for a Risk-Based Approach to Prepaid Cards, Mobile Payments and Internet-Based Payment Services, June 2013, abrufbar unter: https://www.fatfgafi.org/en/publications/Fatfrecommendations/Rba-npps-2013.html, besucht am 20.1.2025.

Fussnoten

  • Botschaft GAFI 2007, 6285, S. 6285.
  • FINMA RS 2011/1 Tätigkeit als Finanzintermediär nach GwG vom 20.10.2010, N. 63-68.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 40.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 40.
  • Botschaft GAFI 2007, S. 6276.
  • FATF-Empfehlungen 2012 (updated November 2023), S. 31 ff.
  • Vgl. FATF-Recommendations 2012 (updated November 2023), S. 71 ff.
  • FATF Guidance for a Risk-Based Approach to Prepaid Cards, Mobile Payments and Internet-Based Payment Services, June 2013, S. 18 ff.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 41.
  • SHK-Jutzi, Art. 7a GwG N. 10; OFK-Wyss, Art. 7a GwG N. 3; BSK-Müller/Nagel, Art. 7a GwG N. 9.
  • Botschaft GAFI 2007, S. 6297 f.
  • FATF Guidance for a Risk-Based Approach to Prepaid Cards, Mobile Payments and Internet-Based Payment Services, June 2013, S. 18 ff.
  • Z.B. BGer 2C_488/2018 vom 12.3.2018 E. 2.2.2 betr. ein System zur Bezahlung von Tickets im öffentlichen Verkehr via SMS.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 15.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 42.
  • Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 25.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 42.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 42.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 42.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 43.
  • FATF Guidance for a Risk-Based Approach to Prepaid Cards, Mobile Payments and Internet-Based Payment Services, June 2013, S. 15 (Geographical Reach).
  • BSK-Müller/Nagel, Art. 7a GwG N. 17.
  • BSK-Müller/Nagel, Art. 7a N. 18.
  • Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 26.
  • Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 25.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 38; GwV-FINMA Anhang, Ziff. 3.1.7.
  • BGer 2C_488/2018 vom 12.3.2018 E. 2.2.2.
  • Botschaft GwG 2007, S. 6298.
  • Die Aufzählung ist nicht abschliessend, sondern beispielhaft zu verstehen. Bei Geschäftsmodellen mit VASPs sind wiederum andere Informationen wie Walletadressen etc. relevant.
  • Öffentliche oder private Adressdatenbanken (wie z.B. der Schweizerischen Post).
  • I.d.R. private Datenbanken, welche die jeweils aktuellen PEP-, Sanktions-, Terroristen- und Criminal/Watch-Lists enthalten.
  • Siehe auch BSK-Müller/Nagel, Art. 7a N. 24.
  • In dieser Weise auch Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 25.
  • FINMA RS 2011/1 Tätigkeit als Finanzintermediär nach GwG vom 20.10.2010, N. 32. Leasinggesellschaften werden mehrheitlich von der SRO des Schweizerischen Leasingverbandes («SRO/SLV»), einer sog. Branchen-SRO, beaufsichtigt. Das GwG-Reglement der SRO/SLV enthält branchenspezifische Regelungen bzw. Konkretisierungen, abrufbar unter: https://www.leasingverband.ch/de/sro/reglemente_formulare/reglemente, besucht am 16.2.2025. Eine Mitgliedschaft bei einer anderen SRO ist dennoch möglich.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 44. In der Praxis zeigt sich, dass potenzielle Verdachtsfälle im Leasing in der Regel mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung in Verbindung stehen und dabei erhebliche Ablösesummen bezahlt werden. Folglich sind solche vorzeitigen Vertragsauflösungen von den Leasinggesellschaften zu überwachen und plausibilisieren.
  • Bericht über die nationale Beurteilung der Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken in der Schweiz, Juni 2015, S. 95.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 43; hierzu auch BSK-Müller/Nagel, Art. 7a GwG N. 31.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 41.
  • Botschaft GAFI 2007, S. 6285; FINMA RS 2011/1 Tätigkeit als Finanzintermediär nach GwG vom 20.10.2010, Rz. 63–68.
  • BSK-Müller/Nagel, Art. 7a GwG N. 37.
  • Erläuterungsbericht GwV-FINMA 2010, S. 41.
  • Anhörungsbericht GwV-FINMA 2015, S. 25.

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