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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
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ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Allgemeine Bemerkungen
- II. Anspruchskonkurrenz im Aussenverhältnis
- III. Rückgriff im Innenverhältnis
- IV. Der Rückgriff des Versicherers
- Literaturverzeichnis
I. Allgemeine Bemerkungen
1 Art. 51 OR regelt den Rückgriff zwischen Schädigern, die denselben Schaden aus verschiedenen Rechtsgründen (d.h. deliktsrechtlich, vertragsrechtlich oder gesetzlich) verursacht haben, und verweist dazu auf die Rückgriffsregelung in Art. 50 OR. Allerdings sieht Art. 51 Abs. 2 OR ein eigenständiges Haftungsregime geschaffen. Art. 51 OR betrifft in erster Linie das Innenverhältnis zwischen Schädigern und erwähnt nicht ausdrücklich das Aussenverhältnis.
2 Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist nicht auf Schäden beschränkt, die von mehreren aus verschiedenen Rechtsgründen haftenden Schädigern verursacht werden. Auch Schäden, die von mehreren Schädigern aus demselben Rechtsgrund verursacht werden, werden nach Art. 51 OR. Die Bestimmung gilt ferner für Ansprüche auf Schmerzensgeld und über Art. 99 Abs. 3 OR auch für vertragliche Schadenersatzansprüche. Ausserhalb des Obligationenrechts verweisen die Spezialgesetze teilweise auf Art. 51 OR. Schliesslich geht Art. 51 OR dem kantonalen Recht vor, das eine andere Rückgriffsordnung vorsehen würde.
II. Anspruchskonkurrenz im Aussenverhältnis
3 Aufgrund der in Art. 51 OR vorgesehenen Rückgriffsregelung unter den Schädigern muss im Aussenverhältnis eine Solidarhaftung bestehen. 51 OR muss im Aussenverhältnis eine Solidarhaftung bestehen. Dabei haftet jeder der Schädiger für den gesamten Schaden, zu dem er beigetragen hat. Der Geschädigte kann sich aussuchen, gegen welchen Schädiger er vorgehen will.
4 Da der Geschädigte gegen jeden der Schädiger individuelle Ansprüche hat, bestehen mehrere Ansprüche nebeneinander. Da der Geschädigte nur einmal befriedigt werden kann, konkurrieren die Ansprüche miteinander. Es besteht also eine sogenannte Anspruchskonkurrenz im Außenverhältnis. Da Art. 51 OR nicht ausdrücklich eine Solidarhaftung vorsieht, wird das Verhältnis auch als unvollkommene Solidarhaftung bezeichnet. Die Rechtsfolgen der Anspruchskonkurrenz sind im Allgemeinen die gleichen wie bei der (vollkommenen) Solidarhaftung.
5 Da die Schädigerinnen und Schädiger im Rahmen von Art. 51 OR getrennt handeln, stellt sich die Frage, ob ein Schädiger gegenüber dem Geschädigten geltend machen kann, dass ihn im Vergleich zu den anderen Schädigern nur ein geringes Verschulden trifft. Dies könnte zu einer Haftungsreduktion führen (Art. 43 Abs. 1 OR). Das Bundesgericht lässt die Geltendmachung solcher individueller Minderungsgründe im Aussenverhältnis theoretisch zu. Die Anwendung ist jedoch auf jene Fälle beschränkt, in denen das Verschulden des vom Geschädigten in Anspruch genommenen Schädigers so viel geringer und so unverhältnismässig ist als das Verschulden eines anderen Schädigers, dass es offensichtlich ungerecht und unzumutbar wäre, den Ersteren für den gesamten Schaden im Aussenverhältnis haftbar zu machen. Die Mehrheit der Rechtswissenschaftler wünscht sich einen großzügigeren Spielraum für die Geltendmachung einzelner Minderungsgründe im Außenverhältnis.
6 Einwendungen, die von den Schädigern gemeinsam geltend gemacht werden können, sowie solche, die einem Schädiger persönlich zustehen, sollen im Außenverhältnis uneingeschränkt zugelassen werden.
7 Zu beachten ist, dass nach dem Bundesgericht im Falle der unvollkommenen Solidarhaftung nach Art. 51 OR verjährungsunterbrechende Handlungen des Gläubigers nur den oder die betroffenen Schädiger betreffen, nicht aber die anderen Schädiger (vgl. Art. 136 Abs. 1 OR).
III. Rückgriff im Innenverhältnis
A. Rückgriff im Allgemeinen
8 Wurde ein Schädiger vom Geschädigten in Anspruch genommen und übersteigt die Forderung den Betrag, den der Schädiger im Innenverhältnis zu tragen gehabt hätte, so entsteht ex iure proprio ein Rückgriffsrecht gegen die anderen Schädiger. Sobald der Schuldner, gegen den die Forderung realisiert worden ist, den Geschädigten befriedigt hat, entsteht der Rückgriffsanspruch und wird einschließlich der Zinsen auf die Forderung fällig.
9 Ein zusätzlicher Anspruch aus Forderungsübergang gemäss Art. 149 OR, besteht bei unvollkommener Solidarhaftung nicht.
B. Umfang des Rückgriffs
10 Für den Umfang des Rückgriffs ist zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden. Art. 51 OR regelt den Fall, in dem mehrere Personen aus verschiedenen Rechtsgründen haften (sog. mehrtypische Solidarhaftung). Daneben gibt es die Variante, in der mehrere Personen aus demselben Rechtsgrund haften, ihnen aber kein gemeinsames Verschulden vorgeworfen werden kann. Diese so genannte einfachtypische Solidarhaftung ist ebenfalls, zumindest analog, in Art. 51 OR. Die Regressordnung bei der mehrtypischen Solidarhaftung wird durch die Kaskade von Art. 51 Abs. 2 OR. Der Umfang des Rückgriffs bei der eintypischen Solidarhaftung wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
11 Im Innenverhältnis besteht keine gesamtschuldnerische Haftung mehr. Der regressberechtigte Schädiger kann die anderen Schädiger nur im Umfang ihres internen Anteils in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet der Rückgriff des Sozialversicherers nach Art. 72 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1; nachfolgend: VVG). Die Zahlungsunfähigkeit des Schädigers richtet sich nach Art. 148 Abs. 3 OR.
C. Rückgriff bei multitypischer Solidarhaftung
1. Haftungsgruppen
12 Art. 51 Abs. 2 OR unterscheidet drei Arten von Haftungsgruppen: die deliktsrechtliche, die vertragsrechtliche und die gesetzliche Haftung.
13 Zu den deliktisch haftenden Schädigern im Sinne von Art. 51 Abs. 2 OR sind in erster Linie diejenigen, die nach Art. 41 OR und muss persönlich schuldhaft handeln. Ist eine gesetzlich haftende Person mitschuldig, so ist sie ebenfalls dieser Kategorie zuzuordnen. Dazu gehört auch, wer für denselben Schaden gleichzeitig nach Vertrags- und Deliktsrecht haftet. Schliesslich kann auch eine juristische Person aufgrund eines schuldhaften Verhaltens ihrer Organe deliktisch haften (Art. 55 Abs. 2 ZGB).
14 Die zweite Gruppe umfasst die vertragsrechtliche Haftung. Die vertragsrechtliche Haftung umfasst primäre Leistungspflichten, wie vertragliche Verpflichtungen zur Schadensübernahme oder Schadensbeseitigung (z.B. Garantievertrag oder Ausfallbürgschaft). Darüber hinaus umfasst sie auch sekundäre Leistungspflichten, wie z. B. eine Vertragsverletzung gemäß Art. 97 ff. OR oder die Haftung für Gesellschafter nach Art. 101 OR. Der Rückgriff des Versicherers richtet sich indessen ausschliesslich nach Spezialrecht. Er ist daher von der Regressordnung des Art. 51 Abs. 2 OR ausgeschlossen.
15 Die letzte Gruppe bilden die Schädiger aufgrund gesetzlicher Vorschriften. Die gesetzliche Haftung besteht aus zwei Arten von Gefährdungshaftungen: der einfachen objektiven Haftung und der verschärften objektiven Haftung. Erstere umfasst die gesetzlichen Haftungsnormen, die an eine Verletzung der Sorgfaltspflicht oder einen mangelhaften Zustand anknüpfen. Dazu gehören unter anderem die Haftung von nicht einwilligungsfähigen Personen (Art. 54 OR), Arbeitgebern (Art. 55 OR), Grundstückseigentümern (Art. 58 OR), Familienoberhäuptern (Art. 333 CC) und Grundbesitzern (Art. 679 CC). Im Gegensatz dazu knüpft die verschärfte objektive Haftung an den bloßen Betrieb einer gefährlichen Sache an. Die Grundlage dafür findet sich zum Beispiel in Art. 58 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr (SR 741.01; nachfolgend: StVG) für Motorfahrzeughalter, in Art. 64 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (SR 748.0) für die Halter von Luftfahrzeugen, in Art. 33 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1963 über Rohrleitungsanlagen für den Transport von flüssigen oder gasförmigen Brenn- und Treibstoffen (SR 746.1; nachfolgend: Rohrleitungsgesetz) für die Inhaberinnen und Inhaber einer Rohrleitungsanlage oder in Art. 27 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (SR 734.0) für die Inhaber einer solchen Anlage.
16 Besonders zu erwähnen ist der Rückgriff des Arbeitgebers. Nehmen wir an, ein Arbeitnehmer wird aufgrund eines Autounfalls arbeitsunfähig. In diesem Fall hat der Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a OR. Da er aber seine gesetzliche oder vertragliche Pflicht unabhängig vom schädigenden Ereignis erfüllt hat, gehört der Arbeitgeber nicht zu einer der in Art. 51 Abs. 2 OR. Dennoch hat das Bundesgericht in einem solchen Fall entschieden, dass Art. 51 Abs. 2 OR analog anwendbar ist und dem Arbeitgeber ein Rückgriffsrecht gegen den gesetzlich Haftenden zusteht. Die Lohnfortzahlungspflicht wirkt nicht zu Gunsten der streng haftenden Partei. Der Umfang des Rückgriffs beläuft sich auf den hypothetischen Schaden, den der Arbeitnehmer ohne die Zahlungen des Arbeitgebers erlitten hätte.
2. Haftungskaskade
17 Die drei oben genannten Arten von Schädigern sind nicht gleichermaßen für die Befriedigung eines Anspruchs verantwortlich. Vielmehr sieht Art. 51 Abs. 2 OR eine Haftungskaskade vor, wonach in erster Linie derjenige, der aus unerlaubter Handlung haftet, dem Kläger Schadenersatz zu leisten hat. In zweiter Instanz haftet derjenige, der aufgrund eines Vertrages haftet. Schließlich muss derjenige, der aus gesetzlichen Gründen haftet, für den Schadenersatz sorgen. Dies hat zur Folge, dass ein gesetzlich Haftender, gegen den der Geschädigte seinen Anspruch realisiert hat, gegen einen deliktisch Haftenden vorgehen muss, um Schadenersatz zu erhalten. Gibt es neben der deliktisch haftenden Partei eine vertraglich haftende Partei, so ist deren interner Anteil gleich Null und kann von der gesetzlich haftenden Partei nicht in Anspruch genommen werden. Die vertraglich haftende Partei trägt nur dann einen internen Anteil, wenn es keine deliktisch haftende Partei gibt.
18 Gehören mehrere Haftpflichtige, gegen die Regress genommen wird, zur gleichen Haftungsgruppe, so steht die Aufteilung der internen Quote im Ermessen des Gerichts, insbesondere das persönliche Verschulden jeder Partei (Art. 50 Abs. 2 OR analog). Die Zahlungsunfähigkeit eines Schädigers ist von den anderen Schädigern der gleichen Gruppe zu tragen, nicht vom Schädiger einer privilegierteren Gruppe.
19 Das Gesetz beschreibt die Kaskade als Regel, obwohl Ausnahmen von ihr denkbar sind. Dennoch sehen sich die Gerichte sehr stark an die Rückgriffsregel des Art. 51 Abs. 2 OR und weichen davon kaum ab. In BGE 144 III 319 hat das Bundesgericht eine bemerkenswerte Ausnahme von der Regel gewährt. Ein Arbeitnehmer erlitt in einem Schacht infolge eines austretenden Gases Verbrennungen, weil er während der Arbeit rauchte. Strittig war die vertragliche Haftung des Arbeitgebers, weil er das Rauchen nicht verboten hatte, sowie die verschuldensunabhängige Haftung des Eigentümers des Rohrleitungssystems, aus dem das Gas austrat (Art. 33 Rohrleitungsgesetz). Laut Bundesgericht manifestierte sich die typische Betriebsgefahr, die von Rohrleitungen ausgeht, unabhängig von der Vertragsverletzung in dem Luft-Gas-Gemisch. Das vertragswidrige Verhalten habe lediglich die Auslösung der Gefahr beeinflusst. Daher war eine Abweichung von der Haftungskaskade erforderlich und der Schaden wurde zu gleichen Teilen zwischen dem Arbeitgeber und dem Pipelinebetreiber aufgeteilt.
20 Die Kaskade gilt nur im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis hat der Geschädigte die freie Wahl, ob er sich an den Gefährdungshaftpflichtigen oder direkt an den deliktisch haftenden Schädiger wendet.
D. Rückgriff bei einseitiger typischer gesamtschuldnerischer Haftung
21 Der Rückgriff bei typischer gesamtschuldnerischer Haftung wird nach dem freien Ermessen des Gerichts bemessen. In Ermangelung anderer Rechtsgründe ist die Anwendung der Kaskade des Abs. 2 zu unterlassen. Die Verteilung der Schadensersatzpflicht richtet sich nach den folgenden Faktoren:
22 Bei mehreren Schädigern, die für getrennte Verschulden haften, ist die Verteilung nach der Schwere der einzelnen Verschulden vorzunehmen. Weitere Faktoren können Verwandtschaft, Interesse an der schädigenden Handlung oder zusätzliche Haftungsgründe sein. Bei gleichem Verschulden findet eine Gleichverteilung statt. Wird, wie bereits erwähnt, das Verschulden des Organs der juristischen Person zugerechnet, haftet diese im Außenverhältnis deliktisch. Im Innenverhältnis wird das Verschulden des Organs jedoch von Gesetzes wegen der juristischen Person zugerechnet (Art. 55 Abs. 2 CC). Dies gewährt der juristischen Person ein volles Rückgriffsrecht gegen das schuldhafte Organmitglied.
23 Haftet mehr als eine Partei vertragsrechtlich, liegt die Verteilung ebenfalls im Ermessen des Gerichts. Dabei spielen das Ausmaß des (vertraglichen) Verschuldens und die Besonderheit des Rechtsgeschäfts eine Rolle. Zum Regress des Versicherers siehe unten.
24 Sind mehrere gesetzlich haftende Parteien vorhanden, steht die Verteilung ebenfalls im Ermessen des Gerichts, sofern nicht eine besondere gesetzliche Regelung etwas anderes vorsieht (vgl. Art. 60 Abs. 2 RTV). Viele Rechtsgelehrte postulieren, dass die Ersatzpflichtigen aus verschärfter objektiver Haftung wegen des von ihnen ausgehenden Betriebsrisikos einen Teil des Schadens im Voraus zu tragen haben, sofern sie mit den Ersatzpflichtigen aus einfacher objektiver Haftung konkurrieren.
E. Quotenvorrang des Geschädigten
25 Es kann vorkommen, dass der Geschädigte nicht den gesamten Schaden von dem haftenden Schädiger verlangen kann. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass der Schädiger einen Minderungsgrund geltend machen kann oder vertraglich nur bis zu einem bestimmten Betrag haftet. In diesem Fall stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Restanspruch des Geschädigten und dem möglichen Regressanspruch des haftbaren Schuldners, wenn beide gegen einen anderen Schädiger vorgehen wollen. Problematisch wird es, wenn auch die Haftungsquote des Rückgriffsschuldners reduziert werden soll und dieser nicht für den gesamten Schaden einstehen muss. In diesem Fall hat der Geschädigte einen Quotenvorrang, so dass er seine Restforderung vor der Regressforderung des anderen Schädigers befriedigen kann.
26 Bislang hat die Rechtsprechung den Quotenvorrang nur angewandt, wenn der Rückgriffsanspruch auf einem Forderungsübergang beruht. Die Rechtswissenschaft wendet sie jedoch auch auf Rückgriffsansprüche nach Art. 51 OR anwenden. In einigen Spezialgesetzen hat der Quotenvorrang bereits Eingang in die Kodifikation gefunden (z.B. Art. 88 RTA oder Art. 73 Abs. 1 GPSL).
F. Verjährung des Rückgriffsanspruchs
27 Der Rückgriffsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte befriedigt worden ist und der rückgriffsberechtigte Schädiger von seinem Rückgriffsanspruch erfährt (Art. 139 OR). Zudem ist eine absolute zehnjährige Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Leistung an den Geschädigten anzunehmen.
28 Zudem leitete das Bundesgericht aus Art. 2 Abs. 2 ZGB ab, dass der Rückgriffsgläubiger dem Rückgriffsschuldner (sobald dies zumutbar ist) mitteilen muss, dass er ihn in Anspruch nehmen will. Andernfalls, so das Bundesgericht, ist der Rückgriffsanspruch verwirkt. Unter Umständen ist die Verjährung des Rückgriffsanspruchs noch nicht eingetreten, während die Haftung des Rückgriffsschuldners im Aussenverhältnis bereits verjährt ist. Ohne eine solche Mitteilung läuft der Rückgriffsschuldner Gefahr, über entlastende Beweismittel zu verfügen.
IV. Der Rückgriff des Versicherers
29 Nach Art. 95c Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908 (SR 221.229.1; nachfolgend: VVG) tritt der Haftpflichtversicherer in die Rechte des Versicherten für den von ihm gedeckten Schaden ein. Es handelt sich um einen Forderungsübergang gemäss Art. 149 OR. Der Versicherer kann somit bei allen Schädigern Rückgriff nehmen, unabhängig davon, ob diese aufgrund des Deliktsrechts, des Vertragsrechts oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen haften. Bis zum Inkrafttreten von Art. 95c IPA am 1. Januar 2022 war die Bestimmung über den Rückgriff des Versicherers in Art. 72 IPA. Die alte Bestimmung sah in Abs. 1 vor. 1 vor, dass der Ersatzanspruch gegen Dritte aus unerlaubter Handlung auf den Versicherer übergeht. Das Bundesgericht ging deshalb lange Zeit davon aus, dass der Versicherer nur bei deliktisch haftenden Dritten Regress nehmen kann. Ein Rückgriff gegen vertraglich oder gesetzlich haftende Personen in Anwendung der Haftungskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR. In BGE 144 III 209 änderte es seine Rechtsprechung und gewährte dem Versicherer das Rückgriffsrecht gegen alle, die nicht vertraglich im Sinne von Art. 41 ff. OR sind, also auch gesetzlich haftende Personen. Art. 51 Abs. 2 OR findet keine Anwendung mehr.
30 Die Rechte des Versicherten gehen auch auf den Haftpflichtversicherer gemäss Art. 95c Abs. 2 IPA. Der Versicherer ist jedoch weiterhin an die Haftungskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR gebunden. Andernfalls würde sich die Position der anderen Haftpflichtigen verschlechtern.
31 Art. 96 IPA gilt für den Summenversicherer. Nach dieser Bestimmung geht der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger nicht auf den Versicherer über. Vielmehr bestehen zwei getrennte, sich nicht gegenseitig ausschließende Ansprüche gegen den Schädiger und gegen den Versicherer.
32 Der Sozialversicherungsträger hat ein umfassendes Rückgriffsrecht gemäß Art. 72 GPSL. Die Kaskade von Art. 51 Abs. 2 OR ist nicht anwendbar. Die Ansprüche der versicherten Person sind bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen abgetreten (Art. 72 Abs. 1 AVB). Grundsätzlich kann sich der Sozialversicherer bei jedem Schädiger vollumfänglich schadlos halten und die Schädiger haften dem Versicherer solidarisch (Art. 72 Abs. 2 GPSL). Allerdings sieht Art. 75 GPSL sieht jedoch Beschränkungen des Anspruchs der Einrichtung zugunsten von Ehegatten, Verwandten, Arbeitgebern und anderen vor. In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde das Rückgriffsrecht der Einrichtung weiter eingeschränkt. Die streng haftende Partei, die nicht durch Art. 75 GPSL nicht privilegiert ist, haftet dem Sozialversicherer nur insoweit, als er im Innenverhältnis zum haftenden Arbeitgeber des Geschädigten den Schaden zu tragen hätte, als ob das Arbeitgeberprivileg nicht bestünde. In der Folge kann der Sozialversicherer aufgrund der Haftungskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR, die den Schädiger begünstigt, keinen Anspruch mehr gegen den haftpflichtigen Schädiger haben. 51 Abs. 2 OR, die den Schädiger durch gesetzliche Regelung gegenüber dem vertraglich haftenden Arbeitgeber begünstigt.
Literaturverzeichnis
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