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Kommentierung zu
Art. 42 DSG

Eine Kommentierung von Sarah Bischof

Herausgegeben von Thomas Steiner / Anne-Sophie Morand / Daniel Hürlimann

defriten

In Kürze

Gemäss Art. 42 DSG können die Ansprüche aus Art. 41 DSG im Rahmen eines Zugangsverfahrens nach dem Öffentlichkeitsgesetz geltend gemacht werden, sofern die betreffenden Dokumente Personendaten enthalten. Damit trägt die Bestimmung dem Umstand Rechnung, dass die Schutzzwecke des DSG und des BGÖ, namentlich die informationelle Selbstbestimmung als Teil des Schutzes der Privatsphäre auf der einen und der Grundsatz der Transparenz der Verwaltung auf der anderen Seite, in einem Spannungsverhältnis stehen können.

I. Vorbemerkungen

1Der frühere Art. 25bis aDSG wurde mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) eingeführt. Damit wurden die Grundsätze der Koordination zwischen dem DSG und dem BGÖ festgelegt.

In der revidierten Fassung des DSG von 2023 wurde die Bestimmung inhaltlich nicht verändert; sie findet sich neu im Art. 42 DSG.

2Mit der Bestimmung wird sichergestellt, dass eine betroffene Person ihre datenschutzrechtlichen Ansprüche im Rahmen des Zugangsverfahrens nach dem Öffentlichkeitsgesetz geltend machen kann. Das führt dazu, dass das Zugangsverfahren um diese datenschutzrechtlichen Belange erweitert wird.

II. Geltendmachung der Ansprüche gemäss Art. 41 DSG im Zugangsverfahren

3Das BGÖ sieht vor, dass jede Person das Recht hat, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten (Öffentlichkeitsprinzip, Art. 6 Abs. 1 BGÖ). Der Zugang kann jedoch eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert werden, wenn durch die Gewährung die Privatsphäre Dritter beeinträchtigt werden kann; vorausgesetzt, dass das öffentliche Interesse am Zugang nicht überwiegt (Art. 7 Abs. 2 BGÖ).

4Damit die Privatsphäre Dritter im Zugangsverfahren gewahrt bleibt, sind amtliche Dokumente, die Personendaten enthalten, grundsätzlich zu anonymisieren (Art. 9 BGÖ). Ist eine Anonymisierung jedoch nicht möglich, beispielsweise weil dadurch der Inhalt und die Zusammenhänge des amtlichen Dokuments nicht mehr verständlich wären

oder weil sie mit einem unverhältnismässigen Aufwand
verbunden wäre (was eine umfassende Interessenabwägung durch das Bundesorgan bedingt
), ist die Zugangsgewährung nur unter der Voraussetzung des Art. 36 DSG, welcher die Datenbekanntgabe durch Bundesorgane regelt (siehe Kommentierung hierzu), erlaubt. Zieht die Behörde die Zugangsgewährung in Erwägung, muss sie der betroffenen Person, deren Personendaten in den fraglichen Dokumenten enthalten sind und deren Privatsphäre dadurch beeinträchtigt werden kann, vorgängig die Gelegenheit zur Stellungnahme innert 10 Tagen geben. Im Rahmen dieser Stellungnahme kann die betroffene Person nicht nur verlangen, dass ihre Daten nicht an den Gesuchsteller herausgegeben werden. Vielmehr ermöglicht es ihr Art. 42 DSG, ihren Anspruch auf Unterlassung einer widerrechtlichen Datenbearbeitung, Beseitigung der Folgen einer widerrechtlichen Datenbearbeitung oder Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Datenbearbeitung (siehe Kommentierung zu Art. 41 DSG) geltend zu machen.
Die Ansprüche müssen sich dabei auf jene Dokumente beziehen, die Gegenstand des Zugangsverfahrens sind.

5Möchte die Behörde entgegen der Stellungnahme der betroffenen Person den Zugang gewähren, so hat sie die betroffene Person darüber zu informieren (Art. 11 Abs. 2 BGÖ). Diese kann in der Folge den EDÖB innert 20 Tagen um Schlichtung ersuchen. Scheitert die Schlichtung, gibt der EDÖB eine Empfehlung ab. Die Behörde hat in der Folge eine Verfügung zu erlassen, sofern sie entweder der Empfehlung nicht folgt oder wenn die betroffene Person (oder auch der Gesuchsteller) eine solche verlangt (Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b BGÖ).

Gegen diese Verfügung kann eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht werden (Art. 16 Abs. 1 BGÖ).

6Art. 42 DSG soll damit unter anderem die Verfahrensökonomie sicherstellen, da die betroffene Person allenfalls erst durch die Einladung zur Stellungnahme Kenntnis davon erhält, dass ihre Personendaten in den fraglichen amtlichen Dokumenten enthalten sind. Entsprechend sinnvoll kann es sein, wenn die datenschutzrechtlichen Aspekte im Rahmen des Zugangsverfahrens mitbeurteilt werden.

Kritisiert wird an dieser Lösung, dass das Zugangsverfahren dadurch schwerfällig und langwierig wird.

Literaturverzeichnis

Egli Patricia, Datenschutz und Öffentlichkeitsprinzip, in: Forum Europarecht Band/Nr. 35, Jahr 2015, S. 133-155.

Gautschi Adrian, Kommentierung zu Art. 42 DSG, in: Blechta, Gabor-Paul/Vasella David (Hrsg.), Balser Kommentar, Datenschutzgesetz, 4. Aufl. Basel 2024.

Jöhri Yvonne, Kommentierung zu Art. 25bis DSG, in: Rosenthal David/Jöhri Yvonne, Handkommentar zum Datenschutzgesetz, Zürich/Basel/Genf 2008.

Kölz Alfred/Häner Isabell/Bertschi Martin, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., Zürich 2013.

Stoffel Martine/Poncet Marie, Kommentierung zu Art. 41 DSG, in: Bieri Adrian/Powell Julian (Hrsg.), OFK-Orell Füssli Kommentar (Navigator.ch), Zürich 2023.

Sturny Monique, Kommentierung zu Art. 42, in: Baeriswyl Bruno/Pärli Kurt/Blonski Dominika (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar (SHK) zum Datenschutzgesetz, 2. Aufl., Zürich 2023.

Materialienverzeichnis

Botschaft zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung vom 12.2.2003 (BBl 2003 1963).

Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15.9.2017 (BBl 2017 6941).

Fussnoten

  • BBl 2003 1963, S. 2016.
  • BBl 2017 6941, S. 7087.
  • Kölz/Häner/Bertschi, N. 1865.
  • Vgl. Egli, Forum Europarecht Band/Nr. 35, 2015, S. 139.
  • BVGer A-3334/2019 vom 3.11.2020 E. 7.1.2
  • OFK-DSG, Stoffel/Poncet, Art. 41 N. 12 m.w.H.
  • OFK-DSG, Stoffel/Poncet, Art. 41 N. 15.
  • Zum Ablauf des Zugangsverfahrens siehe SHK-Sturny, Art. 42 N. 6 ff.
  • Jöhri, Handkommentar DSG, Art. 25bis, N. 4.
  • BSK-Bangert, Art. 25/25bis DSG N. 98, m.w.H.; BSK-Gautschi, Art. 42 DSG N. 4, m.w.H.

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DOI (Digital Object Identifier)

10.17176/20240726-081000-0

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