Kommentar zu Art. 371 StPO
Ein Kommentar von Denise Weingart
Herausgegeben von Sonja Koch
Zitiervorschlag
Denise Weingart, Kommentar zu Art. 371 StPO, in: Sonja Koch (Hrsg.), Onlinekommentar zur Strafprozessordnung, https://onlinekommentar.ch/stpo371/, 1. Aufl., N. XXX zu Art. 371 StPO (besucht am XXX).
Kurzzitat: OK-Weingart, N. XXX zu Art. 371 StPO.
Art. 371 StPO Verhältnis zur Berufung
1 Solange die Berufungsfrist noch läuft, kann die verurteilte Person neben oder statt dem Gesuch um neue Beurteilung auch die Berufung gegen das Abwesenheitsurteil erklären. Sie ist über diese Möglichkeit im Sinne von Artikel 368 Absatz 1 zu informieren.
2 Auf eine Berufung wird nur eingetreten, wenn das Gesuch um neue Beurteilung abgelehnt wurde.
Art. 371 CPP Rapport avec l’appel
1 Tant que court le délai d’appel, le condamné peut faire une déclaration d’appel contre un jugement rendu par défaut parallèlement à sa demande de nouveau jugement ou au lieu de celle-ci. Il doit en être informé conformément à l’art. 368, al. 1.
2 Un appel n’est recevable que si la demande de nouveau jugement a été rejetée.
Art. 371 CPP Rapporto con l’appello
1 Fintanto che il termine per l’appello non sia scaduto, il condannato può, parallelamente all’istanza di nuovo giudizio o in sua vece, anche interporre appello contro la sentenza contumaciale. Deve essere informato di questa possibilità ai sensi dell’articolo 368 capoverso 1.
2 Si entra nel merito dell’appello soltanto se l’istanza di nuovo giudizio è stata respinta.
Art. 371 CrimPC Relationship to an appeal
1 Within the applicable time limit, a person convicted may file an appeal against the judgment in absentia in addition to or instead of the application for re-assessment. The person convicted must be notified of this possibility in accordance with Article 368 paragraph 1.
2 An appeal shall only be considered if the application for re-assessment has been rejected.
I. Parallele Erhebung von Rechtsmittel/Rechtsbehelf
1 Art. 371 Abs. 1 Satz 1 StPO hält unmissverständlich fest, dass die verurteilte Person neben oder statt dem Gesuch um neue Beurteilung auch die Berufung nach Art. 398 ff. StPO gegen das Abwesenheitsurteil erklären kann, solange die Berufungsfrist von 10 Tagen noch läuft.[1].
2 Die Bestimmung von Art. 371 StPO klärt lediglich das Verhältnis von Rechtsbehelf (Gesuch um neue Beurteilung nach Art. 368 StPO) und Rechtsmittel (Berufung nach Art. 398 ff. StPO) gegen ein im Rahmen von Art. 367 StPO ergangenes Abwesenheitsurteil. Die Berufung kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn geltend gemacht wird, dass die Voraussetzungen für ein Abwesenheitsurteil nicht bestanden hätten und mithin das Verfahren hätte sistiert werden müssen.[2].
3 Bei der Wahl des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs ist Folgendes zu beachten: Wählt die beschuldigte Person ausschliesslich die Berufung, ohne gleichzeitig um neue Beurteilung zu ersuchen, geht ihr eine Instanz verloren. Wählt sie hingegen ausschliesslich die neue Beurteilung, läuft sie Gefahr, dass auf das Gesuch nicht eingetreten wird, weil die Voraussetzungen von Art. 368 Abs. 3 StPO nicht erfüllt sind. In diesem Fall bleibt ihr überhaupt kein Rechtsbehelf.[3]. Die beschuldigte Person ist deshalb gut beraten, wenn sie sich vorsorglich beide Möglichkeiten offen hält.
4 Werden sowohl das Rechtsmittel der Berufung als auch der Rechtsbehelf des Gesuchs um Neubeurteilung ergriffen, hält Art. 371 Abs. 2 StPO fest, dass zuerst über das Gesuch um neue Beurteilung zu entscheiden ist und erst, wenn dieses abgelehnt wird, das – vorab sistierte[4] – Rechtsmittelverfahren von der Rechtsmittelinstanz an die Hand genommen wird. Daraus ergibt sich die Subsidiarität des Berufungs- gegenüber dem Gesuchsverfahren, welche sich auch bei allfälligen Rechtsmitteln anderer Parteien durchschlägt (Art. 369 Abs. 2 und 370 Abs. 2 StPO).[5]
II. Besonderheiten beim Fristenlauf
5 Was den Fristenlauf betrifft, ist Folgendes zu beachten: Die Berufungsfrist fängt mit der Zustellung des Dispositivs an zu laufen, wobei nicht eine persönliche Zustellung erforderlich ist, sondern auch die Zustellungssurrogate (wie bspw. die Zustellfiktion oder die Aushändigung an eine im gleichen Haushalt wohnende Person) zum Zuge kommen können. Demgegenüber ist für den Fristbeginn zur Einreichung eines Gesuchs um neue Beurteilung eine persönliche Zustellung nötig,[6] weshalb die Fristenläufe von Rechtsmittel und Rechtsbehelf nicht zwingend übereinstimmen müssen. So kann es bspw. sein, dass die Berufungsfrist bereits lange abgelaufen ist, bevor die Rechtsbehelfsfrist mit der Zustellung an die verurteilte Person überhaupt zu laufen beginnt.
III. Verhältnis zur Beschwerde und zur Wiederherstellung
6 Zum Verhältnis des Gesuchs um neue Beurteilung zur Beschwerde und zur Wiederherstellung der Frist kann auf die Kommentierung in N. 19 ff. zu Art. 368 StPO verwiesen werden. Eine schematische Übersicht über die Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im Abwesenheitsverfahren findet sich in Ziff. V. der Kommentierung zu Art. 366 StPO.
[1] Vgl. Urteil 6B_203/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 1.1.
[2] SK-Summers, N. 1 zu Art. 371 StPO.
[3] Botschaft, 1303.
[4] Siehe dazu die Kommentierung in N. 5 f. zu Art. 369 StPO.
[5] Botschaft, 1303; BSK-Maurer, N. 4 zu Art. 271 StPO.
[6] Siehe zur persönlichen Zustellung ausführlich die Kommentierung in N. 4 ff. zu Art. 368 StPO; BSK-Maurer, N. 2 zu Art. 371 StPO.
Literaturverzeichnis
Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085 ff.
Maurer Thomas, in: Niggli Marcel Alexander/Heer Marianne/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar zur Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014.
Summers Sarah, in: Donatsch Andreas/Lieber Viktor/Summers Sarah/Wohlers Wolfgang (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2020.
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