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BUNDESVERFASSUNG
OBLIGATIONENRECHT
BUNDESGESETZ ÜBER DAS INTERNATIONALE PRIVATRECHT
LUGANO-ÜBEREINKOMMEN
STRAFPROZESSORDNUNG
ZIVILPROZESSORDNUNG
BUNDESGESETZ ÜBER DIE POLITISCHEN RECHTE
ZIVILGESETZBUCH
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DATENSCHUTZGESETZ
BUNDESGESETZ ÜBER SCHULDBETREIBUNG UND KONKURS
SCHWEIZERISCHES STRAFGESETZBUCH
CYBERCRIME CONVENTION
HANDELSREGISTERVERORDNUNG
- I. Entstehung der Norm
- II. Inhalt: Allgemeines
- III. Prüfung von Absatz zu Absatz
- Literaturverzeichnis
I. Entstehung der Norm
1 Art. 74 IRSG, dessen Randbemerkung sich ursprünglich auf die "Herausgabe von Gegenständen" im Ausland bezog, trat mit dem Rechtshilfegesetz am 31. Dezember 1982 in Kraft.
2 Die Annahme dieser Norm stellte damals eine bedeutende Weiterentwicklung des Schweizer Rechts dar, denn im Gegensatz zur Auslieferung, für die es seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Gesetz gab, existierte damals in der Schweiz keine innerstaatliche Rechtsnorm, die die Übergabe von in der Schweiz beschlagnahmten Gegenständen an einen ausländischen Staat außerhalb eines Auslieferungsverfahrens vorsah. Vor der Annahme des IRSG war eine solche Herausgabe Staaten vorbehalten, mit denen die Schweiz durch ein internationales Abkommen verbunden war, das die beweiskräftige Herausgabe vorsah. Der Inhalt dieser Abkommen war oft kurz gefasst, was die Bedingungen rund um die Übergabe betraf. Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, das am 20. März 1967 in der Schweiz in Kraft trat, stellte einen ersten Schritt dar, der es ermöglichte, die durch internationale Gepflogenheiten in diesem Bereich verankerten Regeln in gewissem Umfang zu kodifizieren.
3 Anfänglich galt Art. 74 IRSG für die Übergabe von "Gegenständen" an den ausländischen Staat, die "für die in einer Strafsache zu treffende Entscheidung von Interesse" sind. Diese Norm bezog sich in Absatz 2 ausdrücklich auch auf die Rückgabe von "anderen" Gegenständen oder Werten an "Berechtigte". Obwohl der Gesetzestext in diesem Punkt nicht eindeutig war, hielt das Bundesgericht fest, dass diese Norm nicht nur die Herausgabe von Beweismitteln (beweisrechtliche Herausgabe), sondern unter bestimmten Umständen auch die Herausgabe des Erlöses aus der Straftat an den ausländischen Staat zum Zwecke der Einziehung oder Rückgabe (einziehende Herausgabe) zulässt.
4 Der Wortlaut von Art. 74 IRSG wurde im Rahmen der Reform des IRSG vom 4. Oktober 1996, die am 1. Februar 1997 in Kraft trat, geändert.
5 Im Zusammenhang mit dieser Revision wurden der beweisrechtliche und der konfiskatorische Erlass vom Gesetzgeber klar unterschieden. Der Gegenstand des geltenden Art. 74 IRSG wurde somit auf die Herausgabe von "Beweismitteln" beschränkt und sein Inhalt präzisiert. Parallel dazu wurde der Inhalt von Art. 34a IRSG, der sich auf die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten im Rahmen einer Auslieferung bezieht, nach einer Reihe von Änderungen in Art. 59 IRSG überführt. Schließlich wurde ein neuer Artikel 74a IRSG angenommen, der speziell die konfiskatorische Übergabe regeln soll.
II. Inhalt: Allgemeines
6 Art. 74 IRSG regelt nunmehr nur noch die Frage der Herausgabe von in der Schweiz beschlagnahmten Beweismitteln an den ausländischen Staat und ist parallel zu lesen:
zu Art. 59 IRSG, der sich speziell mit der Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten befasst, die im Besitz der auszuliefernden Person gefunden wurden (unabhängig davon, ob es sich um Beweismittel oder Erträge aus Straftaten handelt),
in Art. 74a IRSG, der sich mit der Übergabe von Gegenständen oder Vermögenswerten zum Zweck der Einziehung oder Rückgabe befasst.
Art. 90 IRSG, der die Herausgabe der "Beweisstücke" zusammen mit den Akten des Strafverfahrens vorsieht, wenn die Strafverfolgung an das Ausland delegiert wird.
Die Beschlagnahme bzw. Herausgabe von Werten als Ersatzforderung ist nur unter den restriktiven Bedingungen von Art. 94 ff. IRSG möglich (Exequatur einer endgültigen und vollstreckbaren Entscheidung eines ausländischen Staates).
7 Die beweiskräftige Übergabe ist im Übrigen in mehreren internationalen Instrumenten vorgesehen, wie z.B. in Art. 6 EUeR (SR 0.351.12), Art. 35 RVUS (SR 0.351.933.6), Art. 10 RVUSArgentinien (SR 0.351.915.4) oder Art. 9 Abs. 1 RVUSMexiko (SR 0.351.956.3). Die Tragweite dieser Bestimmungen, die durch Art. 1 Abs. 1 IRSG vorbehalten sind, geht jedoch nicht über die Tragweite von Art. 74 IRSG hinaus.
8 Der Begriff der "Beweismittel" in Art. 74 IRSG bleibt weit gefasst. Nach dem Wortlaut des Gesetzes selbst kann es sich um jeden Gegenstand handeln, d.h. insbesondere um jedes Dokument oder jeden Wert, der "zu Beweiszwecken beschlagnahmt" wird. Es kann sich um Wertpapiere, Bankdokumente, Kunstgegenstände usw. handeln. Es kann sich auch um Medien handeln, die Audio- oder Videoaufzeichnungen oder Computerdaten enthalten. Je nach Art und Inhalt kann die Übergabe von Gegenständen im Ausland daher nicht nur eine Verletzung des Eigentumsrechts (zumindest in der vorübergehenden Form einer Besitzstörung), sondern auch eine Verletzung des Privatlebens oder des Geschäftsgeheimnisses darstellen (Übergabe von Computerdaten, Audio- und Videoaufzeichnungen oder Dokumenten, die zum Geheimbereich gehören). Art. 74 IRSG bezieht sich auch auf alle Akten oder Entscheidungen einer schweizerischen Verwaltung oder eines schweizerischen Gerichts. Ausgeschlossen ist jedoch die Herausgabe von gerichtlichen Entscheidungen, die im Rechtshilfeverfahren selbst ergangen sind, sowie von Schriften und Schriftstücken, die von den Parteien in diesem Zusammenhang vorgelegt wurden.
9 Die zu übergebenden Gegenstände, Werte oder Dokumente müssen in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Taten stehen, die in dem im ersuchenden Staat laufenden Strafverfahren verfolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind jedoch keine strengen Anforderungen an die Eignung des fraglichen Gegenstands als Beweismittel zu stellen, da die endgültige Beurteilung dem ausländischen Richter am Hauptverfahren obliegt. Insbesondere sind die Anforderungen an die beweiskräftige Herausgabe weniger streng als bei der Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten zur Einziehung oder Rückgabe im Sinne von Art. 74a IRSG. Es reicht also aus, dass der fragliche Gegenstand prima facie geeignet erscheint, als Beweismittel zu dienen. Eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen der im Ausland verfolgten Tat und dem fraglichen Gegenstand ist ausreichend.
10 Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der sich aus Art. 5 Abs. 2 BV und Art. 63 Abs. 1 IRSG ergibt, ist dennoch anwendbar. Je nach den Bedürfnissen des ausländischen Strafverfahrens kann dem ersuchenden Staat eine einfache Kopie der beschlagnahmten Dokumente oder Datenträger ausgehändigt werden. Die Herausgabe ist unnötig, wenn die zu beweisende Tatsache allgemein bekannt oder bereits durch ausreichende Beweise belegt ist. Die Vollstreckungsbehörde beschränkt ihre Prüfung jedoch auf den "potenziellen Nutzen" der übergebenen Unterlagen . Nach der Rechtsprechung darf der ersuchte Staat somit nicht seine eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung des ausländischen Richters setzen, da er in der Regel nicht über die Elemente verfügt, die es ihm ermöglichen würden, sich über die Zweckmäßigkeit der Erhebung der fraglichen Beweise zu äußern.
11 Vor der Übergabe muss ein Beschlagnahmebeschluss ergehen - oder sogar eine dringende vorläufige Beschlagnahme im Sinne von Art. 18 IRSG -, der die Beschlagnahme der für die Wahrheitsfindung als nützlich erachteten Gegenstände ermöglicht. Im Bereich der Rechtshilfe beinhaltet ein Übergabegesuch implizit das Ersuchen um ihre vorherige Beschlagnahme. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Das Ersuchen um Beschlagnahme ist nicht gleichbedeutend mit einem Herausgabeersuchen, und gegebenenfalls ist ein neues Rechtshilfeersuchen erforderlich, wenn das erste nur auf die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen abzielte. Für die Durchsuchung und eventuelle Versiegelung von Dokumenten oder Gegenständen, deren Inhalt dem Geheimbereich unterliegt, gelten die Grundsätze der StPO.
12 In der Praxis hält das Bundesamt für Justiz fest, dass die Herausgabe zu Beweiszwecken kaum Probleme bereitet, solange die übertragenen Güter mengen- oder wertmässig unbedeutend bleiben. Art. 33 IRSV sieht besondere Modalitäten für Gegenstände von hohem Wert vor, d. h. insbesondere die Ergreifung besonderer Schutzmaßnahmen und die Verpflichtung, sie gegen Beschädigung oder Verlust während des Transports zu versichern.
III. Prüfung von Absatz zu Absatz
A. Abs. 1 - Zurückhalten von Beweismitteln bis zum Abschluss des Verfahrens.
13 Der Text von Art. 74 Abs. 1 IRSG sieht eine Herausgabe "auf Ersuchen der zuständigen ausländischen Behörde" vor, die erst "nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens" erfolgt. Die Herausgabe von Beweismitteln erfolgt in Form einer Schlussverfügung im Sinne von Art. 80d IRSG, auf die Art. 74 Abs. 1 IRSG ausdrücklich verweist. Solange die Schlussverfügung nicht endgültig und vollstreckbar ist, werden die dem Geheimbereich zugehörigen Dokumente sowie die Gegenstände oder Werte in der Schweiz zurückgehalten. Im Gegensatz zu dem, was bei der internationalen Amtshilfe in Verwaltungssachen möglich ist, verankert diese Bestimmung somit den Grundsatz der "Zurückbehaltung" von Beweismitteln in der Schweiz bis zur Rechtskraft der Schlussverfügung. Durch diese Vorgehensweise wird sichergestellt, dass die Berechtigten vorab über die geplante Beschlagnahme und Herausgabe informiert wurden und gegebenenfalls ihr Recht auf Anhörung vor der Vollstreckung vor den zuständigen Gerichten geltend machen konnten. Dieser Grundsatz gilt als grundlegend für die internationale Rechtshilfe in Strafsachen.
14 Der Grundsatz der Zurückbehaltung von Beweismitteln ist jedoch im IRSG nicht unantastbar. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber bereits zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz geschaffen, und zwar in den Artikeln 18b und 80dbis IRSG. Diese Bestimmungen erlauben somit unter bestimmten restriktiven Bedingungen eine "vorzeitige" und manchmal sogar "spontane" Übermittlung bestimmter Beweismittel ins Ausland, bevor die betroffene Person in der Lage war, ihr Recht auf Anhörung geltend zu machen. Das Gesetz verbindet diese Ausnahmen mit Sicherheitsvorkehrungen und insbesondere mit einem vorübergehenden Verbot (bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Abschlussentscheidung) für den ersuchenden Staat, die so erhaltenen Elemente als "Beweismittel" zu verwenden. Somit ist in der Zwischenzeit nur eine Verwendung zu "Ermittlungszwecken" möglich, bis in der Schweiz nach der Schlussverfügung über das Recht entschieden wird.
15 Art. 67a Abs. 5 IRSG ermöglicht seinerseits die spontane Übermittlung an den ausländischen Staat nicht von Beweismitteln im engeren Sinne, sondern von "Informationen", die dem Geheimbereich angehören, mit dem Ziel, die Stellung eines Rechtshilfeersuchens eines ausländischen Staates an die Schweiz zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung wird die Unterscheidung zwischen "Informationen" und "Beweismitteln" von Fall zu Fall beurteilt; die Schweizer Behörde, die eine "einfache Information" übermitteln möchte, muss sich insbesondere bemühen, "keine Daten oder amtlichen Dokumente zu übermitteln, die aufgrund ihrer Art, eines sehr detaillierten Informationsgehalts oder ihres amtlichen Charakters unmittelbar zu Beweiszwecken im Rahmen des ausländischen Verfahrens dienen könnten".
16 Auch andere Verfahrenshandlungen können zu einer vorzeitigen Übermittlung von Informationen an den ersuchenden Staat führen, wie z.B. die Erlaubnis für ausländische Ermittler, bei der Erledigung des Ersuchens anwesend zu sein (Art. 65a IRSG), die Einvernahme per Videokonferenz oder Telefonkonferenz, Ermittlungsmittel, die die Beteiligung ausländischer Ermittler in der Schweiz beinhalten (grenzüberschreitende Observation, kontrollierte Lieferung, verdeckte Ermittlung und gemeinsame Ermittlungsgruppen) oder die Akteneinsicht, die einer Partei gewährt wird. Diese verschiedenen Handlungen sind nach Schweizer Recht unter bestimmten, von der Rechtsprechung entwickelten Vorsichtsmaßnahmen zulässig.
17 Schliesslich sanktioniert die Rechtsprechung die Missachtung des Zurückbehaltungsgrundsatzes nicht absolut und hält insbesondere fest, dass eine verbotene Übermittlung von Informationen oder Beweismitteln vor der Rechtskraft der Schlussverfügung "repariert" werden kann, wenn sich, nachdem die betroffenen Parteien ihre Einwände geltend machen konnten, herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Rechtshilfe erfüllt waren und die strittigen Dokumente auf jeden Fall in die Hände der ausländischen Behörde gelangen mussten. Verweigern die zuständigen Gerichte hingegen letztlich die Rechtshilfe, muss die ausländische Behörde von den schweizerischen Behörden aufgefordert werden, die Unterlagen, die Gegenstand der schweizerischen Übermittlung sind, unverzüglich aus ihrer Akte zu entfernen und zu vernichten.
B. Absatz 2 - Rechte Dritter
18 Absatz 2 von Art. 74 IRSG behandelt die Rechte Dritter an den Gegenständen, d.h. des gutgläubigen Erwerbers, einer Behörde oder des Geschädigten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, und kodifiziert die Rechtsprechung, die unter der alten Fassung von Art. 74 IRSG entwickelt wurde. Weder die Person, gegen die sich das ausländische Verfahren richtet, noch Personen, die durch Kenntnis der im Ausland untersuchten Tatsachen Rechte an den Gegenständen erworben haben, sind daher durch diese Norm geschützt, da sie das Erfordernis des guten Glaubens nicht erfüllen. Was den gutgläubigen Erwerber betrifft, so verlangt Art. 74 Abs. 2 IRSG im Gegensatz zu Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG nicht, dass seine Rechte in der Schweiz erworben wurden oder dass er in der Schweiz wohnt. Nach Ansicht einiger Autoren handelt es sich hierbei um eine unbeabsichtigte Lücke, die geschlossen werden sollte, indem eine ähnliche Beziehung des Dritten zur Schweiz wie in Art. 74a Abs. 4 Buchst. c IRSG gefordert wird. Diese Frage wurde von der Rechtsprechung nicht entschieden.
19 Das Recht des ersuchenden Staates auf eine beweiskräftige Herausgabe hat grundsätzlich Vorrang vor den Rechten Dritter an den Gegenständen. Der Gesetzgeber ging nämlich davon aus, dass ihr Eigentumsrecht grundsätzlich nicht wirklich gefährdet ist, da die Beweismittel einem ausländischen Verfahren lediglich zur Verfügung gestellt werden und anschließend, nach Abschluss des ausländischen Verfahrens, zurückgegeben werden müssen. Es handelt sich also nur um einen vorübergehenden Verlust des Besitzes. Vorbehalten bleibt die Frage einer konfiskatorischen Herausgabe am Ende des Verfahrens, wenn der ersuchende Staat einen entsprechenden Antrag stellt. In diesem Fall muss die schweizerische Vollstreckungsbehörde die Bedingungen von Art. 74a IRSG prüfen, da diese andere Schutzmechanismen vorsehen, um die Rechte Dritter zu gewährleisten. Vorbehalten bleibt auch der Fall, dass die Beweismittel Gegenstände darstellen, die die Sicherheit, die Moral oder die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 69 Abs. 1 in fine StGB gefährden; in diesem Fall müsste ungeachtet der Ansprüche Dritter auf die Rückgabe der zu Beweiszwecken übergebenen Gegenstände verzichtet werden können, da solche Gegenstände in jedem Fall eingezogen werden könnten.
20 Für den ersuchenden Staat ergibt sich die oben genannte Rückgabepflicht entweder aus einer allgemeinen Vereinbarung, die ihn mit dem ersuchten Staat verbindet (eine Pflicht, auf die der ersuchte Staat in einem bestimmten Fall verzichten kann), oder aus einem spezifischen Vorbehalt, der im Rahmen der Übergabe des streitigen Gegenstandes gemacht wurde. Da es keine Rechtsgrundlage gibt, die die Rückgabe im Rahmen eines internationalen Abkommens zwischen dem ersuchten und dem ersuchenden Staat vorsieht, und da zum Zeitpunkt der Übergabe kein entsprechender Vorbehalt gemacht wurde, bleibt der ersuchende Staat frei, über die Gegenstände nach seinem eigenen Recht zu verfügen.
21 Um die Rückgabe der Gegenstände durch den ersuchenden Staat und damit die Wahrung der Rechte Dritter zu gewährleisten, sieht Art. 74 Abs. 2 IRSG die Möglichkeit vor, vom ersuchenden Staat eine Garantie zu verlangen, dass er die übergebenen Gegenstände nach Abschluss seines Verfahrens kostenlos zurückgeben wird. Es handelt sich dabei um eine annahmepflichtige Bedingung im Sinne von Art. 80p IRSG. Um ihren Zweck zu erfüllen, muss die Einholung der erforderlichen Garantie der Beweisaushändigung vorausgehen. Nach der Rechtsprechung gelten diese Grundsätze sinngemäss auch im Rahmen der Delegation der Strafverfolgung. Hält sich der ersuchende Staat nicht an die von ihm übernommene Garantie, so macht er sich international verantwortlich. Dennoch stellt die Verpflichtung des Staates, die Güter nach Abschluss seines Verfahrens zurückzugeben, nicht immer einen ausreichenden Schutz der Rechte Dritter dar, insbesondere wenn es sich um Kulturgüter handelt, für die der ersuchende Staat möglicherweise Immunitäten genießt. Der ersuchte Staat muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der ersuchende Staat im Einklang mit seinen Verpflichtungen und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben mit gewissen Einschränkungen handeln wird. In einem Fall, der die probeweise Übergabe von drei archäologischen Objekten an Libyen betraf, war das BStGer angesichts der erheblichen Verschlechterung der politischen Lage in diesem Staat der Ansicht, dass es nicht möglich sei, ausreichende Garantien für die Rückgabe der Objekte zu erhalten. Das Bundesstrafgericht genehmigte dennoch die Herausgabe der Dokumentation über die strittigen Stücke, schlug jedoch vor, dass die Gegenstände von libyschen Experten auf Schweizer Boden begutachtet werden sollten, und behielt sich eine mögliche konfiskatorische Herausgabe im Sinne von Art. 74a IRSG für ein späteres Verfahrensstadium vor.
22 Anzumerken ist, dass mögliche Beeinträchtigungen anderer Interessen Dritter (wie z.B. der Privatsphäre oder des Geschäftsgeheimnisses), die sich aus der Kenntnisnahme des Inhalts von Dokumenten oder Inhaltsträgern ergeben, nicht durch das IRSG geschützt sind, insbesondere seit der Streichung von Art. 10 a IRSG im Rahmen der Revision des IRSG, die am 1. Januar 1997 in Kraft trat. Die praktische Bedeutung dieser Norm vor ihrer Abschaffung war im Übrigen sehr begrenzt.
C. Abs. 3 - Erfordernisse eines in der Schweiz anhängigen Strafverfahrens
23 Nach Abs. 3 von Art. 74 IRSG kann die beweiskräftige Herausgabe von in der Schweiz beschlagnahmten Gegenständen an das Ausland aufgeschoben werden, wenn die Gegenstände, Dokumente oder Vermögenswerte für ein in der Schweiz anhängiges Strafverfahren benötigt werden. Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn das schweizerische Strafverfahren bereits weit fortgeschritten ist oder wenn der wesentliche Teil der Straftat in der Schweiz stattgefunden hat. In diesem Zusammenhang muss der Richter die jeweiligen Erfordernisse seiner eigenen und der im Ausland durchgeführten Ermittlungen sowie die Art der strittigen Gegenstände berücksichtigen und eine Interessenabwägung vornehmen. Das Bundesgericht hat beispielsweise in einem Fall, in dem es um archäologische Objekte von quantitativer und kultureller Bedeutung ging, festgestellt, dass es angesichts der mit dem Transport der Fundstücke verbundenen Risiken gerechtfertigt sein kann, auf die Übergabe zu verzichten und stattdessen den ausländischen Ermittlern zu erlauben, sich nach Genf zu begeben, um dort die Untersuchung vorzunehmen. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch nicht immer möglich, insbesondere bei einer großen Anzahl von zu begutachtenden Gegenständen, da sie für den ausländischen Staat zu kostspielig ist.
24 Wenn die Verbindungen zwischen dem strittigen Sachverhalt und der Schweiz schwach sind, die mutmasslichen Täter nicht in der Schweiz wohnhaft sind und nicht ausgeliefert werden können und die Schweiz nur aufgrund des Standortes der strittigen Gegenstände auf ihrem Gebiet involviert ist, kann es angebracht sein, dass die schweizerische Behörde den Fortschritt der ausländischen Untersuchung fördert, indem sie die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände gewährt, oder sogar die Strafverfolgung im Sinne von Art. 88 ff IRSG an das Ausland delegiert. Im Falle einer Delegation des Verfahrens an das Ausland sieht Art. 90 IRSG die Herausgabe der Beweisstücke zusammen mit den Akten des Strafverfahrens vor. Diese Herausgabe ist die logische Folge der Abtretung infolge der Delegation: Der ersuchende Staat muss dem ersuchten Staat alles übergeben, was für die Verfolgung der delegierten Straftaten nützlich sein kann, damit dieser seine Aufgabe erfüllen kann. Der Begriff "Beweisstücke" im Sinne von Art. 90 IRSG entspricht dem Begriff "Beweismittel" im Sinne von Art. 74 und 59 IRSG. Die schweizerische Behörde darf die Delegation der Strafverfolgung nicht mit dem Ziel vornehmen, eine Übermittlung von Gegenständen zu ermöglichen, die unter den Voraussetzungen der Art. 74 und 74a IRSG nicht zulässig wäre. Schliesslich sind die für den Schutz der Rechte Dritter erforderlichen Regeln (siehe oben Abs. 2) im Falle der Herausgabe von Gegenständen im Sinne von Art. 90 IRSG analog anwendbar.
D. Abs. 4 - Pfandrechte zugunsten des Fiskus
25 Art. 74 Abs. 4 IRSG verweist auf Art. 60 IRSG, der die Pfandrechte zugunsten des Fiskus im Bereich der Auslieferung regelt. Gemäss der letztgenannten Bestimmung kann, wenn die Gegenstände oder Vermögenswerte ohne Vorbehalt der Rückgabe übergeben werden, das Zollpfandrecht oder jede andere durch das schweizerische Zoll- oder Steuerrecht geschaffene dingliche Sicherheit nicht geltend gemacht werden, es sei denn, der durch die Straftat geschädigte Eigentümer schulde sie selbst. Der Verzicht auf ein solches Pfandrecht kann von Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist auch Art. 23 IRSGV zu beachten, der festlegt, unter welchen Umständen Pfandrechte zugunsten des Fiskus geltend gemacht werden können, und gleichzeitig (Abs. 2) die Oberzolldirektion als zuständige Behörde für den Verzicht auf Pfandrechte im Sinne von Art. 60 IRSG bezeichnet.
26 Das BJ weist darauf hin, dass diese Problematik in der Praxis kaum von Bedeutung ist.
Literaturverzeichnis
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